Werner Baumann muss sich ein letztes Mal den Unmut mancher Aktionäre anhören. Am Ende bringt der Vorstand alle Anträge durch.
HauptversammlungDie Bayer-Spitze kommt mit Schrammen heraus
Die letzte Hauptversammlung in der siebenjährigen Ära Baumann ist am Freitag Anlass, sich mit dem Erbe des Bayer-Chefs auseinanderzusetzen. „Der eine oder andere der Aktionäre hat mit Ihnen gehadert“, sagt zum Auftakt Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Er wünsche ihm den Voicestream-Effekt, von dem die Telekom inzwischen profitiere: Auch den Zukauf des US-amerikanischen Mobilfunk-Anbieters habe viele Jahre niemand verstanden. Auf lange Sicht erweise sich die anfangs extrem umstrittene Akquisition aber als Segen für den Bonner Konzern. Trotzdem will der DSW-Mann von Werner Baumann wissen, welche Erwartungen er bei der Monsanto-Übernahme gehabt habe – und was bisher eingetreten ist.
Auch bei seinem womöglich letzten Auftritt vor großem Publikum bleibt der 60-Jährige bei seiner Linie – natürlich. Die Übernahme von Monsanto sei angesichts der Klagewelle wegen Glyphosat und nunmehr auch PCB sicherlich nicht so gelaufen wie erwartet. Unterm Strich und auf längere Sicht sei der Konzern aber auf dem richtigen Weg. Die Monsanto-Übernahme mache Bayer zukunftsfähig wie nie.
Deutschland hat Zukunft
Zukunftsfähig sei auch der Stammsitz Deutschland, antwortet Baumann auf eine weitere Frage Tünglers: Das Land habe „noch immer das Zeug dazu, ein Top-Standort zu sein“. Wenn denn die Bundesregierung ihrer Diagnose, dass nicht nur der Energiesektor um-, sondern vor allem Bürokratie abgebaut werden muss, Taten folgen lasse.
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Ob sich Bayer in der nun anbrechenden Amtszeit von Baumanns Nachfolger Bill Anderson fundamental verändert, interessiert ebenfalls. Wird die Sparte für rezeptfreie Arzneimittel verkauft? Sie repräsentiert ja lediglich zwölf Prozent des Bayer-Umsatzes von zuletzt gut 50 Milliarden Euro und zehn Prozent des Vorsteuer-Ergebnisses. Ginge dieser Teil weg, könnten die Anleger womöglich versöhnt werden mit der schwächelnden Bayer-Aktie, heißt es. Geht es nach Marc Tüngler, sollte sich Anderson Zeit lassen mit derart weitreichenden Entscheidungen.
Trotzdem ruhen auf dem neuen Mann von Roche enorme Erwartungen der Aktionäre, zeigt sich auf dem virtuellen Treffen, dem sich rund 5200 Anteilseigner zugeschaltet haben. Das sind mehr als zuletzt auf Präsenz-Veranstaltungen. Ein Argument, auch künftig auf persönliche Zusammenkünfte zu verzichten? Aus Sicht sämtlicher Vertreter von Kleinaktionären nicht.
DSW und Co. bleiben ohne Mehrheit
Doch bei der Abstimmung zeigt sich: DSW, Deka, Union-Investment oder SdK geben nicht den Ton an. Fast 79 Prozent der Aktionäre sind damit einverstanden, dass der Bayer-Vorstand zumindest in den kommenden zwei Jahren entscheiden kann, die Hauptversammlung wiederum nur im Internet abzuhalten.
Auch bei der Frage, ob Chefaufseher Norbert Winkeljohann nicht zu viel am Hals hat mit Bayer, der Deutschen Bank und drei weiteren Unternehmen, die allerdings viel kleiner und nicht an der Börse notiert sind, können sich die Kritiker nicht durchsetzen. Der Antrag der Verwaltung, sein Mandat zu verlängern, bekommt knapp 80 Prozent der Stimmen.
Während Tüngler moderat im Ton bleibt, gehen andere Aktionärsvertreter wesentlich härter mit Baumann ins Gericht. Mit Blick darauf, dass die Bayer-Aktie schon mal fast 150 Euro wert war und heute um die 60 Euro notiert, bezeichnet Ingo Speich von Deka die Pharma-Ikone als „Schatten ihrer selbst“. So „kann es nicht weitergehen“. Trotzdem werde man den Vorstand – anders als schon einmal – entlasten, auch wenn das „nicht leicht“ falle, kündigt der Fonds-Vertreter an.
Der „Mühlstein Monsanto“
Hendrik Schmidt von DWS Investment interessiert ein anderer Aspekt des „Mühlsteins Monsanto“, wie sein Kollege Speich den Agrochemie-Champion bezeichnet. Voriges Jahr habe Bayer seinen Schuldenstand um 1,3 Milliarden Euro verringert. Das sei gut, aber wie geht es weiter? Finanzvorstand Wolfgang Nickl beruhigt: „Da sind wir on track“, Ziel sei ein Schuldenstand von 32 Milliarden Euro in diesem Jahr. Und, vielleicht viel wichtiger: 2023 werde das Agrochemie-Geschäft erstmals seine Kapitalkosten verdienen.
Bedeutend ist für viele Redner auch das Thema Nachhaltigkeit, das vor dem Bay-Komm überragend ist. Zwar wiederholt Werner Baumann gebetsmühlenartig Bayers Klimaziele, die nach eigenen Berechnungen im Einklang mit dem Ziel sind, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Trotzdem sei Bayer für Gesellschaften, die auf Umwelteffekte schauen, „nicht investierbar“, stellte Janne Werning von Union-Investment fest, der Fondsfirma der Volks- und Raiffeisenbanken. Er nennt zudem die „Rechts- und Reputationsrisiken“, die sich vor allem aus der Monsanto-Übernahme ergeben hätten.
Umwelt-Themen treiben auch Alice Werner an, die für den Bürgerinitiativen-Verbund „Lev muss leben“ und „Parents for Future“ das Wort ergreift. Sie verweist auf die Berichterstattung des „Leverkusener Anzeiger“, aus der ersichtlich wurde, dass der Konzern nicht zu den Akteuren gehört, die sich gegen die monströse Autobahn-Planung wehren. „Bringen Sie sich da ein!“, fordert sie trotzdem. Auch der hohe Grundwasserverbrauch müsse ein Ende haben, sagt Werner mit Blick auf die unverändert hohen Ansprüche, die in den gerade erneuerten Wasserrechten der Currenta fixiert sind. Antworten dazu bleiben aus.
Das nächste Umweltthema spricht Ludwig Essig vom Umweltinstitut München an: Bayer vertreibt in Brasilien 15 Pestizide, die in Europa nicht mehr zugelassen sind. Für den Vorstandschef ist das nicht unbedingt ein Maßstab: Die Verhältnisse in anderen Welt-Gegenden seien nicht zu vergleichen. Das Fehlen einer EU-Zulassung eines Pestizids heiße nicht, dass eine Substanz nicht sicher ist. „Versetzen Sie Ihr Geschäftsmodell in das 21. Jahrhundert.“ Baumanns Credo ist: Bayers jetziges Geschäftsmodell ist das des 21. Jahrhunderts. Sein Erbe Bill Anderson wird das grundsätzlich kaum anders sehen.