AboAbonnieren

SondermüllverbrennungJetzt will Currenta doch wieder Abfälle in Leverkusen mischen

Lesezeit 3 Minuten
Explosion_Anlage_Luftbild_RLE_Leverkusen08082021ALF_7157

Der helle unversehrte Tank 8 steht schräg rechts hinter dem Explosionsort. Archivbild. 

Leverkusen – Bei der neunten Sitzung des Begleitkreises zur Wiederinbetriebnahme der Bürriger Anlage von Currenta am Donnerstagabend wurde klar, dass man die Anlagen der Entsorgung getrost als die Betriebe fürs Grobe bezeichnen kann – quasi die Rambos unter den Chemiebetrieben. Inzwischen gibt es eine Fülle an Informationen über die Gefahren, die dort überall lauern, und Regeln, die erst jetzt nach der Explosion vom Juli 2021 verschärft werden.

Zunächst kam die Sprache auf die Abwasserverbrennungsanlage. Intern heißt sie Verbrennungsanlage VA4 und arbeitet derzeit noch nicht. Es fehlt noch ein Tüv-Gutachten; der unabhängige Chef-Gutachter Christian Jochum sagte in der Sitzung, dass er nichts mehr sehe, was gegen ein Anfahren sprechen würde.

Abwasserverbrennung bei Currenta: ein komplexer Vorgang

Abwasserverbrennung ist so ein Thema, hört sich irgendwie paradox, aber harmlos an. Wasser brennt schließlich nicht. Bei dem Abwasser, das meist aus einem Dormagener Betrieb zur Verbrennung kommt, ist es komplizierter: Es wird heiß angeliefert und darin schwimmende Stoffe können sich im Behälter entmischen und absetzen. „Viskose Flüssigkeit mit hohem Energiegehalt“, nennt Christian Jochum den Abfall, der anscheinend bei der Lagerung heißer werden kann.

Man müsse zusehen, dass immer genug Wasser zum Verdampfen im offenen Kessel ist, damit sich die Mischung nicht aus Versehen entzündet, das sei immens wichtig, sagt Jochum. Darauf müsse penibel geachtet werden, bevor das Dormagener Abwasser in den Bürriger Ofen kontrolliert in eine heiß brennende Flamme eingespritzt wird. Das Wasser verdampft dort und Salz und Schlacke kondensieren. Das sei handhabbar, sagt Jochum.

Im Dormagener Werk selbst steht nur ein Drehrohrofen, in dem nur feste Stoffe verbrannt werden können, deshalb fährt man den Abfall nach Leverkusen. Der Tüv schaue sich alles genau an, auch im Erzeugerbetrieb.

Wasser brennt nicht, feuchter Klärschlamm auch nicht, aber in Bürrig sollen täglich 200 Tonnen anfallen. Um den zu verbrennen, braucht Currenta einen kontinuierlichen Strom brennbaren Abfalls als Brennstoff für die auf Schlamm spezialisierte Verbrennungsanlage 3 (VA3). Heizöl wäre als Brennstoff auch möglich, aber viel zu teuer und zudem pure Verschwendung, denn es mangelt nicht an Lösemitteln in der Chemieindustrie. Nur kommen die zu unregelmäßig aus den Betrieben.

Tank 8: Flüssige Abfälle sollen wieder gemischt werden

Zum Puffern soll wieder ein Tank mit brennbaren Abfällen genutzt werden, das war schon Thema im vorigen Begleitkreis. Was Zuhörer in der anschließenden Diskussion aber elektrisierte, war, dass in diesem Tank 8 in einer späteren Phase auch wieder flüssige Abfälle gemischt werden sollen. Elektrisierend ist das deshalb, weil Mischen von Abfällen Gefahr bedeuten kann: Beim ursprünglichen Plan sollten Tanklastwagen einzeln und „just in time“ an den Ofen fahren und die Anlage sollte die Fracht direkt einsaugen und verbrennen. So soll es auch in der ersten Anlauf-Phase gemacht werden, später wird gemischt.

Das sei grundsätzlich ein Risiko, sagt Fachmann Jochum, es müsse dafür genaue Regeln geben, etwa Mischversuche, dann seien Tanks kein Problem. Die Regeln werden derzeit erarbeitet.

Tank 8 steht zwar nur 25 Meter vom explodierten Tank 3 entfernt, er blieb laut Jochum aber unbeschädigt. „Ich empfinde das als Rolle rückwärts“, sagte Begleitkreis-Mitglied Peter Odenthal, „es hieß, es wird nichts mehr gemischt. Ich verstehe die Notwendigkeiten, aber: Wie wollen Sie das den Leuten jetzt erklären?“.