Leichlingen – Die Tränen aus dem ersten Lockdown fließen nicht mehr. Die Verzweiflung ist verdrängt worden. Von der Hilflosigkeit und vor allem der Wut. Am meisten ärgert Petra Vicari wenn Leute zu ihr sagen: „Was willst du denn, du bekommst doch 75 Prozent deines Vorjahresumsatzes.“ „Nichts bekomme ich, überhaupt gar nichts“, sagt die Inhaberin des Friseursalons Triangolo an der Leichlinger Moltkestraße. Die Soforthilfe aus dem ersten Lockdown musste sie zurückzahlen, jetzt hat sie seit 16. Dezember geschlossen, und keinen Cent vom Staat gesehen.
„Wenn überhaupt, steht mir Überbrückungshilfe 3 zu, und da habe ich den Antrag nach der Hälfte auch wieder zugeklappt, wenn ich etwas bekomme, muss ich alles zurückzahlen.“ Statt der so oft angepriesenen Hilfen flattern Rechnungen ins Haus. Pacht für den Laden, Gewerbesteuer, sogar de Handwerkskammer wollte zu Jahresbeginn ihren Beitrag sehen – hat sich auf einen wütenden Brief hin aber bei Vicari für die Forderung in dieser Situation entschuldigt. Seit 30 Jahren ist sie selbstständige Friseurin. „Ich hatte noch nie ein leeres Konto. Jetzt könnte ich ohne meinen Mann nicht überleben.“
Aldi darf Klamotten verkaufen
Die Geschäftsleute in Leichlingen sind sauer. Dass die Politik ihnen nicht hilft. Dass aber überall kommuniziert wird, dass alle Hilfen bekommen. Und dass ihnen ihre Arbeit verboten wird, auch wenn es Alternativen gäbe. Wie etwa bei Alexandra Schumacher, die die Modeboutique „Herzdame“ in der Brückenstraße betreibt. Zwar kann sie auf Bestellung Ware rausgeben. Aber natürlich wollen ihre Kunden lieber im Laden sehen und fühlen, was es gibt. „Warum kann ich nicht mit Terminen arbeiten?“, fragt Schumacher.
Sie hätte auch in normalen Zeiten selten mehr als ein oder zwei Kunden gleichzeitig im Laden. Sie könnte nach Termin nur einzelne Kunden einlassen: Mit Maske, Desinfektionsmittel und Abstand. Und warum dürfen Aldi, Lidl und Co. jede Woche Modeprospekte verteilen? „Natürlich vergleiche ich meine Mode nicht damit, aber warum dürfen die verkaufen, die unter der Krise nun überhaupt nicht leiden?“
60 Geschäftsleute sind schon dabei
Bürgermeister Frank Steffes kann diese Fragen nicht beantworten. Für ihn wäre Modeverkauf nach Termin ebenso denkbar, wie die Öffnung der Frisörläden nach Hygienestandards. „Ich kann die Schließung nicht nachvollziehen, aber ich kann sie auch nicht ändern“, sagt Steffes entschuldigend. Er sagt den beiden Frauen aber jede Unterstützung bei ihrem aktuellen Projekt zu: Mit einem Zusammenschluss von bereits etwa 60 Leichlinger Geschäftsleuten wollen sie ihre Notlage einer breiten Öffentlichkeit klar machen. Auf gelbe Flyer und Plakate haben sie den Slogan gedruckt: „Wir machen auf ... merksam“.
Kleine Läden sollen bleiben
Auf die Situation im Einzelhandel, Handwerk und Dienstleistungsbereich. Darauf, dass alle teilnehmenden Betriebe erreichbar sind und mit Rat, Tat und Waren zur Verfügung stehen. Und darauf, dass jeder Leichlinger dieses Angebot wahrnehmen muss, der will, dass es nach der Krise in der Blütenstadt noch kleine, feine Läden gibt.