AboAbonnieren

Mit BildergalerieEin Streifzug durch die 20. Leverkusener Kunstnacht

Lesezeit 5 Minuten
Am Kulturausbesserungswerk spuckte ein Metallvogel Feuer.

Am Kulturausbesserungswerk spuckte ein Metallvogel Feuer.

Die Organisatoren der Leverkusener Kunstnacht konnten sich über so viele Locations wie noch nie freuen.

Wenn die Dämmerung hereinbricht, entfaltet sich ein prickelndes Gefühl, ein berauschendes Erlebnis. Für eine Nacht wird Leverkusen zur Bühne der Künste, zu einem riesigen Labyrinth aus Kreativität. Wer sich von Malerei, Theater und Literatur verzaubern lässt und in diese Strömungen eintaucht, findet sich in der 20. Kunstnacht wieder. Über 80 Orte sind am Freitag dabei, so viele, wie noch nie zuvor.

Die Kunstnacht beginnt im Schloss Morsbroich. Im Spiegelsaal des sammeln sich einige Menschen, um den Auftakt der Nacht zu erleben. Oberbürgermeister Uwe Richrath eröffnet die Veranstaltung und hebt hervor, wie wichtig Kunst in Zeiten wie diesen sei: „Die Kunstnacht ist ein Erlebnis für ganz Leverkusen, das Menschen verbindet. Dieses Verbinden sichert uns Toleranz, Demokratie und Freiheit.“

Danach tritt die Sängerin Emily Otto auf. Mit ihrer Gitarre in der Hand und ihrer kraftvollen und zugleich sanften Stimme erfüllt sie den Raum. Richrath schließt seine Rede mit einem Lächeln: „Mehr muss man zur Eröffnung der Kunstnacht eigentlich gar nicht sagen.“ Während die ersten Besucher beginnen, sich auf die verschiedenen Kunstorte zu verteilen, fügt er noch hinzu: „Auf vieles müssen wir im Moment aufpassen und das machen wir heute ganz genau, um dann später mit diesen Kunsterlebnissen einzuschlafen.“

Alles zum Thema Uwe Richrath

Alle Kunstwerke an den 80 Orten zu entdecken, war in dieser Nacht gar nicht möglich – aber auch nicht das Ziel.

Alle Kunstwerke an den 80 Orten zu entdecken, war in dieser Nacht gar nicht möglich – aber auch nicht das Ziel.

Der Sensenhammer vibriert unter den tiefen Tönen von Vlado Ondrejs großformatigen Radierungen. Die Werke scheinen die Geschichte des Ortes zum Leben zu erwecken, die industrielle Vergangenheit von Schweiß und harter Arbeit durch Kunst festgehalten. Der Slowake erzählt: „Radierung wollte ich immer schon studieren. Die Metallplatten bearbeite ich mit einer Flex oder mit Schlittschuhen. Dann mache ich einen Abzug. Für mich ist das wie eine Partitur.“

Geheimnisvolle Grafitti in Alkenrath und Kunst im Schlebuscher Dorf

In Alkenrath wartet ein besonderes Highlight: Die Kindertagespflegeeinrichtung „Kintawelt“ ist erstmals Teil der Kunstnacht. Hier stellen die Graffiti-Künstler Özgür el Rico und Imi Diel ihre Werke aus, die auf den ersten Blick bunt und spielerisch wirken, aber bei näherer Betrachtung tiefgründige politische Botschaften enthalten. „Wir wollen, dass die Menschen über das hinaussehen, was sie zunächst wahrnehmen“, erklärt Özgür. „Oft denkt man bei Graffiti nur an urbane Kunst, aber wir spielen bewusst mit Symbolen.“ Sein Kollege fügt hinzu: „Kunst muss nicht laut sein, um laut zu sprechen.“

Oberbürgermeister Uwe Richrath sprach zur Eröffnung der Kunstnacht.

Oberbürgermeister Uwe Richrath sprach zur Eröffnung der Kunstnacht.

