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Brücke der HoffnungNach zehn Jahren queren Lkw auf der A1 wieder den Rhein

Lesezeit 6 Minuten
Die alte A1-Rheinbrücke wurde abgeklemmt und die Schrankenanlagen entfernt. Die A 1 war für 10 Tage gesperrt. Sie ist aus einer tiefen Perspektive fotografiert, sodass man die Trägerkonstruktion über dem Asphalt gut erkennen kann.

Die neue Leverkusener Rheinbrücke wird am Sonntag mit einem Festakt für den Verkehr freigegeben.

Der erste Teil der neuen Rheinbrücke wird am Sonntag mit einem Festakt für den Verkehr freigegeben. Die Nadelöhr-Situation ist damit aber noch nicht komplett Geschichte.

Bei der Prominenz, die sich am Sonntag ab 13 Uhr laut Einladung der Autobahn GmbH des Bundes zur „feierlichen Verkehrsfreigabe der neuen A1 Rheinbrücke Leverkusen“ versammeln wird, könnten ein paar Euphorie-Blitzer auf dem neuen Bauwerk nicht schaden, damit es unter der Last der hohen Erwartungen nicht gleich Schaden nimmt. Denn es ist sozusagen ja nur die halbe Miete. Natürlich wissen das alle Beteiligten, doch eine Einladung zu einer „Teilbauwerksfreigabe“ wäre wohl ein echter Partykiller gewesen.

Klar ist: Solange das Zwillingsbauwerk auf der Südseite nicht steht, wird die neue Rheinbrücke ein Nadelöhr bleiben. Und dessen Eröffnung dürfte frühestens Ende 2027 gefeiert werden.

Vorarbeiten zum Abbruch der alten Brücke starten kommende Woche

Bereits in der kommenden Woche werden die Vorarbeiten zum Abbruch der alten Schrägseilbrücke beginnen. Die Arbeiten werden rund ein Jahr dauern. Weil die Strombrücke aus 10.000 Tonnen Stahl besteht, muss sie Stück für Stück mit Schweißbrennern zerkleinert und einschließlich der Pylone in Einzelteilen von der Strommitte rückgebaut werden.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

„Das ist ein sehr spannender Vorgang, weil das in Europa so noch niemals gemacht wurde“, sagt Nicole Ritterbusch, Leiterin des Geschäftsbereichs Rheinbrücken der Autobahn GmbH. Erst wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, kann mit dem Neubau des zweiten Brückenteils begonnen werden.

Immerhin dürfen sich am Sonntag ab 22 Uhr, wenn das Fahrverbot für schwere Lkw endet, nach knapp zehn Jahren auch wieder Elefanten durch das Nadelöhr quetschen. Die Gewichtsbeschränkung auf 3,5 Tonnen ist damit nämlich passé.

Bauarbeiter in oranger Arbeitskleidung sind auf der Brücke zu sehen, ebenso wie ein Fahrzeug der Autobahn AG.

Rund zwei Wochen dauerte es, die neue Brücke an die Autobahn anzuschließen.

Die hatte bereits 2015 für Schlagzeilen gesorgt, als die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) fröhlich ausplauderte, dass sie mit ihrem gepanzerten Dienstwagen, einem Audi A8, bei Terminen in Leverkusen und Köln immer Umwege fahren müsse. Ihre Dienstlimousine sei für die Brücke einfach zu schwer.

Tempo 80 und ein Lkw-Überholverbot

Das Problem hat sich dann also auch für Politiker ab Sonntag erledigt. Darauf darf man sich nach all den Jahren schon mal ein Kölsch gönnen. Ansonsten gelten für die neue Brücke die gleichen Verkehrsregeln wie bei allen Autobahn-Baustellen üblich: Tempo 80 und Überholverbot für Lkw.

Zur Eröffnung sind zwei Stunden Programm geplant. Mit vielen Ansprachen, an deren Ende Oliver Luksic, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den bei solchen Anlässen üblichen Banddurchschnitt vornehmen werden. Begleitet werden sie von einer ganzen Entourage: NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) ist dabei sowie die Führungsspitze der Autobahn GmbH und weitere Gäste, darunter Abgeordnete des Bundestags und des Landtags. Auch ein Mitglied der Bundesregierung hat sich angesagt: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dessen Wahlkreis mit Leverkusen und Köln IV auf beiden Seiten des Rhein liegt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat seine Teilnahme ohne Begründung kurzfristig abgesagt.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach steigt aus einem Auto und lacht in die Kamera.

Hat sich zur Eröffnung der neuen Leverkusener Brücke als Gast angesagt: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) - sein Wahlkreis Leverkusen und Köln IV liegt auf beiden Seiten des Rhein.

Die Fahrbahnbreite der neuen Rheinquerung, auf der bereits sechs eingeengte Spuren für zwei Richtungen mit gelber Farbe markiert sind, wird für die vielen Beteiligten, die sich aufs Eröffnungsfoto drängeln werden, ausreichen. Das ist sichergestellt.

Weniger Staus auf dem Kölner Autobahnring sind nicht garantiert

Ob es rund um Köln weniger Staus geben wird, hingegen nicht. Die Verkehrsleitzentrale Leverkusen reagiert auf die Frage, wie sich die Verkehrslage auf dem Kölner Autobahnring ab Montag entwickeln könnte, sehr zurückhaltend. Man gehe davon aus, dass die Umleitungsstrecken durch die Brückenfreigabe für den Gesamtverkehr und insbesondere für schwere Lastwagen „deutlich entlastet“ werden.

