Die Autobahn GmbH Rheinland hat sich für den Bau einer Megastelze auf Leverkusener Stadtgebiet entschieden. Was bedeutet das? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Streit um MegastelzeAutobahn GmbH schockt Leverkusen
Wie ist die Entscheidung für die Stelze zustande gekommen?
Die Autobahn GmbH Rheinland hat noch einmal alle Varianten einer Untersuchung unterzogen. Ursprünglich habe es für die A 3 sieben, für die A 1 sogar 17 Varianten gegeben, heißt es in der neuen Ausgabe der Bürgerzeitung „Dialog“.
Lärmschutz wurde noch einmal verschärft
Warum hat es noch eine neue Untersuchung gegeben? Das Bundesverkehrsministerium hatte doch 2020 schon entschieden, beide Autobahnen in der Hochlage zu bauen.
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Es geht um den Lärmschutz. Die Richtlinie (RSL 19) ist im Jahr 2019 noch einmal verschärft worden. Deshalb musste die Autobahn GmbH weitere Gutachten zu der Frage in Auftrag geben, ob die verschärften Grenzwerte nur mit einer Tunnellösung zu erreichen sind. Den neuen Gutachten liegen auch neue Verkehrsprognosen für das Jahr 2030 zugrunde.
Wie sehen die aus?
Die Verkehrsprognosen gehen 2030 für die A 3 von 150.000 bis 184.000 und für die A 1 von 120.000 bis 140.000 Fahrzeugen pro Werktag aus. Die Hälfte davon wechselt im Leverkusener Kreuz die Autobahnen.
Zu welchem Ergebnis sind die neuen Gutachten gekommen?
Der Lärm wird sich auf der A 3 um rund 77 Prozent verringern, auf der A 1 sogar um 91,7 Prozent, heißt es in der Bürgerzeitung. Das werde durch den Einbau von sogenanntem Flüsterasphalt und neuen Lärmschutzwänden erreicht. Die Wände an der neuen bis zu 68 Meter breiten Megastelze werden nach Informationen unserer Zeitung eine rechnerische Höhe von neun Metern haben. Bisher geplant waren 6,50 Meter. Allerdings sollen die neuen Wände nach innen zur Fahrbahn so eingeknickt werden, dass sie nicht wie neun Meter hoch wirken. Durch diese Krümmung soll ein Abschirmeffekt erzeugt werden. Wie hoch die Wände genau sein werden, muss noch berechnet werden.
Aber der Tunnel ist doch immer noch deutlich leiser?
Ja. Aber aus lärmtechnischer Sicht näherten sich die Vorzugsvarianten der Tunnellösung an, heißt es in der Bürgerinformation. Wie nah, wird allerdings nicht beschrieben.
Megastelze schlägt Tunnel vor allem finanziell
Und was heißt das jetzt?
Aus Sicht der Autobahn GmbH sprechen jetzt noch mehr Fakten gegen die Tunnellösung. Vor allem die kürzere Bauzeit und die Kosten sind ausschlaggebend. Die Stelzenlösung für die A 1 kostet bei einer Bauzeit von viereinhalb Jahren 473 Millionen, der Tunnel bei acht bis zehn Jahren Bauzeit 841 Millionen Euro. Überdies müsste man bei der Tunnelvariante das Kreuz Leverkusen über mehrere Jahre hinweg immer wieder zwischen der A 1 und der A 3 teilweise sperren, weil es ja irgendwie an den Tunnel angeschlossen werden müsste. Der gesamte Ausbau, also Stelze plus Kreuz Leverkusen, liegt nach derzeitiger Berechnung bei 921 Millionen Euro.
Bei der A 3 betragen die Baukosten in Hochlage bei einer Bauzeit von 4,5 Jahren rund 448 Millionen Euro. Der Tunnel würde je nach Länge zwischen 2,36 und vier Milliarden Euro kosten, der Bau bis zu 9,5 Jahre dauern.
