Rhein-Berg – Nach der Feier kommt die Arbeit. Und zwar umgehend. Vier neue Landtagsabgeordnete aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis bereiten sich auf ihr Leben im NRW-Parlament vor: Die beiden gewählten CDU-Direktkandidaten Herbert Reul und Martin Lucke sowie Tülay Durdu (SPD) und Carlo Clemens (AfD), die über die Landeslisten ihrer Partei in den Landtag eingezogen sind. Sie haben sich jetzt um den Aufbau eines Abgeordnetenbüros, die Wahlkreisarbeit und erste Termine in Düsseldorf zu kümmern.
Der 69-jährige Reul ist Alterspräsident des Landtags. In dieser Funktion wird der Leichlinger am 1. Juni die konstituierende Sitzung des NRW-Parlaments leiten. Viel Zeit, sich Gedanken über sein Abgeordnetendasein zu machen, hatte er seit der Wahlnacht nicht. Der Leichlinger ist nach wie vor NRW-Innenminister – ein Amt, das er auch nach der Bildung einer neuen Regierung gerne behalten will. Kommt es zu einer schwarz-grünen Koalition, die sich rechnerisch aufdrängt, aber politisch noch ausgehandelt werden muss, hätte er gute Chancen, das Innenressort mit der Polizeiarbeit weiter zu leiten.
Reul punktete mit Sicherheitspolitik
Sein stolzes Wahlergebnis von 51,1 Prozent der Erststimmen hat gewiss damit zu tun, dass die Bevölkerung mit seiner Sicherheitspolitik und dem energischen Durchgreifen gegen kriminelle Clans und Banden zufrieden ist. Getoppt wurde sein Wahlerfolg in seiner Heimatstadt Leichlingen, wo er 57,4 Prozent einfuhr und seinen Mitbewerber von der SPD, Sebastian Lemmer (20,1 Prozent) distanzierte. In vier Stimmbezirken holte er mehr als 60 Prozent.
Schlechte Quote: In Burscheid nahmen nur 52,9 Prozent an der Wahl teil
Nur 61,8 Prozent Wahlbeteiligung im Wahlkreis 22 – damit lag die Quote bei dieser Landtagswahl rund zehn Prozentpunkte unter der bei der Wahl 2017.
In Leichlingen nahmen 65,4 Prozent teil, das ist im Wahlkreis der zweite Platz hinter Odenthal, das 69,4 Prozent mobilisierte.
Burscheid war am Sonntag mit nur 52,9 Prozent mit Abstand die Stadt mit der geringsten Wahlbeteiligung im gesamten Rheinisch-Bergischen Kreis. Im zweiten bergischen Wahlkreis 21 (Bergisch Gladbach und Rösrath) lag der Wert bei 61 Prozent. Im NRW-Vergleich schnitten die Bergischen noch ganz gut ab, denn landesweit lag die Wahlbeteiligung bei nur 55,7 Prozent.
Politiker, die im Kreishaus die Wahlergebnisse verfolgten, überlegten, worauf die geringere Wahlbeteiligung zurückzuführen sei. „Es gab ja auch nur ganz wenige öffentliche Veranstaltungen“, wies Grünen-Kandidat Jürgen Langenbucher aus Leichlingen auf fehlende Präsentationsmöglichkeiten hin. „Wahrscheinlich haben aber auch viele andere Themen, nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine, das Thema Landtagswahl überlagert“, vermutete SPD-Kreisparteivorsitzender Marcel Kreutz. Der SPD schadet eine geringe Wahlbeteiligung in der Regel am meisten. (hgb/wg)
Am Morgen nach dem Wahlabend saß der 69-Jährige bereits wieder im Innenministerium. Als Mitglied des CDU-Landesvorstands sind seine Gedanken bei den nun anstehenden Sondierungsgesprächen. Am Montagabend tagt der Vorstand der NRW-CDU. „Vielleicht werden wir da schon eine Reihenfolge für die Gespräche festlegen“, sagt er. „Ich bin gespannt, ob die neue Regierung bis zu den Sommerferien schon steht, obwohl ich’s gut fände, wenn man Handlungsfähigkeit zeigt.“ Ziel sei in jedem Fall eine „arbeitsfähige, verlässliche Regierung“, so Reul. „Und mit den Grünen werden die Gespräche nicht einfach werden.“
Dass Reul, der 2017 ohne Landtagsmandat aus dem Europaparlament von Ministerpräsident Armin Laschet an die Spitze des NRW-Innenministeriums berufen wurde, künftig auch ein Abgeordnetenbüro braucht – daran denkt er noch nicht. Die Abgeordnetentätigkeit kennt der Minister aus dem Effeff. Vor seiner Zeit im Europarlament war Reul bis 2004 schon einmal fast zwei Jahrzehnte lang Landtagsabgeordneter. Deshalb ist ihm auch klar: „Künftig werde ich natürlich auch im Wahlkreis ansprechbar sein. Das ist alles eine Frage der Organisation und eines guten Teams vor Ort, ich werde sehen, ob ich da nicht auch auf Rainer Deppes Leute zurückgreifen kann.“
Wie Sebastian Lemmer von der SPD hat auch der dritte Leichlinger Kandidat den Sprung in den Landtag nicht geschafft: Jürgen Langenbucher von den Grünen. Er hat im Wahlkreis 15,7 Prozent der Erststimmen bekommen. Auf der Landesliste seiner Partei war das Kreistagsmitglied auf Platz 56 nicht gut genug abgesichert (die neue Fraktion wird 39 Mandate haben). In beiden bergischen Wahlkreisen haben die Grünen mehr Zweitstimmen bekommen (18,5 und 23,4 Prozent) als im Landesdurchschnitt (18,2).
Der Witzheldener Langenbucher aber erzielte ausgerechnet in seiner Heimatstadt erstaunlicherweise sein schlechtestes persönliches Ergebnis (13,5 Prozent der Erststimmen). Im Leichlinger Stadtrat regieren die Grünen in einer Jamaika-Koalition mit CDU und FDP. Im Kreistag stellen sie mit der CDU die Mehrheit. Ein Omen für die Regierungsbildung in Düsseldorf?