Leichlingen/Köln – Er war in einem „nicht mehr kontrollierbaren Zustand der Wut“ an Abend des 13. März. Der 46 Jahre alte Klaus F. (Name geändert) ist am Freitag vom Kölner Landgericht bis auf Weiteres in eine geschlossene psychiatrische Klinik geschickt worden. Die Kammer unter Vorsitz von Sabine Kretzschmar sah es als erwiesen an, dass der Leichlinger seine Mutter getötet hat.
Zuerst hat er ihr – so die Rekonstruktion der Ereignisse in der Wohnung der 73-Jährigen – mit dem Ellenbogen die Luft abgedrückt, und als sie auf dem Boden lag, 14 Mal mit dem Messer auf sie eingestochen. Alle Stiche gingen in den Kopf- und Halsbereich. Gestorben ist die frühere Angestellte im Leichlinger Rathaus an Luftmangel und dem enormen Blutverlust. Als Mord wurde die Tat entgegen der Anklageschrift allerdings nicht gewertet, sondern nur als Totschlag. Die besondere Heimtücke konnte dem Sohn nicht nachgewiesen werden.
Er will sich nicht erinnern
Erinnern konnte oder wollte – das ist angesichts der schweren Psychose des Mannes kaum auszumachen – sich Klaus F. an die Bluttat nicht. Richterin Kretzschmar sprach aber nach tagelanger, sorgfältiger Beweisaufnahme und dem detaillierten Gutachten von Psychiaterin Konstanze Jankowski von einer „angeblichen Erinnerungslosigkeit“, die der Beschuldigte bis zu seinem letzten Wort nach den Plädoyers am Montagnachmittag geltend gemacht hatte. „Sie müssen sich der Faktenlage stellen“, lautete am Freitag der Appell von Sabine Kretzschmar.
Bisher, so hat sich gezeigt, macht Klaus F. nicht nur das nicht. Er lässt sich auch nicht adäquat behandeln. Das Medikament, das er derzeit akzeptiert, hilft ihm nach Ansicht der Ärzte nicht wirklich. Was typisch zu sein scheint für den eigentlich überdurchschnittlich intelligenten Mann: Seit zwei Jahrzehnten mindestens ist er psychisch krank. Aber seine wiederkehrenden Aufenthalte in Kliniken waren nicht mehr als „Drehtür-Psychiatrie“, wie Fachfrau Jankowski das klassifiziert hatte.
Nachrichten an eine Tote
Nach der Tat, die er nach Überzeugung des Gerichts am 13. März gegen 21 Uhr verübte, hatte Klaus F. seiner Mutter immer wieder Whatsapp-Nachrichten geschickt. So, als sei sie noch am Leben. Die Datenauswertung ihres Internet-Routers und ihres Mobiltelefons sowie die Aussage einer Freundin, mit der sie telefoniert hatte, ergaben aber, dass sie ihren Sohn um 20.45 Uhr in die Wohnung gelassen hatte. Kurz drauf hörte der Vermieter, der in der ersten Etage des Fachwerkhauses wohnt, unten Lärm. Das muss die Bluttat gewesen sein. Anlass war wohl, dass Klaus F. 10.000 Euro von seiner Mutter haben wollte, um in Südamerika ein neues Leben anfangen zu können.
Die Mutter aber hatte längst – auch aus Selbstschutz – Grenzen gesetzt. Denn das, was Psychiaterin Jankowski als „Wetterleuchten“ bezeichnet hatte, war auch ihr klar. Als sie bemerkte, dass ihr Sohn immer mehr abrutschte und auch in der nahe gelegenen Wohngruppe nicht mehr klar kam, steckte sie einem weitläufigen Nachbarn einen anonymen Brief in den Kasten - einschließlich einer Dosis Amphetamin, die sie ihrem Sohn stibitzt hatte: Landesinnenminister Herbert Reul sollte wissen, wie es in dem Haus zugeht, in dem ihr Sohn sich verfolgt fühlte. Reul reagierte: Es gab zwei Verfahren wegen Amphetaminbesitzes. Eines freilich gegen die Mutter, eins gegen den Sohn. Beide wurden eingestellt.
Ein nerviger Nachbar
Immer wieder hatte der Leichlinger Probleme mit Nachbarn gehabt, hatte Gutachterin Jankowski referiert: unangepasstes Verhalten. Mal habe er gelärmt oder Dreck hinterlassen, mal Wäsche von der Leine gerissen. Sein Zimmer in der Leichlinger WG allerdings sah ziemlich sauber aus, und in den Wochen des Gerichtsprozesses machte der Beschuldigte keineswegs einen irgendwie verwahrlosten Eindruck. Was man sah, war eine Schwäche für eine dezent skurrile Aufmachung: Nagellack, eine Strähne auf dem Kopf.
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