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Leverkusener Sondermüllofen„Versprechen kann niemand, dass nie wieder etwas passiert“

Lesezeit 3 Minuten
Der Platz auf dem Werksgelände der Sondermüll-Verbrennungsanlage in Bürrig, wo der Tank 2021 explodierte, wird nach wie vor nicht genutzt. Er ist mit einer Plane abgedeckt.

Der Platz auf dem Werksgelände der Sondermüll-Verbrennungsanlage in Bürrig, wo der Tank 2021 explodierte, wird nach wie vor nicht genutzt. Er ist mit einer Plane abgedeckt.

Über drei Jahre nach der Explosion traf sich der Begleitkreis zum wahrscheinlich letzten Mal.

Zum wahrscheinlich letzten Mal tagte in diesem Monat der „Begleitkreis“. Gegründet wurde er im Januar 2022 auf ausdrücklichen Wunsch der Bezirksregierung und des Umweltministeriums NRW, sechs Monate nach der Explosion in der Sondermüllverbrennungsanlage, um Politiker und Nachbarn zu informieren.

Inzwischen sind so gut wie alle Anlagenteile der Sondermüllverbrennung wieder in Betrieb, nur das zerstörte Tanklager kann nicht wieder hergestellt werden: Eine Genehmigung dafür würde es heute niemals geben. Aber grundsätzlich stehen in Bürrig vier Öfen unter Feuer, die nach der Explosion alle erstmal stillgelegt wurden: Zwei Drehrohröfen für feste Abfälle (Verbrennungsanlagen, VA, eins und zwei), eine Klärschlammverbrennung (VA3) und die Abwasserverbrennung (VA4). Ein Drehrohrofen wurde 2022 als erster wieder angefeuert, dann die Abwasserverbrennung und schließlich die Klärschlammverbrennung. In den Drehrohröfen können feste giftige Abfälle und Pasten bei Temperaturen jenseits von 1000 Grad Celsius weitgehend unschädlich gemacht werden.

Die Öfen könnten mit teurem Heizöl gefüttert werden, um auf die hohe Temperatur zu kommen. Das gut funktionierende Geschäftsmodell einer Chemie-Müllverbrennung wie der in Bürrig funktioniert aber, indem man dafür brennbare, „gebrauchte“, verunreinigte Lösemittel aus der Chemieindustrie als Heizmittel nimmt, die man als Brennstoff in die Öfen einspritzt: Chemiemüll wird mithilfe von flüssigem Chemiemüll verbrannt. Um einen permanenten Strom an Heizmittel zur Verfügung zu haben, hat Currenta in Bürrig ein kaum beschädigtes Tanklager in Betrieb genommen. Neu genehmigt werden musste diese Anlage nicht.

Entsorgungszentrum Bürrig: Prozeduren wurden überarbeitet

Dort werden drei Jahre nach der Katastrophe wieder verschiedene Lösemittel gemischt, die alle über die Straße mit Tank-Lkw angeliefert werden, denn einen Eisenbahnanschluss gibt es nicht. Damit es beim Mischen nicht zu gefährlichen Überraschungen kommt, prüft man heute vorher, wie sich die Substanzen miteinander vertragen. Die gesamte Anlieferungsprozedur wurde überarbeitet, sagt der Chefgutachter Christian Jochum, der den Prozess im Auftrag von Currenta geleitet hat. Nur noch bekannte Abfälle mit einer ausführlichen Dokumentation der Ladung dürften angenommen werden, sagt Jochum. Anderes dürfe in Bürrig nicht mehr angenommen werden. Dann komme die Eingangskontrolle. Das sei nicht immer so gewesen. Es klingt heute unglaublich fahrlässig: Vor der Explosion sei nur jede zehnte Anlieferung in Bürrig einer chemischen Identitätsprüfung unterzogen worden.

Jochum sagt, dass sich andere Sondermüllverbrennungsanlagen inzwischen an Leverkusen orientierten: „Was Currenta jetzt macht, ist Standard.“ Andere Entsorger hätten sich in seinem Büro gemeldet, nach Beratung gefragt. Jochum: „Wir trommeln dafür, dass unsere Verfahren überall genommen werden.“ Verschärfte Eingangskontrollen, Temperaturüberwachung und, wenn etwas passiert, soll ein neues Notfallmanagement helfen, vom Abschalten der Hochspannungsleitung über der Anlage bis zum Umgang mit Löschwasser.

Sicherlich schicken wir den Lkw dann nicht durch Wiesdorf zurück zum Erzeuger.
Hans Gennen, Geschäftsführer

Und wenn doch mal ein Lkw ungeplant mit einer heiklen Ladung auf dem Hof stehen sollte? Je nach Situation gibt es das Verfahren der Not-Entsorgung, bei der der Stoff direkt und schnell aus dem Lkw in der Anlage verbrannt werden soll – über einen großen Schlauch, damit es schnell geht. Und wenn’s richtig gefährlich wird? „Das wäre dann ein Feuerwehreinsatz“, sagt Currenta-Geschäftsführer Hans Gennen im Begleitkreis, „sicherlich schicken wir den Lkw dann nicht durch Wiesdorf zurück zum Erzeuger“. Seitdem die Anlage wieder in Betrieb ist, sei noch nichts Vergleichbares vorgekommen, sagt Gennen.

Christian Jochum ist überzeugt von den neuen Verfahren, die in 30 Ordnungsverfügungen für Currenta festgelegt wurden. Aber er ist realistisch genug, dass er im letzten Begleitkreis bei seinem Fazit sagt: „Versprechen kann niemand, dass nie wieder etwas passiert.“