Das Land NRW hat 2018 eine Abwägung vorgenommen und sich anschließend für den Tunnel ausgesprochen. Hat das keine Bedeutung?
Das stimmt. Der damalige Verkehrsminister und heutige Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete die Tunnellösung als „ein Gebot der Fairness gegenüber dieser Stadt“. Allerdings ist dabei nur der Umweltaspekt betrachtet worden. Das Bundesverkehrsministerium muss aber eine Gesamtabwägung vornehmen, also auch die anderen Kriterien einbeziehen, und hat sich im Jahr 2020 für die Stelze entschieden.
Welche Kriterien sind das?
Die vier wesentlichen Kriterien sind Umwelt, Wirtschaftlichkeit, Bauzeit und Verkehrsfluss. Am Ende wird nach dem Nutzen-Kosten-Verhältnis entschieden.
Megastelze und Ausbau des Autobahnkreuzes werden zu Paket geschnürt
Wie soll der Bauablauf konkret aussehen?
Es wird nur noch ein Planfeststellungsverfahren geben. Die Megastelze und der Ausbau des Leverkusener Kreuzes werden zu einem Paket geschnürt.
Warum?
Das hat offenbar technische Gründe. Wenn man der A 3 im Kreuz Leverkusen arbeitet, hat das automatisch Folgen für die A 1 und umgekehrt.
Gibt es schon einen konkreten Zeitplan?
Für die technische Planung, die europaweit ausgeschrieben werden muss, sind rund drei Jahre nötig, also bis Mitte 2026. Dann müssen der Entwurf genehmigt und das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Die Autobahn GmbH muss mit vielen Widersprüchen gegen die Planung rechnen. Daher erscheint ein Baurecht vor Ende 2028 unwahrscheinlich - trotz des beschleunigten Verfahrens mit nur einer Klageinstanz. Deshalb wird der Baubeginn wohl nicht vor 2030 sein.
Was kommt zuerst? Die Stelze oder der Ausbau des Leverkusener Kreuzes?
Das kann man nicht trennen. Die wichtigste Vorgabe ist, dass während der gesamten Bauzeit bis auf ein paar kurzfristige Sperrungen alle Fahrbeziehungen auf beiden Autobahnen, wenn auch eingeschränkt, bestehen bleiben.
Spannstahl aus den 60er Jahren soll unsanierbar sein
Warum kann man die alte Stelze nicht einfach sanieren?
Das Bauwerk besteht aus Spannstahl aus den 60er und 70er Jahren, der anfällig für Risse und Korrosion ist. Fachleute sagen, dass man das nicht sanieren kann.
Und was ist mit dem Autobahnkreuz Leverkusen? Welche Zwänge gibt es noch?
Das zentrale Bauwerk im Kreuz Leverkusen, das ist die Brücke der A 3 über die A 1, hat die Belastungsgrenze erreicht. Die Restnutzungsdauer läuft 2025 ab. Die Autobahn GmbH wird die Brücke noch einmal verstärken, um Zeit zu gewinnen. Sie muss aber auch erneuert werden.
Wie ist der Stand beim Neubau der Rheinbrücke?
Der erste Neubauteil der Rheinbrücke liegt im Zeitplan und soll Ende des Jahres für den Verkehr freigegeben werden. Anschließend wird mit dem Abbruch der alten Brücke begonnen. Ende 2027 soll der zweite Neubau stehen. Die Kosten liegen derzeit bei einer Milliarde Euro.
Und die A 3?
Bis zum Kreuz Leverkusen soll es beim Ausbau auf vier Fahrstreifen plus Ein- und Ausfahrten bleiben. Vom Kreuz Leverkusen bis Hilden plant die Autobahn GmbH zunächst mit dem Ausbau und der temporären Freigabe des Seitenstreifens. Der Der Ausbau auf vier Streifen steht zwar weiter als Projekt im Bundesverkehrswegeplan, ob der dann noch nötig ist, wird die Praxis zeigen.