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Burscheider SagenWie Nagelsbaum und Sankt Heribert zu ihren Namen gekommen sein sollen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Schild mit der Aufschrift „Zum Nagelsbaum“ hängt an einem Haus.

An der L291-Abzweigung nach Nagelsbaum erinnert der Name einer ehemaligen Traditionsgaststätte an die sagenumwobene Geschichte des Ortes.

Den Auftakt der vorgestellten Burscheider Sagen macht eine Erzählung über die Rache an einem blutrünstigen Ritter aus Grünscheid.

„Das Bergische Land ist ein sagenreiches Land, und Burscheid macht keine Ausnahme.“ Mit diesem Satz beginnt das Vorwort des Buches „Herm mit dem Stummel“ von Marie-Luise Mettlach, in dem die Autorin 17 Burscheider Sagen nacherzählt. Ein ausgeprägter Aberglaube in der Bevölkerung habe Geschichten über Zwerge, Teufelserscheinungen, Poltergeister, Ritter oder Räuber verfestigt und dafür gesorgt, dass sie weitergegeben wurden, führt die 89-Jährige aus: „Die waren Volksgut.“

Dabei seien die Sagen sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form überliefert worden, wobei der Verdienst einer ersten richtigen Dokumentation vor allem dem aus einer „kulturell sehr beflissenen Familie“ stammenden Vincenz Jakob von Zuccalmaglio, genannt „Montanus“, zuzusprechen sei, so Mettlach. Dieser im 19. Jahrhundert wirkende Schriftsteller und Dichter habe Sagen aus dem Bergischen Land zusammengetragen. Sie habe dann die Erzählungen mit Burscheider Bezug lokalisiert und in heute verständliche Sprache „übersetzt“, berichtet die Initiatorin des Denkmalpfades.

Burscheider Sage erzählt von den Rittern Hermann und Heribert

Aus ihrer Sicht haben es die Geschichten verdient, ins kollektive Gedächtnis zurück geholt zu werden. „Im Unterschied zu Märchen haben Sagen immer einen real - ortsbezogenen, manchmal auch geschichtlichen Hintergrund“, so die Mitgründerin des Burscheider Kulturvereins. Natürlich müsse man dennoch im Hinterkopf behalten, dass es der „Volksmund“ sei, der beispielsweise die angeblichen Hintergründe bei der Entstehung von Ortsnamen erkläre. Eine Sage, die sich bis heute bei vielen alten Menschen in der Gegend gehalten habe, heißt wie das Buch „Herm mit dem Stummel“. Sie erzählt unter anderem davon, wie die Ortschaften Nagelsbaum und Sankt Heribert zu ihren Namen gekommen sein sollen:

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„Da, wo heute die vielbefahrene Straße von Nagelsbaum nach Leichlingen das Tal durchschneidet, stand einst die Ritterburg Grünscheid“, beginnt die nacherzählte Sage, die im 14. Jahrhundert spielt und im Übrigen wie alle anderen Erzählungen von Rolf Schmitter ins Burscheider Platt übertragen wurde. Auf dieser Burg soll der für seine Gewalttätigkeit bekannte Raubritter Hermann von Grünscheid „gehaust“ haben, der wohl wegen eines bewaffneten Streits ein zu kurzes Bein hatte - deshalb die Bezeichnung „Stummel“. Diese Verletzung hielt ihn trotzdem nicht davon ab, durch brutale Raubzüge in der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten.

