Mit dem Wechsel in die Bundeshauptstadt machte die Kölnerin die Verteidigungspolitik zu ihrem neuen Fachgebiet.
Ein Jahr für Leverkusen im ParlamentDas hat Serap Güler im Bundestag bewegt
Sie hat sich schnell eingearbeitet und ist auch schon ein wenig eingelebt in Berlin. Dennoch freut sie sich jedes Mal, wenn es mit dem Zug abends wieder heim nach Köln geht. Seit gut einem Jahr ist Serap Güler jetzt CDU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Leverkusen/Köln-Mülheim, ist von der nordrhein-westfälischen Landes- in die Bundespolitik gewechselt und hat bemerkt: „Berlin ist schon anders als Düsseldorf.“
Was weniger am Wechsel von Regierungsarbeit in die Opposition liegt. „Opposition kenn’ ich schon aus NRW.“ Sie habe das weite Pendeln unterschätzt, wobei sie die Reise nach Berlin hin morgens meist mit dem Flugzeug, die Rückfahrt dann mit der Bahn erledigt. Auch drei Wochen Haushaltsberatungen, wie gerade bewältigt, gingen ganz schön an die Substanz. Zwar hat sie sich eine Wohnung ganz zentral in Berlin-Mitte zugelegt, der Weg zu ihrem Abgeordnetenbüro und dem Reichstagsgebäude ist da zu Fuß machbar, aber abends wieder bei ihrem Ehemann in Köln zu sein – darauf freut sie sich schon Tage vorher. „Zu Hause ist immer am besten.“
Ein Team Berlin, ein Team Köln/Leverkusen
In Berlin unterstützen sie fünf Mitarbeitende bei ihrer Arbeit, im Wahlkreis drei weitere. Mit dem Wechsel in die Bundespolitik hat sie auch ihren Arbeitsschwerpunkt verlagert, nach vielen Jahren Integrationspolitik sind es nun Verteidigung, Sicherheit, Außen- und Entwicklungspolitik, Letzteres mit dem Schwerpunkt Afghanistan, wozu sie dem Gremium angehört, das den Bundeswehreinsatz in dem Land aufarbeitet. Der Themenwechsel sei ihr Wunsch gewesen, unterstreicht sie. Da waren nicht so viele Frauen aus ihrer Fraktion interessiert. Inzwischen kennt sie sich mit Haubitzen, Schützen- und Kampfpanzern aus, kennt die Stärken und vor allem Schwächen der Bundeswehr.
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Was sie nicht absehen konnte bei ihrem neuen Schwerpunkt Verteidigungspolitik: Dass diese mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dermaßen ins Zentrum des Interesses rücken würde. Und dort nun jahrzehntelange Defizite aufzuarbeiten sind. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr habe ihre Fraktion mitgetragen. Doch würde das angestrebte Ziel für Verteidigungsausgaben auch in diesem und im nächsten Jahr verfehlt. Die Rüstungsindustrie könne liefern, doch wurde bisher nicht bestellt.
Von den Auswirkungen des Krieges machte Güler sich selbst ein Bild, reiste im Juni in die Ukraine und engagiert sich für die Lieferung schwerer Waffen. „Deutschland engagiert sich in der Ukraine, aber wir könnten mehr tun.“ Außenministerin Annalena Baerbock schätze die Lage schon richtig ein. Güler befürchtet, dass die gezielten russischen Angriffe auf die Infrastruktur in der Ukraine in diesem Winter eine Massenmigration auslösen könnten, auf die Europa nicht vorbereitet sei. „Darauf sind wir so gut wie gar nicht vorbereitet.“
Skeptisch blickt sie auch auf die explosive politische Lage im Iran und auf die desolate Wirtschaftslage in der Türkei, wo Präsident Erdogan außenpolitisch die Muskeln spielen lässt, um von immensen innenpolitischen Problemen wie einer Inflationsrate von offiziell über 80 Prozent abzulenken.
Kollegen sind am Zug
Unzufrieden gibt sich die CDU-Abgeordnete, die den Autobahn-Ausbau im Bereich Leverkusen nicht vollkommen ablehnt, in der Jahresbilanz zu diesem Thema. Das von der FDP geführte Verkehrsministerium habe auch nach den Vorgaben des Koalitionsvertrages eine Prüfung der Pläne bis zum Herbst zugesagt, das sei bisher nicht erfolgt.
Bei diesem Thema sehe sie aber auch die Kollegen Abgeordneten für Leverkusen in der Verantwortung, die an dem Thema noch näher dran seien: Nyke Slawik von den Grünen, die immerhin stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses sei, und Karl Lauterbach (SPD), der als Minister mit dem Kollegen Volker Wissing gemeinsam am Kabinettstisch sitze.
Serap Güler selbst positioniert sich innerhalb der Unionsfraktion nicht immer im Mainstream. So habe sie bei der Neuregelung in Sachen Zuwanderung eine deutlich andere Position bezogen als die Mehrheit hinter Fraktionschef Friedrich Merz. Bei den 20 Leuten in der Fraktion, die nicht gegen den Regierungsentwurf stimmten, habe sie sich aber mit Leuten wie Armin Laschet und Nobert Röttgen in ganz guter Gesellschaft befunden, sagt sie. Und sieht die Fraktion mit einem ausgeprägt pragmatischen Arbeitsansatz auf einem guten Weg.
Rückblickend auf ihr erstes Jahr im Bundestag zeigt sie sich einerseits erfreut über die Offenheit des Dialogs mit Politikern auch der anderen Parteien – mit ausdrücklicher Ausnahme der AfD. Andererseits ist sie ein wenig enttäuscht über die geringe Kompromissbereitschaft, wenn es denn zur Entscheidung kommen müsse. Auch sei die Individualität als Abgeordnete hier deutlich begrenzter als im Landesparlament, wo sie allein einen Antrag habe stellen können, nun aber per Kleine Anfrage und in der Anzahl begrenzt über die Fraktion agieren müsse. Die politischen Mühen der Ebene eben.
Porträts der weiteren Abgeordneten aus Leverkusen, Nyke Slawik und Karl Lauterbach, folgen.
Zur Person
Serap Güler, als Tochter türkischstämmiger Eltern 1980 in Marl geboren, der Vater arbeitete als Bergmann unter Tage, hat nach einer Ausbildung als Hotelfachfrau Kommunikationswissenschaft und Germanistik an der Universität Essen-Duisburg mit Magisterabschluss studiert. Die Muslimin ist seit 2009 Mitglied der CDU und seit 2014 stellvertretende Parteivorsitzende in Köln, seit 2012 ist sie Mitglied im CDU-Bundesvorstand. Ab 2012 war sie Landtagsabgeordnete für Köln-Mülheim, von 2017 bis 2021 Staatssekretärin für Integration im Kabinett von Armin Laschet.
Bei der Bundestagswahl 2021 unterlag sie in ihrem Wahlkreis Leverkusen/Köln IV mit 20,4 Prozent der Stimmen Karl Lauterbach (SPD, 45,6 Prozent), zog aber über die NRW-Landesliste in den Bundestag ein. Als Bundestagsabgeordnete ist ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat. (ger)