Ein Jahr nach dem Starkregen in LeichlingenDie Flut ist noch in allen Köpfen
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Leichlingen – Die Nacht zum 10. Juni 2018 werden alle Leichlinger, die fassungslos in Sturzfluten und Schlamm wateten und mit ansehen mussten, wie ihre Häuser überflutet wurden, wohl nie vergessen. Der Schock sitzt immer noch tief. Bei jedem aufziehenden Unwetter und bei jeder Starkregen-Warnung kehrt die Angst vor Überschwemmungen zurück. Drei Wochen vor dem Jahrestag der Katastrophe zog Bürgermeister Frank Steffes gestern eine Bilanz, was seitdem geschehen ist.
Hoher Millionenschaden
Damals ist im Rathaus die „Arbeitsgruppe Starkregen“ gebildet worden. Deren Leiter Lars Helmerichs (städtischer Abwasserbetrieb), Lutz Lattau (Wupperverband), Elke Reichert (Untere Wasserbehörde des Kreises) und Landwirt Bernd Sesterhenn (Bauernschaft Leichlingen) berichteten bei einer Pressekonferenz, was zur Schadensbeseitigung erfolgt und an Schutzmaßnahmen zur Vorsorge eingeleitet worden ist.
Das finanzielle Ausmaß aller am 10. Juni (und bei vorhergehenden Unwettern ab 1. Juni) angerichteten Schäden ist noch nie summiert worden. Aber es ist inklusive der vielen zerstörten Privat-Häuser, die zum Teil immer noch saniert werden, ein deutlich zweistelliger Millionenbetrag.
Allein die komplett überschwemmte Paul-Klee-Schule musste für etwa zwölf Millionen Euro saniert werden. Auf zwei Millionen wird der Schaden im Pilgerheim Weltersbach geschätzt. Eine Million hat die Stadt bislang in ihrem Bereich bereitgestellt. Und der Wupperverband nannte gestern den Betrag von 200 000 Euro Personalkosten und Maschineneinsatz, der bereits für die Reparatur unzähliger Bachläufe aufgewendet worden ist.
Alpineisen und Bergeinläufe
Noch sind nicht alle Verwüstungen beseitigt. An vielen Schauplätzen stehen Sanierungen und Umbauten bevor. Und dabei greifen die Ingenieure unter dem Eindruck der vor dem Jahrhundert-Regen hier nicht für möglich gehaltenen Ereignisse auch zu Mitteln, die man eher aus anderen Regionen kennt: In Wanderwege werden „Alpineisen“ eingelassen (schräge Metallleisten wie in den Alpen, die das Wasser ableiten); übliche Gullys werden durch „Bergeinläufe“ ersetzt, die doppelt so große Sinkkästen haben.
■ Die Brücke zwischen Haswinkel und Neuwinkel ist von dem zum Strom angeschwollenen Weltersbach damals komplett zerstört worden. Sie ist immer noch gesperrt und gibt einen Eindruck von der Gewalt der Wassermassen, die gewirkt haben. Die Stadt ist für den Schaden zuständig. Ein Zeitpunkt für den Neubau wurde noch nicht genannt. Aber die Ingenieurplanung läuft und das Genehmigungsverfahren für die Baustelle im Naturschutzgebiet liegt beim Kreis. Geplant ist, vor dem Durchlass Eichenpfähle ins Bachbett zu rammen, die im Ernstfall Treibgut abfangen. Zudem soll eine Furt angelegt werden, die Hochwasser im Ernstfall an der Verrohrung vorbei leitet.
■ Die Kreisstraße 6 wird in wenigen Wochen erneuert: Den Baubeginn für die unterspülte Strecke zwischen Metzholz und Oberbüscherhof kündigte Reichert für Anfang Juni an. Der Kreis rechnet mit drei bis vier Monaten Bauzeit.
■ In Unterberg sollen oberhalb der Ortschaft durch Wälle Rückhaltebecken angelegt werden, die Sturzbäche aus „schlafenden Gewässern“ bremsen können. Auch oberhalb von Leysiefen, Weltersbach und Schüddig sowie am Ackerrand neben den Kindertagesstätten Am Hammer sind Aufschüttungen und erhöhte Wegedämme geplant.
■ Die Kreisstraße 10 zwischen Unterberg und Hülstrung, die ohnehin erneuert werden sollte, wird unwetterfester aufgerüstet: Mit befestigten Banketten, höheren Bordsteinen, größerem Kanal und XL-Gullys. Als Baubeginn kündigte Reichert das Frühjahr 2020 an. Die Arbeiten könnten ein Jahr dauern. Anschließend soll auch die K 1 größere Wasserdurchlässe bekommen.
■ Büscherhöfen und die Paul-Klee-Schule zu schützen ist schwierig. Vor dem Hasensprungweiher hat der Wupperverband schon einen Damm gebaut, der den Weltersbach bei Hochwasser staut. Es wird überlegt, den Lauf des Weltersbachs vor der damals schwer überschwemmten Ortschaft durch Wiesen umzuleiten.
Helfer-Fest im Pilgerheim Weltersbach
Im Pilgerheim Weltersbach, das bei den Regenfluten vor einem Jahr einen Millionenschaden erlitten hat, sind die Verwüstungen weitgehend beseitigt. Doch „bleibt dieses Ereignis bei den Verantwortlichen des Diakoniewerkes noch lange in Erinnerung“, so Geschäftsführer Joachim Noß gestern: „Zum einen die immensen Schäden, die Wasser und Schlamm verursacht haben, zum anderen die Hilfsbereitschaft und Solidarität, die erlebt wurde.“
Als Dank an alle Helfer organisiert das Pilgerheim ein Fest. Es wird am Samstag, 25. Mai, von 11 bis 16 Uhr im Seniorendorf gefeiert. Mit Livemusik, Essen und Trinken. Dazu sind Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und DRK eingeladen, die damals Menschen evakuiert, Wasser gepumpt und Sandsäcke gestapelt haben, aber auch die vielen Bürger und Handwerker, die spontan und unbürokratisch geholfen haben. (hgb)