Wenn die Stadt still wirdGespenstische Leere in der Wiesdorfer City
Lesezeit 4 Minuten
Trotz Frühlingswetters leert sich das Stadtzentrum allmählich.
Leverkusen wird im Krisenmodus auf unheimliche Art ruhig.
Nicht jeder bemüht sich, Abstand zu halten wegen Ansteckungsgefahr.
Leverkusen – Die Deutschen erwachen endlich aus ihrem Winterschlaf, werden dank des lang ersehnten Sonnenscheins aus ihrem Winterblues gerissen und würden gerne den Aktivitäten nachgehen, denen man normalerweise nachginge, wenn das Ende des deutschen Winters naht. In Leverkusen profitieren bei Sonnenschein erfahrungsgemäß vor allem die Eisdielen. Wenn die Winterjacke nicht mehr getragen werden muss, ist es Zeit Eis zu essen.
Leere Cafés
Das Corona-Virus macht allen Winterschlaf-Erwachenden einen Strich durch die Rechnung. In Wiesdorf bleiben die Schlangen vor den Eisdielen und Cafés voller Sonnenbrillenragenden aus. Der Großteil des Einzelhandels ist geschlossen, in den Fenstern hängen Ausdrucke mit Hinweisen zu Hygienemaßnahmen und dem Grund der Schließung. Es herrscht eine merkwürdige Kombination aus Sonntags- und Weltuntergangsstimmung.
Von einer ausgestorbenen Fußgängerzone kann man trotz geschlossener Geschäfte in Wiesdorf allerdings nicht sprechen. Ein Blumenhandel am Marktplatz verschenkt wegen der Geschäftsschließung Schnittblumen. Die verzweifelten Ermahnungen der Mitarbeitenden, doch bitte voneinander Abstand zu halten, dringt nicht zu den Menschen durch. Hier zeigt sich wieder, wenn es etwas umsonst gibt, sind alle Regeln vergessen – auch die des neu geschriebenen Corona-Knigges.
Auffällig zeigt sich im Stadtbild, dass viele ältere Menschen – die Gruppe mit einem höheren Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs – unterwegs sind, in den Cafés sitzen oder sich an einem der vereinzelten Marktstände eine Portion Reibekuchen gönnen. Gespenstisch leer wirkt hingegen die Rathaus-Galerie.
Vor dem Haupteingang gibt es vereinzelte Schlangen von Menschen, die den Supermarkt oder Apotheken aufsuchen möchten, sich zuvor aber in Namenslisten eintragen müssen, die bei Eingangskontrollen geführt werden, doch der Rest des Leverkusener Konsumtempels liegt völlig unnatürlich für einen Mittwochmittag ausgestorben dar.
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Auch die Luminaden sind wenig bevölkert. Die Musik läuft trotzdem und kreiert eine Atmosphäre, die ein wenig an futuristische Science-Fiction-Filme erinnert, wenn die Welt bereits im Chaos versunken ist und die Überlebenden durch die weltlichen Überreste schreiten. Wehen Gesprächsfetzen durch die Luft, dreht es sich in der Regel um Corona. Das Virus scheint die Kontrolle über alle Lebensbereiche übernommen zu haben.
Beschränkter Handel
Gestattet ist der Einzelhandel in Leverkusen jetzt nur noch in diesen Bereichen:
Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken, Sparkassen, Poststellen, Friseure, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungsverkauf, Bau- und Gartenbaumärkte, Tierbedarfsmärkte und Großhandel.
Wer durch die Fußgängerzone geht, dem mag vielleicht die Erkenntnis kommen, dass es vor allem die Verkaufskräfte in den Supermärkten und den Apotheken sind, auf die wir als Gesellschaft in dieser Situation besonders angewiesen sind. Die Schließung der meisten anderen Geschäfte lässt die Menschen realisieren, was wirklich notwendig ist. Daneben sind es auch die Menschen in den Krankenhäusern und in der Pflege, auf die sich stets verlassen wird – Berufsstände, die häufig schlecht bezahlt werden.
Was Corona letztendlich neben den vielen negativen Folgen mit sich bringt, ist vor allem Ruhe. Ruhe, die auch in Wiesdorf nicht unbemerkt bleibt. Am Ende des Tages noch viel mehr als zur Mittagszeit. Das Virus gönnt uns eine Verschnaufpause. Wir werden gezwungen unser Lebenstempo zu verlangsamen und uns mal wieder mehr Zeit für Kinder und Familie zu nehmen. Lässt das Virus uns wieder mehr zusammenrücken und das, obwohl neuerdings kontaktlos Kontakte gepflegt werden? Vielleicht. Nachbarschaftshilfen sprechen die deutliche Sprache der Hilfsbereitschaft. Maßlose Hamsterkäufe jedoch die des Egoismus.
Corona hält uns die Chance vor Augen, sich wieder mehr mit sich selbst zu beschäftigen. Unser konsumgesteuerter Alltag hat den Pausenknopf gedrückt, doch darf man sich sicherlich nicht der Illusion hingeben, dass damit der allgemeine übermäßige Konsum langfristig zurückgeht. Sollte sich die Situation verschlimmern, wird wahrscheinlich auch in Leverkusen der Einzelhandel vermehrt leiden und Online-Shops werden profitieren.