Ein gefährlicher Weg von Köln nach Schloss Burg

„‚Er fegt wie Herm mit dem Stummel‘, wurde ein Sprichwort verrufener Räuber“, heißt es im Text. Dennoch oder vermutlich deswegen sei der „Grünscheider“ vom Rittergericht unbehelligt geblieben. Der Wohnsitz habe für die räuberischen Absichten des Ritters besonders günstig, nämlich unmittelbar an einem Weg, der Schloss Burg mit Köln verband, gelegen. Auf eine besonders vielversprechende Beute wartete der Raubritter an einem verregneten Novemberabend:

Ein Soester Kaufmann befand sich mit seiner schönen Tochter Ida, 14 Gefolgsleuten und vier mit kostbaren Waren beladenen Pferden auf dem Weg nach Schloss Burg. Um schlagkräftig zu sein, soll „Herm mit dem Stummel“ neben zwölf ungenannten Mitstreitern noch den jungen Ritter Heribert aus der Nachbarschaft zur Hilfe gerufen haben. Mit Letzterem, „dem man ein solche Tat nicht zugetraut hätte“, verabredete er, die erhoffte Beute gerecht zu teilen.

„Herm“ zerhackte seine Opfer

„Herm wird nicht wagen, uns anzugreifen!“, soll der Führer des Trosses gesagt haben. Weit gefehlt: „Im gleichen Augenblicke fiel er tödlich getroffen von seinem Pferd.“ Nachdem alle weiteren männlichen Reisenden entwaffnet und gefesselt wurden, geschah jedoch etwas Unvorhergesehenes: Ritter Heribert, der sich beim Anblick der ohnmächtig gewordenen Ida sofort in sie verliebt hatte, protestierte gegen ihre Verhaftung und geriet darüber mit Hermann von Grünscheid in eine heftige Auseinandersetzung:

„Ich will, dass sie frei ist und ich selbst werde ihr und ihrem Vater freies Geleite geben - oder ich will hier zu ihren Füßen sterben“, zitiert Mettlach Ritter Heribert. Der Ausgang des „harten Kampfes“ zeigt, wieso „Herm mit dem Stummel“ allseits gefürchtet war: „Wutentbrannt“ habe er Heribert entgegen geschrien: „Wir haben von allem die Hälfte vereinbart, die sollst du haben!“ Mit diesen Worten soll er die Körper von Ida und ihrem Vater in der Mitte durchgehackt haben.

Burscheider Ritter Heribert nimmt Rache

Dieser Mord sollte jedoch nicht ungesühnt bleiben: Der schwer an der rechten Hand verwundete Ritter Heribert sei zunächst aus der Gegend verschwunden, aber einige Wochen später „an der Spitze einer Gruppe schwarz vermummter Gestalten“ nach Grünscheid zurück gekehrt, um „Herm“ an der früheren Gerichtseiche aufzuhängen, schreibt Mettlach. Von diesem Tag an soll die Stelle im Volksmund nur noch „Nagelsbaum“ genannt worden sein. Viele Jahre später bezog ein alter Eremit mit verstümmelter rechter Hand bei Leichlingen eine Hütte im benachbarten Wald „Großer Grünscheid“.

Der Mann, der sogar das Heilige Land besucht haben soll, berichtete niemandem von seiner Herkunft, habe aber weise Ratschläge gegeben und Streitfälle geschlichtet, weshalb er der „gute Vater Heribert“ genannt wurde. Das alles sei natürlich „sagenhaft“, sie stelle sich aber vor, dass er so eine Art „Heiliger fürs Volk“ gewesen sei, resümiert Mettlach mit dem Verweis auf den heutigen Leichlinger Ortsnamen „Sankt Heribert“. „Die Sagen sind ja nicht ohne“, räumt sie lachend ein. Trotzdem: Die teils sehr blutrünstigen Geschichten kämen ihrer Erfahrung nach gerade bei Kindern „sehr gut an“.


Burscheider Sagen

In der Kurz-Serie „Burscheider Sagen“ stellt unser Autor drei abenteuerliche, skurrile und auch blutrünstige Geschichten vor, deren Überlieferungen die Mitgründerin des Kulturverein Burscheid, Marie-Luise Mettlach, zusammengetragen sowie in ihrem Buch „Herm mit dem Stummel“ nacherzählt hat.