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ProzessRichter bringt den des Mordes Angeklagten von Rheindorf nicht zum Reden

Lesezeit 3 Minuten
Verteidiger Gottfried Reims sitzt im Gericht neben dem des Mordes angeklagten Rheindorfer.

Verteidiger Gottfried Reims (rechts) hatte ihm geraten, endlich zu reden. Der des Mordes angeklagte Rheindorfer aber brachte auch am Freitag kaum ein Wort heraus.

Das knappe Geständnis bleibt alles, was der Mann mit türkischen Wurzeln über die Lippen bringt.

Eigentlich kann er nur gewinnen. Aber der Mörder von Rheindorf bringt es nicht übers Herz, mehr zu sagen zu der Horrortat vom 27. Oktober 2023. Dass er seine schwangere Freundin Jacqueline E. an jenem Freitagabend auf der Ilmstraße mit mindestens zehn Messerstichen getötet haben soll, hat der Mann mit den türkischen Wurzeln zwar mit einem knappen, leisen „Ja“ am Mittwoch zugegeben. Das ging aber nicht über das hinaus, was er am Tatabend gemacht hatte: Kurz nach der Attacke hatte der 34 Jahre alte Mann die Polizei benachrichtigt und sich unweit des Tatorts festnehmen lassen. Auch das Messer wurde kurz darauf gefunden. Er hatte es in ein Gebüsch geworfen.

„Sie haben doch schon einen riesigen Schritt getan“, sagt Alexander Fühling am Freitag. Der Vorsitzende Richter der 21. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht bemüht sich sehr, dem Angeklagten zu helfen, seine Blockade zu überwinden. Noch kein Mal während des seit Wochen laufenden Prozesses hat der Mann im Saal den Kopf gehoben – er würde dann den Blicken der Mutter und der Halbschwester des Opfers aus Köln-Chorweiler nicht ausweichen können, die ihm schräg gegenüber sitzen: Sie sind, wie der leibliche Vater von Jacqueline E. und ihre beiden halbwüchsigen Kinder, die sich das Geschehen allerdings auf Anraten ihrer Anwältin nicht persönlich antun, Nebenkläger.

„Ich schäme mich“, sagt Ali L. (Name geändert) und ist wiederum kaum zu verstehen. Und: „Ich trauere jeden Tag um Jacqueline.“

Ich schäme mich.
Ali L., Angeklagter

Kommt noch mehr? Fühling versucht es mit unverfänglicheren Fragen: „Möchten Sie uns etwas über Ihr Leben erzählen?“ Denn bisher ist im Prozess lediglich bekannt geworden, dass Ali L. bei den Behörden unter verschiedenen Namen aufgetaucht ist. Und dass es Vorstrafen gibt, mehrmals wegen Betrugs und einmal wegen Fahrens ohne Führerschein. Nichts also, das auch nur ansatzweise mit der Messerattacke zu vergleichen wäre.

„Das meiste haben Sie schon hinter sich“, unterstreicht der Richter mit Blick auf das knappe Geständnis vom Mittwoch. Er gibt dem Angeklagten Zeit, unterbricht die Verhandlung für eine Stunde: Ali L. kann sich noch einmal mit seinem Verteidiger Gottfried Reims besprechen. Am Mittwoch hatten die beiden schon „zwei, zweieinhalb Stunden“, heißt es.

Aber auch nach der erneuten Unterbrechung bricht der Bann nicht. „Wir werden nie erfahren, was da passiert ist“, sagt Hildegard E. beim Rausgehen resigniert. Auch die Mutter des Opfers ist gemeint, als Alexander Fühling dem Angeklagten sagt: „Hier sitzen Menschen, die wollen wissen, was passiert ist.“

Wir werden nie erfahren, was da passiert ist.
Hildegard E., Mutter der Getöteten

Bleibt der Whatsapp-Verlauf: Wie Ali L. und Jacqueline E. miteinander per Telefon gesprochen haben zwischen dem 23. August und dem 27. Oktober, hat das Gericht für die Prozessbeteiligten aufbereiten lassen. Ende August war klar, dass sie schwanger ist, Ende Oktober war sie tot, weil Ali L. verhindern wollte, dass seine Mutter eingeweiht wird. Sie soll streng gläubige Muslimin sein. Die Mordkommission hatte die Nachrichten bisher nur in Auszügen aufbereitet; dem Gericht reichte das nicht.

Die Richter haben sich die Kommunikation des Paares schon angetan. „Das ist starker Tobak“, sagt Fühling. Und: „Das Bild verschiebt sich ein wenig.“ Bisher herrscht der Eindruck vor, Ali L. sei ein extrem eifersüchtiger Kontroll-Freak, der seiner Freundin unter anderem drohte, sie „abzustechen“, wenn sie es wage, nach Rheindorf zu kommen und seiner Mutter etwas von ihrer Schwangerschaft zu verraten.

Dass auch Jacqueline E. verbal aggressiv vorging, ist bisher nur in einer Nachricht aufgeschienen. Darin hatte sie Ali L. als „Missgeburt“ und „Scheiß-Türken“ tituliert, dem sie „das Leben zur Hölle machen“ würde, wenn er sich gegenüber seiner Familie nicht endlich zu ihr und ihrem gemeinsamen Kind bekenne. Das wollte sie an jenem Freitagabend vor Allerheiligen erzwingen. Und hat es mit dem Leben bezahlt.