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Autobahn-Ausbau LeverkusenViel Zustimmung für Krischers Nein – nun ist Berlin gefragt

Lesezeit 5 Minuten
Eine Luftaufnahme zeigt Autobahn und Autobahnkreuz Leverkusen: viele graue Bänder durchziehen das Bild.

Der Ausbau des Kreuzes Leverkusen West ist in vollem Gange. Über die Frage, wie es danach weitergehen soll, hat Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) eine neue Debatte losgetreten.

NRW-Verkehrsminister Krischer sieht die Ausbaupläne für die A1 und A3 kritisch und stößt damit auf ein positives Echo. Leverkusens OB Richrath spricht von einer Botschaft an das Bundesverkehrsministerium.

Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) stützt die Position von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne), die kompletten Ausbaupläne der A1 und A3 auf dem Stadtgebiet zu den Akten zu legen.

Die Aussagen im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ seien eine klare Botschaft ans Bundesverkehrsministerium. Sanierung vor Neubau, das sei der richtige Weg, findet Richrath: „Wir in Leverkusen haben die Erfahrung machen müssen, was passiert, wenn man eine Brücke zu spät saniert.“ Das bade die Wirtschaft aus. Seit 2012 ist die Leverkusener Brücke für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt.

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer spricht in einer Interviewsituation zu einem nicht sichtbaren Gesprächspartner.

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) ist gegen den geplanten Ausbau der A1 und A3 in Leverkusen.

Das Abrücken von den Ausbauplänen, die auf alten Zahlen beruhten, sei realistischer, als stupide einem einmal gefassten Ausbauplan hinterherzulaufen, sagt Richrath. Oliver Krischer hatte sich Ende Oktober in Leverkusen ein Bild von der Stelzenautobahn gemacht, die mitten durch die Stadt verläuft und nach den Plänen der Autobahn GmbH von sechs auf zwölf Spuren erweitert werden könnte.

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Lange vor der Landesregierung hat sich der Leverkusener Stadtrat gegen die Ausbaupläne ausgesprochen. Ein Beschluss besagt sogar, dass die Ämter der Stadt Leverkusen der Planungsbehörde nicht zuarbeiten durften, etwa keine Daten liefern. Dieser Beschluss wurde inzwischen vom Verwaltungsgericht kassiert.

Karl Lauterbach hält Tunnellösung für Leverkusen weiter für sinnvoll

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßt, dass die Landesregierung die große Stelzenlösung infrage stellt. „Sie würde die Menschen in Leverkusen wegen der hohen Belastung durch Lärm, aber insbesondere durch Feinstaub in erheblichem Maße gefährden.“ Er bevorzuge weiterhin eine Tunnellösung. Zunächst einmal abzuwarten und zu hoffen, dass der Verkehr entgegen allen Prognosen in den nächsten Jahren abnehmen werde, halte er dagegen für unklug. „Ich kann nur hoffen, dass diese Auffassung des Verkehrsministers für das Land nicht gilt. Ich habe immer die Position vertreten, je mehr Tunnel die Menschen schützt, desto besser“, so Lauterbach.

Nyke Slawik (Grüne) ist eine der Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis, in dem Leverkusen liegt. Zudem ist sie die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverkehrsausschusses. Die Entscheidung über den Autobahnausbau liege beim Bund, sagt sie, aber: „Es ist gut, dass sich nach der Stadt Leverkusen auch die Landesregierung gegen die Ausbaupläne positioniert hat, das erhöht noch einmal den Druck aufs Bundesverkehrsministerium. Ich teile alle Einschätzungen Krischers.“ Es sei nur eine Frage der Zeit, wann sich jemand im Verkehrsministerium „ehrlich machen werde und die Fakten“ anerkenne.

„Bundesweit sind 4000 Brücken stark sanierungsbedürftig“, sagt sie, die Autobahn GmbH habe ausgerechnet, dass jährlich 400 Brücken saniert werden müssten, aber weniger als die Hälfte habe man 2022 geschafft.

Der Fall Leverkusen und die Ausbaupläne seien hier beispielhaft für die ganze Bundesrepublik: Neubau verbrauche Ressourcen, die für die Sanierung dringend nötig seien. Eine neue Verkehrsprognose sei in Arbeit, der auf alten Zahlen beruhende Bundesverkehrswegeplan in Überarbeitung. Das alles dauere. Slawik zweifelt, ob die Pläne alle so umgesetzt werden: Langsam beginne das Umdenken.

