Leverkusen – „Ich kenne die seelischen Tiefs, die Menschen durchmachen.“ Ingrid Baare hilft bei der Krebsberatung „Help“ in Schlebusch auf der Mülheimer Straße. Seit 1990 gibt es den Verein, der unterstützt, wenn Patientinnen oder Patienten von der Diagnose Krebs erfahren. Mit ins Leben gerufen wurde „Help“ unter anderem auch von Ingrid Baare, bei der als 26-Jährige ein Tumor festgestellt wurde. Heute leitet die 63-Jährige die Beratungsstelle.
Krebserkrankung früher noch Tabuthema
„Vor 30 Jahren hieß es bei dem Thema öfter: »Da sprechen wir besser nicht drüber«“, blickt Baare zurück. Angehörige fühlten sich früher häufig alleingelassen, erinnert sie sich, Psychoonkologen gab es damals noch nicht. „Behandelt wurden die Menschen in medizinisch-therapeutischer Hinsicht“, erklärt sie.
Das ist mittlerweile anders: Der Umgang mit Krebs sei offener geworden, betont die Systemische Psychotherapeutin. Die Offenbarung von bekannten Persönlichkeiten, die sich in den Medien dazu äußern, habe dazu beigetragen.
Heutige Leiter waren früher selbst betroffen
Ingrid Baare ließ sich damals, als sie selbst erkrankte, nicht unterkriegen, sieben Jahre nach der Diagnose bekam sie einen Sohn – „was damals völlig unwahrscheinlich war“ – und kann heute mit Überzeugung und Enthusiasmus beraten. „Die Klienten spüren, dass ich authentisch bin.“
Häufig finden Frauen mit Brustkrebs ihren Weg in die Mülheimer Straße. Die Beratungsstelle arbeitet mit dem Brustzentrum und der Onkologie vom Klinikum zusammen, aber ebenfalls mit dem Darmzentrum vom St.-Remigius-Krankenhaus in Opladen.
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An Darmkrebs gelitten hat auch Gerd Ziervogel. Der 68-Jährige spricht somit aus eigener Erfahrung, wenn er sagt: „Vertrauen in Ärzte und die Medizin hilft.“ Als der Beratungsstelle vor wenigen Jahren das Aus drohte, weil sich kein Vorsitzender fand, ergriff er die Gelegenheit.
Streit über Onkologische Praxis wirbelte auf - aktuell Online-Beratungen
Den Streit um die Schließung der Onkologischen Praxis von Christina Reddemann in Opladen im Frühjahr (wir berichteten) haben die beiden Berater hautnah miterlebt. „Die Klienten waren richtig traurig und verunsichert“, erzählt Ingrid Baare. Gerade in der Krebstherapie sei Vertrauen wichtig, sie hat Reddemann als Ärztin kennengelernt, die zu jeder Tages- und Nachtzeit ansprechbar gewesen sei.
Krankenkassen sollen Kosten übernehmen
Bislang finanzierte sich die Beratungsstelle „Help“ überwiegend über Spenden oder Fördergelder. Die Stadt Leverkusen unterstützte beispielsweise mit knapp 20000 Euro im Jahr. Auch die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich mit einem Förderanteil von 40 Prozent. Ursprünglich sollte die Rentenversicherung weitere 40 Prozent beisteuern. Neueste Entwicklung: Ende November hatte Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, dass die gesetzlichen Krankenkassen 80 Prozent übernehmen sollen. „Dann hätten wir Planungssicherheit und könnten Personal aufstocken“, freut sich Gerd Ziervogel aus dem „Help“-Vorstand. (aga)
www.help-leverkusen.de
Aktuell finden in Schlebusch aufgrund Corona die Beratungsgespräche per Telefon oder Video statt – oder man geht zusammen an die frische Luft. „Gerade am Telefon brauche ich noch mehr einfühlsame Worte, damit die Personen sich öffnen“, so empfindet es Ingrid Baare. Eine Gruppe mit krebskranken jungen Frauen trifft sich komplett online, per WhatsApp. Um nicht immer von der Schwere des Themas erdrückt zu werden, ist es wichtig, auch leichtere Themen mitzunehmen. Die Teilnehmerinnen lernen jetzt peu à peu italienische Sätze.
Doch das Internet ist nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Wenn es um ein „Zu viel“ an Informationen geht. Die Psychoonkologin Baare warnt: „Das Internet gibt viele Infos, schürt aber auch viel Angst.“ Sie sieht die Gefahr darin, dass Menschen nicht mehr den Ärzten vertrauen und sich zu sehr auf die Infos aus dem Netz fokussieren.