Der ADFC veranstaltete eine Radreise durch die jüdische Geschichte Leverkusens. 25 Teilnehmende radelten mit.
Jüdische GeschichteLeverkusener erkunden Friedhof und Stolpersteinorte per Rad
Es wurde voll vor der Christuskirche, als sich am vergangenen Sonntag die 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fahrradführung durch die jüdische Geschichte der Stadt nach dem Gottesdienst versammelten. Die Motivation der Teilnehmer war vielfältig: Der eine kam aus geschichtlichem Interesse, andere schlossen sich der Tour im Gedanken an jüdische Freunde an, die aktuell in Israel in schweren Zeiten leben.
„Mir wurde bewusst, dass ich eigentlich nicht viel zu dem Thema weiß“, sagte eine Teilnehmerin. „Das möchte ich ändern.“ Nachdem Pfarrer Detlev Prößdorf einige einleitende Worte gesprochen hatte, ging es los auf die Tour.
Etappe 1 führte von Wiesdorf nach Opladen
Pünktlich um 11.30 Uhr startete die Gruppe unter der Leitung von Birgit Hennecke von ADFC und ihrem Mann Hartmut Hennecke. Auf 30 Kilometern ging es durch die jüdische Geschichte der Stadt, die an den meisten Stellen nur noch als Erinnerung existiert. Die erste Station führte die Gruppe nach Opladen in die Walter-Flex-Straße 6. Mitten im Einkaufsviertel liegt einer der Stolpersteine, der jüdischen Opfern der Nazidiktatur gewidmet ist. Dieser erinnert an den Chemiker Leo Rosenthal. Er sei gesellschaftlich voll integriert gewesen und immer bemüht, den Menschen in seiner Umgebung zu helfen, berichtete die Eva Wolff, eine Spezialistin für das Thema „Leverkusen im Nationalsozialismus“.
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Pfarrer Prößdorf erläuterte, worum es bei den seit 1992 von dem Kölner Künstler Gunter Demnig verlegten Stolpersteinen geht. Sein Anliegen ist es, den Menschen, die durch die Nazis zur Nummer wurden, ihre Namen wiederzugeben. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen wird“ zitierte der Pfarrer die Worte des Künstlers. Die nächste Station, welche die Gruppe anfuhr, war der jüdische Friedhof in der Robert-Blum-Straße. Dort wartete bereits Lev Ismikhanov, Vorsitzender des Vereins „Davidstern“, um die Besucherinnen und Besucher auf das Gelände des Friedhofs zu lassen.
Er hatte einige Kippot für die Männer dabei, denn Männer dürfen einen jüdischen Freidhof nur mit einer Kopfbedeckung betreten. Das ist bei den Juden in erster Linie die Kippa, aber es kann auch jede andere Kopfbedeckung sein, wie zum Beispiel die Fahrradhelme der Tourteilnehmer. Nach einer kurzen Einführung betrat die Gruppe den Friedhof und ließ ihn auf sich wirken. Er steht heute unter Denkmalschutz, wie der Vorsitzende erklärte, wird aber auch weiterhin für Bestattungen genutzt.
Synagoge wurde einen Tag nach Reichskristallnacht zerstört
Über die Kölner Straße ging es dann weiter zum Platz der Synagoge, an der eine Gendenktafel an das zerstörte Gotteshaus erinnert. In der Pogromnacht am 9. November 1938 zerstörten Nazis zunächst den Innenraum der Synagoge. Es habe eigentlich eine klare Anweisung gegeben, dass in der Synagoge kein Feuer gelegt werden durfte. Die Pogromorganisatoren wollten verhindern, mit einem Brand umliegende Häuser zu gefährden. Das rettete die Synagoge, aber nur genau für einen Tag. Denn bereits am nächsten Tag stachelten NS Angehörige Schulkinder dazu an, die Synagoge doch noch in Brand zu stecken. Die Feuerwehr schützte lediglich die umliegenden Gebäude, so dass das jüdische Gotteshaus von den Flammen völlig zerstört wurde.
Lediglich der Zeigefinger (Jad) für die Tora konnte gerettet werden. Ein Opladener fand ihn und brachte ihn in die katholische Kirche. Dort lag er, bis er dann 2022 über den Verein „Davidstern“ in die jüdische Gemeinde zurückkehrte. Die nächste Etappe führte nach Hitdorf zur ehemaligen Brauerei. Zunächst in nichtjüdischer Hand ging sie 1880 ins Eigentum von Moses Friede über und blieb bis 1934 in jüdischem Eigentum, wie Reinhold Braun vom Bergischen Geschichtsverein erzählte.
2011 kehrte organisiertes jüdisches Leben nach Leverkusen zurück
Braun hatte zu den Inhalten der Führung aus historischen Dokumenten Informationszettel erstellt, die jeweils an den Haltepunkten herumgegeben wurden. Über die Niederfeldstraße, wo die orthodoxe Familie Spadler lebte, steuerten die Geschichtsinteressierten schließlich das Vereinshaus „Davidstern“ an. Mit dem Verein kehrte 2011 erstmals seit der Nazizeit organisiertes jüdisches Leben in die Stadt zurück. Herzlich aufgenommen und mit Wein und Matzenbrot verköstigt, entstanden kurze Gespräche zwischen den anwesenden Vereinsmitgliedern und der Fahrradgruppe.
Die kleine jüdische Gemeinde wünscht sich für die Zukunft eine eigene Synagoge. Aktuell kommt zu religiösen Anlässen ein Rabbi aus Düsseldorf in die Gemeinde. Große Ereignisse werden in Düsseldorf begangen. Den Abschluss machte die Gruppe schließlich am „Alten Marktplatz“ in Wiesdorf, wo der Familie Neumann gedacht wurde, die dort bis zur Nazizeit ein Tapetengeschäft betrieben hatte.