Die Unternehmen zahlen viel weniger als kalkuliert. Das Umdenken der Politiker muss total sein.
KommentarDie Zeit des Gestaltens ist in Leverkusen vorbei
Kann man sich dermaßen verkalkulieren? Seit langem ist klar, dass es Leverkusens Schlüsselindustrie schlecht geht. Die Bayer-Kinder Lanxess und Covestro kämpfen mit den exorbitanten Energiepreisen, der frühere Mutterkonzern immer weiter mit den Folgen der Monsanto-Übernahme. Hat man das im Rathaus alles ausgeblendet, als für dieses Jahr eine Rekord-Gewerbesteuer eingeplant wurde? 385 Millionen Euro, das gab es noch nie – jedenfalls nicht in jüngerer Zeit.
Kann man auf dieser Basis Politik betreiben? Zumindest hat man sich das vorgemacht an der Spitze der Stadtverwaltung und im Stadtrat. Seit knapp zwei Wochen weiß man, dass das eine Illusion war. Seit Montag weiß man, dass Leverkusen vor nichts anderem steht als einer finanziellen Katastrophe, die Folgen für das nächste Jahrzehnt haben wird, mindestens. 100 Millionen von den Unternehmen statt 385. Fehlen also 275 Millionen, wohlgemerkt bei einem Leverkusener Gesamtbudget von 942 Millionen.
Die flugs verhängte Haushaltssperre kann da nichts ausrichten. Vielmehr muss der Stadtrat ab sofort ganz anders denken. Nämlich so, wie es in den Jahren des Nothaushalts erforderlich war. Da wurde in Leverkusen keine Politik gemacht, die nach vorne gerichtet war. Sondern nur die Abrissbirne austariert. Daran können sich noch viele erinnern, die jetzt im Stadtrat sitzen.
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Trügerische Sicherheit und der Wille, Leverkusen wieder zu gestalten
Und das ist sicher eine Erklärung dafür, warum die Sache so schief gegangen ist. Alle wähnten sich nach dem umstrittenen Beschluss, Leverkusen zum Steuerparadies zu machen – wohlgemerkt: nur für Unternehmen – auf der sicheren Seite. Allerhand Firmen wurden angelockt, andere aus dem Bayer-Kosmos bekamen wieder einen Briefkopf mit der Adresse Leverkusen.
Das hat ein paar Jahre gut geklappt, man konnte wieder Politik machen in dieser Stadt. Gestalten. Das war auch ganz im Sinn der Zeit: Die Corona-Pandemie hat der Idee, die öffentliche Hand müsse gestaltend eingreifen, starken Auftrieb gegeben.
Im Kleinen hieß das zum Beispiel: Leverkusen bekommt einen personell gut ausgestatteten Kommunalen Ordnungsdienst, der auch nach der Pandemie den Bürgern dient. Indem er sich um alle möglichen Misslichkeiten kümmert. Oder: Die Stadtverwaltung greift korrigierend in den Handel ein, indem sie ihre Tochterfirma den früheren Kaufhof übernehmen lässt. Nicht zu reden von der City C.
Der Oberbürgermeister hat Recht, wenn er das als Errungenschaften preist und nicht aufgeben will. Aber: Die Rechnung geht nur auf, wenn die Steuereinnahmen sprudeln. Damit ist es bis auf Weiteres vorbei. Am Montagabend ist in Leverkusen eine neue Epoche angebrochen. Eine der Not. Damit müssen jetzt alle kalkulieren.