Rüdiger Scholz (CDU) erwartet klares Ja von Oliver Krischer zum Tunnel

Der Leverkusener Landtagsabgeordnete Rüdiger Scholz (CDU) zeigt sich enttäuscht, dass der NRW-Verkehrsminister eine Tunnellösung statt der Megastelze nicht in Erwägung zieht. „Oliver Krischer erklärt in dem Interview, dass er die Leverkusener Kritik an der geplanten Superstelze nachvollziehen könne und auch teile. Als Landesminister wäre er aber nicht zuständig“, sagt Scholz. „Ich hätte mir da eine stärkere Botschaft gewünscht.“

Die Position der Landesregierung zu Leverkusen seieindeutig. „Unter Verkehrsminister Hendrik Wüst wurde der Tunnel statt der Stelze nach Berlin gemeldet und damit die unselige Position des vormaligen SPD-Verkehrsministers Michael Groschek korrigiert. Die Position zugunsten des Tunnels muss in Berlin immer wieder deutlich gemacht werden, damit das Bundesverkehrsministerium endlich auf die Beschlüsse der Stadt Leverkusen und des Landes einschwenkt.“

Da Krischer ab 1. Januar für zwei Jahre den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz übernimmt, „steigen seine Einflussmöglichkeiten enorm“, sagt Scholz. „Die kommenden Jahre werden für Leverkusen die entscheidenden Jahre werden. Diese gilt es zu nutzen, damit der Tunnel statt der Stelze Wirklichkeit wird.“

Gisela Kronenberg mahnt zur Geschlossenheit

Für Gisela Kronenberg, die sich seit zehn Jahren gegen das Großprojekt wehrt und im Oktober 2017 als eine der Kläger mit der Bürgerinitiative NGL vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den Neubau der Rheinbrücke gescheitert war, hält den Vorstoß des NRW-Verkehrsministers für konsequent. Als parteilose Stadträtin in Leverkusen und Mitglied der Bürgerinitiative „Keinen Meter mehr“ hält sie die Tunnellösung ebenso für falsch wie die Verbreiterung der Stelze.

„Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Aufgaben der Autobahn GmbH zu übernehmen und Alternativen zur Stelze aufzeichnen.“ Man habe schon zu viel Zeit verloren. „Jetzt stehen wir endlich geschlossen zusammen und wissen den Verkehrsminister des Landes an unserer Seite.“ Der Ausbau, egal ob Stelze oder Tunnel, werde dazu führen, „dass eine ganze Generation mit dieser Großbaustelle leben muss.“

Niemand könnte heute seriös sagen, wie der Verkehr im Jahr 2050 aussieht. „Die Mobilität wird sich ändern und wir können diesen Ausbau so nicht mehr machen.“ Allenfalls eine Ertüchtigung des Leverkusener Kreuzes sei denkbar. „Die Stelze muss in ihrer jetzigen Form stehenbleiben. Irgendwann müssen wir das Schätzchen mal sanieren. Mehr aber auch nicht.“

Karl-Wilhelm Bergfeld von der Bürgerinitiative „3reicht“ ist erfreut über die klaren Aussagen Krischers zum Autobahnausbau: „Wir bezweifeln die Aussage, es gebe einen Engpass auf der Autobahn 3. Der Verkehr auf der freien Autobahn laufe. Hier sollen zwischen Leverkusen und Hilden ca. 110.000 Quadratmeter Wald, Feld und Grünland versiegelt werden.“ Seine Initiative fordert, keine weitere Versiegelung zugunsten des Autobahn-3-Ausbaus zuzulassen.

In einem offenen Brief haben neun Umwelt- und Verkehrsinitiativen, darunter die Allianz pro Schiene, der Verkehrsclub und der Naturschutzbund Deutschland, Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) aufgefordert, die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbarte „kritische Diskussion und Anpassung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans 2030“ endlich zu beginnen. Es dürfe „kein Vertrösten auf zukünftige Pläne mehr geben.“ Man brauche eine „gemeinsame Abstimmung über die laufenden Projekte“.