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Tod in SchlebuschBeweislage zur Messerstecherei in Leverkusen bleibt dürftig

Lesezeit 3 Minuten
Ein Angeklagter im Prozess um die tödliche Messerstecherei am 18. Februar 2024 in Schlebusch hält sich im Gerichtssaal die Hand vors Gesicht.

Der ältere der beiden Angeklagten ist seit 2005 in Deutschland. Die Krebserkrankung seiner Tochter hat ihn nach Schlebusch gebracht.

Letzte Hoffnungen liegen auf den Experten des Bundeskriminalamts. Einer der Angeklagten kann kaum Lesen und Schreiben.

Der Prozess um die tödlichen Messerstiche an der Stadtgrenze in Schlebusch neigt sich dem Ende zu. Nächsten Donnerstag will die 11. Große Strafkammer am Kölner Landgericht ein Urteil sprechen. Dabei ist die Beweislage nach wie vor dürftig. Die beiden wegen Totschlags angeklagten Brüder machten auch am Mittwoch keine detaillierten Angaben zu dem dramatischen Geschehen am Abend des 18. Februar. Das Opfer, der Schwager der beiden Syrer, wurde mit rund 20 Messerstichen traktiert, viele in den Rücken. Der 30-Jährige verlor dabei so viel Blut, dass er nicht mehr aus dem Koma erwachte und am 1. März im Klinikum starb.

Nach Darstellung seiner Verteidigerinnen hat der ältere der beiden Angeklagten versucht, in dem tödlichen Streit zu vermitteln. Zumindest wurde er bei der Messerstecherei an jenem Sonntagabend auf der Mülheimer Straße nicht verletzt. Und Blut wurde an dem Mann auch nicht gefunden.

Die Polizisten kombinierten schnell

Die Polizei hatte an jenem Sonntagabend schnell einen Zusammenhang hergestellt zwischen dem lebensgefährlich Verletzten und zwei Männern, die in die Notaufnahme des Klinikums gekommen waren. Dorthin hatte der heute 55 Jahre alte Rafik L. (alle Namen geändert) seinen 15 Jahre jüngeren Bruder gebracht. Der konnte selbst nicht mehr fahren – er hatte im Verlauf des Kampfs eine volle Bierflasche an den Kopf bekommen und eine Platzwunde davongetragen. Ist Feras R. also der Täter? Das ist nicht bewiesen.

Beweisen wollten hingegen die Verteidigerinnen des älteren Angeklagten, dass dieser mit den tödlichen Messerstichen nichts zu tun hat. Allerdings hat auch die weitere Untersuchung eines Videos durch eine das Landeskriminalamt eine Tatbeteiligung nicht zweifelsfrei belegen können. Das Material aus der „Stadtgrenz-Schänke“ ist zu schlecht, um die nur teil- und phasenweise sichtbaren Personen eindeutig identifizieren zu können.

Von der eigentlichen Tat gibt es keine Aufnahmen

Ob die Untersuchung einer weiteren, Minuten später entstandenen Aufnahme durch das Bundeskriminalamt mehr Erkenntnisse bringt, wird sich nächste Woche noch zeigen. Aber: Die tödlichen Messerstiche wurden dem Opfer auf einem Parkplatz rechts neben der Kneipe beigebracht, legen die Blutspuren nah. Und davon gibt es überhaupt keine Aufnahmen.

Rafik L. wohnt nicht weit vom Klinikum entfernt. Der Vater von sechs Kindern ist 2005 nach Deutschland gekommen. Anlass war die Krebserkrankung einer Tochter – die junge Frau bekam an der Kölner Uniklinik eine Chemotherapie. Ein Sohn des Angeklagten ist behindert. Eine Schule habe er zu Hause nicht besucht, ließ er am Mittwoch mitteilen. Bis heute fielen ihm Lesen und Schreiben äußerst schwer; Deutsch spricht er auch nach knapp zwei Jahrzehnten kaum. Daheim habe er auf dem Bauernhof seiner Eltern gearbeitet, ein Betrieb von 2000 Hektar, von dessen Erträgen die ganze Familie lebe. Später habe er noch eine Ausbildung zum Friseur gemacht.

Der Salon sei inzwischen auf einen der Söhne umgeschrieben, hieß es: Die inzwischen gut sechsmonatige Untersuchungshaft habe das erforderlich gemacht. Wann Rafik L. in die Firma zurück kann, wird sich nächsten Donnerstag erweisen.