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A1-BrückeEx-Projektleiter warnt vor Giftmüll – „Sie sollen die Finger davon lassen“

Lesezeit 4 Minuten

So sah die Dhünnaue während der Jahre dauernden Abdeckarbeiten aus. Penibel achtete man darauf, dass die Abdeckung wirklich dicht war.

Leverkusen – „Wenn Sie mich fragen: Sie sollen die Finger davon lassen“. Wer das über die nun wohl unausweichlich bevorstehende Deponieöffnung in der Dhünnaue sagt, ist niemand, der das Stück verseuchten Leverkusener Bodens bloß aus Akten oder Erzählungen kennt.

Der unmissverständliche Satz stammt vom ehemaligen Projektleiter, der sich jahrelang mit dem Versiegeln der alten Giftmüllkippe in der Dhünnaue beschäftigt hat. Wer immer in der Dhünnaue professionell mit der Altlast zu tun hatte, kennt ihn, dennoch möchte unser Gesprächspartner bei dieser Geschichte lieber anonym bleiben.

Abdeckung wird verletzt

Als Projektleiter koordinierte er alle ausführenden Firmen und war der verantwortliche Ingenieur. Wohl deshalb macht er sich Sorgen um die Arbeiter, die die Altlast demnächst immer wieder öffnen müssen.

Unser Gesprächspartner leitete die Arbeiten zum Verschluss des Giftmülls. Er möchte anonym bleiben. Der Ingenieur warnt vor einer erneuten Öffnung der Altlast, wie sie jetzt bevorsteht.

Diese Arbeiten werden sich über ein Jahrzehnt hinziehen. Die umfangreichsten Grabungen im alten Giftmüll werden wohl frühestens in zehn Jahren akut. Für den großen Ausbau der Autobahn 1 werden die Straßenbauer eine größere Menge des vor 50 bis 60 Jahren dort entsorgten Kippguts wieder ausheben.

Aber die neue, nach Norden versetzt zu bauende Brücke kommt schon bald: Für den Brückenkopf und den Autobahnanschluss auf der Leverkusener Seite des Rheins nimmt Straßen NRW schon erhebliche Verletzungen der Altlast-Deckschichten und der Grundwasserbarriere in Kauf.

Der hermetisch dichte Deckel und die Grundwasserbarriere, die man rund um die Altlast in den Boden getrieben hat, schützen die Umwelt und vor allem das Grundwasser seit Herbst 2000 vor den Giftmengen in der Dhünnaue, die Bayer etwa ab 1920 dort abgekippt hat.

Wie eine umgestülpte Glocke schirmt heute der Deckel das Gift nach oben und zur Seite hin ab. Nach unten, zum gewachsenen Erdreich hin, ist die alte Kippe offen, weshalb auf keinen Fall Wasser durch sie hindurchsickern darf.

Unser Ingenieur arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1994 an der Altlast-Abdeckung. Anschließend holte man den erfahrenen Projektleiter noch einmal zurück: Für ein knappes weiteres Jahrzehnt arbeitete er als Freiberufler, denn das überaus heikle Gelände musste fristgerecht für die Landesgartenschau 2005 abgedichtet und modelliert werden.

Dick eingepackt

Als unser Gesprächspartner seine Arbeit an der Altlast aufnahm, sei das eine sehr giftige Baustelle gewesen, erinnert er sich: „Wir haben die Altlast nicht berührt und nur Material aufgebracht.“ Seine Leute hätte er dort niemals hineingeschickt, ist sich der Ingenieur sicher.

Eine Million Kubikmeter Erde sei per Schiff über den Bayer-Kai angeliefert worden. Die habe man eingebaut, Gift zugedeckt und das Gelände damit modelliert. Darüber kamen Trennschichten, eine Lage Folie, darüber weitere Lagen Material, eine Drainageschicht und schließlich Erde: die Wachstumsschicht für den Neulandpark. Alles in Allem soviel wie der Aushub von 6000 Einfamilienhäusern.

Unser Gesprächspartner macht sich Sorgen um seine Arbeit, weil doch alles penibel aufeinander abgestimmt worden sei und genau geplant war. So dürften die mit Kies verfüllten Wassergräben (Rigolen) nicht einfach unterbrochen werden, sonst entstünden Sümpfe. Etwas anderes noch treibt ihn um: „Was ist mit den vielen Bohrlöchern?“, fragt er. „Haben sie den Bohrer etwa einfach mit Gewalt durch die Folie hindurchgestoßen?“ Möglicherweise, so der Experte, habe die nachweislich luftdicht verschweißte Folie jetzt lange Risse, die man vermutlich nie wieder richtig verschließen könne.

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Die Löcher auf den Flächen, auf denen in vielleicht zehn Jahren die Autobahn liegt, sollen laut Bohrplan der Straßenbau-Verwaltung zunächst provisorisch mit aufquellendem Tongranulat verschlossen werden. Der Ingenieur: „Aber einfach nur Ton genügte uns damals nicht als Dichtmaterial.“ Seine Befürchtung: Möglicherweise sei jetzt schon die ehemals saubere Arbeit für die Katz’ und Millionen Baukosten in den Sand gesetzt.

Tunnel als Stand der Technik

Der Ingenieur hätte die lange Tunnellösung befürwortet. Nicht nur, weil man dann seinen Altlastdeckel in Ruhe gelassen hätte: „Ein langer Tunnel unter dem Rhein her wäre ein schönes Leuchtturmprojekt für die Baubranche geworden. Sicher, Tunnel sind teuer, aber wir machen doch zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für die Rüstung locker. Tunnel sind Stand der Technik. Wenn man nichts davon versteht, kann man doch eine Firma aus Österreich bestellen, aber ich bin sicher, die Deutschen können das auch.“