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EnergiewendeDie Leverkusener Gas-Pipeline geht ins deutsche Wasserstoffnetz

Lesezeit 3 Minuten
An der Ferngasleitung wird die letzte Schweißnaht gesetzt.

Am Freitag, 24. Februar 2023, wurde in Paffrath die letzte Naht der umstrittenen Ferngasleitung gesetzt. Bald soll sie Wasserstoff transportieren.

Die Leitung wurde nicht gewollt. Nun wird sie ganz wichtig – für den Umstieg auf grüne Energie.

Es ist noch gar nicht lange her, da wurde die neue Leitung rund um Leverkusen als unverzichtbar dargestellt – für den Transport von Gas. Nun ist sie fertig – und für Gas offenkundig nicht mehr so wichtig. Denn die gut 23 Kilometer lange Pipeline, die in Voigtslach beginnt und in Paffrath endet, wird Teil des Wasserstoffnetzes, das ab 2030 deutsche Fabriken mit alternativer Energie versorgen soll. Das geht aus dem Bewilligungsbescheid der Bundesnetzagentur hervor.

Betrieben wird sie weiterhin von Open Grid Europe und Thyssengas. Ende 2030 soll die Umstellung erledigt sein. Das ist ein Jahr früher als zunächst geplant. Die Umrüstung ist mit 14,5 Millionen Euro kalkuliert; der Bau der gut 23 Kilometer langen Pipeline hatte gut 70 Millionen Euro gekostet. Der Betrieb soll rund 600.000 Euro im Jahr kosten.

Frisch genehmigt von der Bundesnetzagentur

Wirtschaft- und Umweltminister Robert Habeck hat die „Wasserstoff-Autobahnen“ gerade in Berlin vorgestellt und als ganz wichtigen Bestandteil der Energiewende gepriesen. Das deutsche Wasserstoff-Kernnetz soll gut 9000 Kilometer lang sein, Verbrauchs- und Erzeugungsregionen für die Energiequelle erreichen und so „große Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore“ anbinden, schreibt die Bundesnetzagentur. In Betrieb gehen soll es bis 2032, einzelne Teile schon früher.

Mikrotunnel der Ferngasleitung unter der A3 und L 288.

Der Mikrotunnel unter der Autobahn 3 und der Landesstraße 288 hat beim Bau ziemlichen Ärger verursacht: Die Autobahn musste phasenweise gesperrt werden.

Zum Konzept gehört, dass längst nicht alle Leitungen neu gebaut werden, sonst wäre der Zeitplan niemals zu halten. Leverkusens Pipeline wird im Nordwesten an den Strang in Richtung Glehn in der Eifel angeschlossen, im Süden mit der Leitung nach Niederkassel verbunden. Auf diese Weise kommt die rechtsrheinische Chemieregion ans Netz. Auch auf der anderen Rheinseite ist ein Wasserstoff-Korridor geplant.

Eine neue Leitung für den Chempark Leverkusen

Leverkusen und sein Chempark werden zusätzlich mit einer neuen Wasserstoffleitung angeschlossen, zeigen Karte und Genehmigungstabelle der Bundesnetzagentur. Sie kommt von Recklinghausen, ist damit 87 Kilometer lang, ihr Bau ist mit 300 Millionen Euro kalkuliert, die Betriebskosten mit 2,4 Millionen im Jahr. Ende 2031 soll sie angeschlossen sein.

Ins Wasserstoff-Kernnetz sollen Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen wie im Chempark eingebunden werden. Es dient, so die Bundesnetzagentur, „der Dekarbonisierung folgender Industrien: Eisen und Stahl, Chemie, Raffinerie, Glas inklusive Glasfaser, Keramik und Ziegelprodukte. Außerdem soll das Netz die Importmöglichkeiten für Wasserstoff verbessern. Ganz wichtig ist natürlich der Anschluss von „Power-to-Gas“-Anlagen: Darin werden im Wege der Elektrolyse aus Wasser Sauer- und Wasserstoff gewonnen. Geschieht das mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, entsteht der begehrte „grüne“ Wasserstoff. Für den Chempark-Betreiber Currenta ist das der Weg der Wahl, um seine Großabnehmer Lanxess, Covestro, Kronos-Titan und in vergleichsweise geringem Umfang auch Bayer klimaneutral zu stellen.

Currenta arbeitet mit Thyssengas

Vor ziemlich genau einem Jahr hat Currenta deshalb mit Thyssengas einen Vertrag geschlossen, um den Chempark mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Das gilt nicht nur für Leverkusen, sondern auch für Uerdingen und Dormagen. Für den Chempark gegenüber muss dabei eine neue Pipeline nach Merkenich gebaut werden. Für die 18 Kilometer muss Thyssengas laut Bundesnetzagentur gut 42 Millionen Euro ausgeben. Sie soll indes schon Ende 2029 fertig sein.

Trasse der Gas-Pipeline auf dem Lucasweg zwischen Pattscheid und Balken

Auf dem Lucasweg zwischen Pattscheid und Balken hat die Pipeline deutliche Spuren im Wald hinterlassen.

Unterdessen verstummt die Kritik an der neuen Pipeline in Leverkusen nicht. Die Rekultivierung der Trasse ist nach Meinung von Bianca Hönekopp keineswegs gelungen: Auf dem Lucasweg zwischen Pattscheid und Balken sei nach dem Bau eine breite Trasse geblieben, vorher „war der Weg wunderschön“.

Auch Jörgen Erichsen ist nicht zufrieden mit der Rekultivierung. Der Schlebuscher stört sich an einer 300 bis 400 Meter langen Strecke im Wald Richtung Paffrath, die noch übel aussehe. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Stoff durchs Rohr fließt. Bis es grüner Wasserstoff ist, könnte indes auch buchstäblich Gras über die Sache gewachsen sein.