Auch das Dorf in Schlebusch erstrahlt mit „Kunst im Schaufenster“ im künstlerischen Glanz. Michael Rheindorf, der die Aktion mitorganisiert, freut sich besonders über das diesjährige Extra: „Dieses Mal haben wir eine Preisausschreibung für diejenigen, die alle Schaufenster entdecken. Es geht nicht nur ums Staunen, sondern auch ums Suchen und Finden.“

Besonders beeindruckend ist die Performance von Lea Diehl. In der Fußgängerzone formt sie mit ihrer Axt Eisskulpturen – einen Bayer-Löwen und einen Pinguin. „Eigentlich bin ich Holzbildhauerin“, erzählt sie lachend, „aber mit Eis zu arbeiten, ist eine ganz neue Herausforderung. Es verlangt Präzision und Schnelligkeit. Das Eis schmilzt, und mit jedem Schlag der Axt wird die Skulptur lebendig“. „Kunst im Schaufester“ kann man die nächsten Wochen noch erleben.

Auch im Küchenstudio Schreckenberg steckt in dieser Nacht Kunst

Noah Schreckenberg ist ebenfalls zum ersten Mal dabei und verwandelt sein Küchenstudio in eine Kunstgalerie. „Küchen und Kochen sind Kunst. Das passt also perfekt zueinander“, erklärt er stolz. Die Ausstellung in seinen Räumen kombiniert Küchen mit passenden Gemälden und Skulpturen, darunter Einzelstücke von Christoph Klein. „Die Verbindung zwischen dem Praktischen und dem Künstlerischen war mir schon immer wichtig“, sagt Schreckenberg. „Jede Küche hat ihre eigene Geschichte, und diese Geschichte erzähle ich hier mit Kunst.“

Feuerjonglage am Kulturausbesserungswerk.

Feuerjonglage am Kulturausbesserungswerk.

Später im Jungen Theater, wo „Kunst:Raum:Klinik“ erlebbar ist, gibt es Klanginstallationen und Performances. Die Bühne des Theaters ist dunkel, nur einige wenige Lichter tauchen die Darsteller in ein geheimnisvolles Licht. Im Kulturausbesserungswerk pulsiert das Leben. „Kollektivismus VI“ bringt Menschen zusammen, und die Räume sind erfüllt von Stimmen, Feuer wird im Hof jongliert, die über die Werke diskutieren. Ein Gast lehnt sich lässig mit einem Bier gegen eine Wand, während er erklärt: „Hier wird Kunst wirklich zum Gespräch. Es geht nicht nur darum, etwas zu zeigen, sondern auch darum, sich auszutauschen, voneinander zu lernen.“

Einblicke im Künstlerbunker

Im Künstlerbunker in Opladen herrscht eine ganz eigene Atmosphäre. Die Räume sind roh, fast karg, doch die Kunst darin spricht für sich. Peter Kaczmarek und Pia Axmacher gewähren Neugierigen Einblicke in ihre Ateliers. „Es geht uns darum, dass die Besucher den kreativen Prozess miterleben“, erklärt Kaczmarek. „Oft sieht man nur das fertige Werk, aber hier können die Menschen mit uns ins Gespräch kommen, Fragen stellen, Ideen austauschen.“ Pia Axmacher fügt hinzu: „Das Atelier ist ein Raum der Begegnung, nicht nur zwischen Künstler und Werk, sondern auch zwischen Menschen. Es geht um das Teilen von Gedanken und Perspektiven.“

Die Kunstnacht in Leverkusen ist ein lebendiges Kunstwerk, das die ganze Stadt umfasst. Jeder Raum, jede Installation erzählt ihre eigene Geschichte, und am Ende der Nacht sind es die Menschen, die diesen Geschichten Leben einhauchen. Die neue App, die wie ein Kompass durch die 80 Kunstorte führt, unterstützt dabei, alle Highlights zu entdecken, doch das wahre Abenteuer liegt im Sich-Verlieren und Entdecken. „Es geht nicht darum, ob man in dieser Nacht eine oder 1000 Kreationen erlebt hat“, sagt die 28-jährige Grafikdesignerin Anna beim Verlassen eines der Kunstorte. „Es geht um die Begegnungen, die bleiben.“