In den vergangenen zehn Jahren habe sich das Gesamtvolumen und die Verkehrszusammensetzung stetig verändert. Gleichzeitig hätten großräumige Umleitungen wegen der Sperrung der Rahmede-Talbrücke auf der Sauerlandlinie und Großbaustellen wie am Heumarer Dreieck auf dem Kölner Ring zu veränderten Belastungen geführt. Deshalb sei eine seriöse Vorhersage ohne Datengrundlage nicht möglich.

Verkehrsleitzentrale wagt keine Prognose

„Erst wenn sich der Gesamtverkehr auf der neuen Brücke etabliert hat, können wir mithilfe der Dauerzählstellen auf dem Kölner Ring und den weitläufigeren bisherigen Umleitungsstrecken eine Erhebung durchführen, welcher Anteil des Schwerlastverkehrs sich auf die A1 zurückverlagert hat“, teilt die Verkehrsleitzentrale auf Anfrage mit.

Die Verkehrsprognosen der Autobahn GmbH für den Kölner Ring gehen im Jahr 2030 für die A1 von 120.000 bis 140.000 und für die A3 von 150.000 bis 184.000 Fahrzeugen aus. Auf der A4 sind heute schon mehr als 150.000 Autos unterwegs – Tendenz steigend.

Der Traum von einem staufreien Kölner Ring dürfte sich also auch nach dem Abschluss des Gesamtprojekts Rheinbrücke Ende 2027 nicht erfüllen, weil dessen Sanierung und Ertüchtigung mit der Rheinbrücke noch längst nicht abgeschlossen ist.

Vogelperspektive auf die Autobahn 1. Drumrum ist grünes Wohngebiet zu sehen.

Bis 2035 muss die sogenannte Megastelze zwischen den Kreuzen Leverkusen und Leverkusen West nach Angaben der Autobahn GmbH erneuert werden. Der Ausbau auf acht Spuren ist höchst umstritten. r

Bis 2035 muss die A1-Stelze zwischen den Kreuzen Leverkusen und Leverkusen-West ersetzt werden, gegen deren geplante Verbreiterung auf acht Spuren es nicht nur in Leverkusen starken Widerstand gibt. Hinzu kommen der umstrittene Neubau der Rodenkirchener Brücke, der Ausbau der Kreuze Köln-Süd und Gremberg und das Großprojekt Ausbau Kreuz Leverkusen.

Einen Kölner Ring frei von Großbaustellen, kann Willi Kolks, Chef der Autobahn GmbH Rheinland, sich in den nächsten zehn Jahren nicht vorstellen. Im Gegenteil: Wegen des schlechten Zustands vieler Brücken werde man sogar Projekte gleichzeitig vorantreiben müssen. Die neuesten Pläne des Landes, Autobahnabschnitte voll zu sperren, um schneller bauen zu können, ließen sich im Großraum Köln nicht umsetzen. „Wir müssen so planen, dass der Verkehr mit Einschränkungen immer fließen kann.“ Das zeigt auch aktuelle Sperrung der A1 zwischen den Kreuzen Köln-Nord und Leverkusen, die rund um Köln zu teilweise chaotischen Verkehrsverhältnissen geführt hat.

Ob es auf der neuen Leverkusener Brücke auch Blitzer geben wird, ist unklar. Das müssten die Ordnungsbehörden der Städte Leverkusen und Köln beantragen. Beide verbuchten mit den Radarfallen auf dem alten Bauwerk zur Überwachung von Tempo 60 seit 2016 kräftige Einnahmen: Köln für die Fahrtrichtung Dortmund rund vier Millionen, Leverkusen mit den Messanlagen Richtung Koblenz gut 15 Millionen Euro.

Fahrzeuge fahren auf der A1-Rheinbrücke bei Leverkusen durch eine automatische Sperranlage. Die alte Brücke war seit 2014 für Lastwagen über 3,5 Tonnen gesperrt.

Die Lkw-Sperranlagen, die den Stadtkämmerern von Leverkusen und Köln Millioneneinnahmen durch Bußgelder bescherten, sind Geschichte.

Eine weitere Einnahmequelle steht beiden Städten definitiv nicht mehr zur Verfügung. Seit 2016 mussten Tausende Lkw-Fahrer Bußgelder zahlen, weil sie trotz des Verbots über die Brücke fahren wollten und an den Schrankenanlagen gestoppt wurden. 12,4 Millionen nahm Leverkusen ein, in Köln waren es 5,2 Millionen Euro.

Gesamtes Projekt kostet rund 1,4 Milliarden Euro

Das Gesamtprojekt Rheinbrücke wird nach den bisherigen Schätzungen einschließlich der Erweiterung der A1 auf acht Fahrspuren zwischen der Anschlussstelle Köln-Niehl und dem Kreuz Leverkusen West rund 1,4 Milliarden Euro kosten.

Ob diese Summe ausreicht, wird auch vom Ausgang des Rechtsstreits mit dem ehemaligen Generalunternehmer abhängen. Der Landesbetrieb Straßen NRW hatte den Vertrag mit der Porr GmbH im April 2020 nach einem Streit um die aus seiner Sicht mangelhafte Qualität der Stahlbauteile aus chinesischer Produktion gekündigt. Das hatte zu einer Bauverzögerung von zwei Jahren geführt. Beim Landgericht Köln ist eine Schadenersatzklage des Landes gegen Porr anhängig, auf die der geschasste Unternehmer mit einer Gegenklage reagierte.

Der österreichische Baukonzern Porr hatte mit seiner deutschen Tochtergesellschaft das gesamte Projekt, also den Neubau beider Brückenteile samt Abbruch des alten Bauwerks für 363 Millionen Euro stemmen wollen. Davon ist man weit entfernt. Allein 63 Millionen Euro mussten laut Autobahn GmbH seit 2012 investiert werden, um die alte Brücke wenigstens für den Pkw-Verkehr instand zu halten und die Lkw-Sperranlagen zu bauen und zu betreiben.