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Nach GipfelWas Politiker in Leverkusen und Umgebung von den Migrations-Beschlüssen halten

Lesezeit 5 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) äußert sich zusammen mit Boris Rhein (l, CDU), Ministerpräsident von Hessen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel im Bundeskanzleramt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) äußert sich zusammen mit Boris Rhein (l, CDU), Ministerpräsident von Hessen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel im Bundeskanzleramt.

Neun Stunden haben Kanzler Scholz und die Ministerpräsidenten beraten. Wir haben Reaktionen gesammelt.

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem „historischen Moment“, als er in der Nacht auf Dienstag, gegen 3 Uhr, die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels verkündete. Die Ministerpräsidenten und der Kanzler hatten unter anderem über die Migrationspolitik in Deutschland beraten. Viele Kommunen ächzen unter der finanziellen Belastung und darüber, dass es kaum noch Platz gebe, weitere Geflüchtete unterzubringen.

Herausgekommen bei den Beratungen ist eine Entlastung der Kommunen von insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro. Bund und Länder haben sich da in etwa in der Mitte getroffen. Konkret verabredet wurde eine Pro-Kopf-Pauschale von 7500 Euro pro Geflüchteter im Jahr. Der Bund wollte 5000 Euro geben, die Länder wollten 10.500 Euro haben.

Außerdem will die Bundesregierung prüfen, ob Asylverfahren auch außerhalb Europas abgewickelt werden können, in Deutschland sollen Asylverfahren grundsätzlich schneller bearbeitet werden. Ebenso möchte Deutschland an Grenzkontrollen festhalten. Künftig sollen nicht wie bisher 18, sondern 36 Monate Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlt werden, bevor reguläre Sozialhilfe fließt. Einen Teil der Leistungen sollen Asylbewerber demnächst auch nicht mehr ausgezahlt, sondern als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen.

Alles zum Thema Uwe Richrath

Leverkusen: Lauterbach ist für schnellere Rückführungen

Karl Lauterbach, Bundestagsabgeordneter der SPD für Leverkusen und Gesundheitsminister, hat selbst an den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern teilgenommen „bis fast 3 Uhr“, wie er dem „Leverkusener Anzeiger“ auf Anfrage schreibt. Er unterstütze das Ziel, dass Bund und Länder die Zahl neuer Geflüchteter begrenzen wollten, so Lauterbach weiter.

„Wir sind überlastet und eine Integration kann für so große Flüchtlingszahlen nicht mehr garantiert werden; andere europäische Länder tun zu wenig.“ Der SPD-Politiker fährt fort: „Die Rückführung von abgelehnten Flüchtlingen muss schneller und konsequenter geschehen. Unser Leistungsniveau führt zur Migration von Flüchtlingen innerhalb Europas nach Deutschland. Daher ist der Umstieg auf Sachleistungen richtig.“

Leverkusener CDU-Abgeordnete Güler: „Ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen“

Die Beschlüsse der Bund-Länder-Runde bewertet Serap Güler, Leverkusener Bundestagsabgeordnete für die CDU, derweil als „nicht ausreichend“. Sie seien lediglich „ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen. Unsere Kommunen können nicht mehr, sie gehen alle auf dem Zahnfleisch.“ Die Infrastruktur – bestehend aus etwa Kita- und Schulplätze sowie Wohnraum – sei überfordert. Deutschland werde bei der hohen Anzahl an Menschen dem Integrationsanspruch so nicht gerecht. „Menschen brauchen mehr als ein Dach über dem Kopf und eine Mahlzeit, um sich zu integrieren“, sagt die Politikerin. Das müsse jeder einsehen.

Serap Güler.

Serap Güler.

Es sei daher gut, dass die Länder und Kommunen bei den Versorgungskosten von Geflüchteten mehr entlastet werden sollen. Sie seien nach 2021, als die Beteiligung des Bundes von 40 auf 19 Prozent sank, mit der Finanzierung weitgehend allein gelassen worden, sagt die Christdemokratin. Deshalb müssten laut Güler Bürgermeister heute überlegen, „ob sie Sportstätten oder Bibliotheken schließen müssen, um die Flüchtlingskosten zu kompensieren“. Das sei dazu auch nicht förderlich für die Akzeptanz, Menschen in Not zu helfen.

Schlecht sei, dass am Montag keine Einigung zu Asylverfahren in Drittstaaten erzielt wurde. Das Antragsverfahren müsse nach außerhalb der EU verlagert werden, findet Serap Güler. Das Recht auf Asyl werde in Deutschland „immer mehr zum Recht des Stärkeren“. Nicht die Schwächsten oder Hilfsbedürftige kämen ins Land, sondern diejenigen, die stark genug für die gefährliche Route über das Mittelmeer seien. Überwiegend junge Männer, nicht Frauen oder Kinder, meint die Politikerin.

Nyke Slawik bewertet das Ergebnis zwiespältig

Die Leverkusener Bundestagsabgeordnete der Grünen Nyke Slawik meldete sich zwischen diversen Sitzungen, in denen es unter anderem um das Selbstbestimmungsgesetz ging, und bewertete die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels zwiegespalten. Zwar komme der Bund seiner Verantwortung nach, denn: „Länder und Kommunen werden entlastet, es wird mehr Geld bereitgestellt für die Unterbringung von Geflüchteten. Asylverfahren werden beschleunigt. Das ist gut!“, sagte sie.

Nyke Slawik.

Nyke Slawik.

Indes: „Dass es verstärkt Grenzkontrollen geben soll und Bezahlkarten für Geflüchtete, sehe ich durchaus kritisch.“ Menschen sollten selbst entscheiden können, wofür sie ihr Geld ausgeben, anstatt Gutscheine zu erhalten. Nyke Slawik betonte zudem: „Als Grüne haben wir uns dafür eingesetzt, dass Arbeitsverbote für Geflüchtete gelockert werden, also dass Menschen schneller in Arbeit kommen. Das ist wichtig für die Integration und hilft gegen den Fachkräftemangel in Deutschland.“

Leverkusens Oberbürgermeister Richrath: Deutschland muss sich zu Werten bekennen

Ähnlich sieht das auch Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath: „Wir benötigen qualifizierte Zuwanderung, um Antworten auf die Folgen des demografischen Wandels zu geben“. Es könne deshalb nicht Ziel sein, Deutschland für Geflüchtete pauschal unattraktiv zu machen.

Auch Leverkusen habe als Industriestadt einen hohen Fachkräftebedarf, sagt der SPD-Politiker. Deshalb hat man mit dem „Infopoint Integration“ eine Anlaufstelle für Menschen geschaffen, die in Leverkusen Fuß fassen möchten. Geflüchtete kämen so laut Richrath schneller in Sprach- und Qualifizierungsprogramme, wodurch wieder ein rascher Einstieg in Beschäftigung möglich sei. Damit sei die Stadt Land und Bund voraus. Damit diese Programme weiterhin erfolgreich sind, müssten bürokratische Hürden und Bewilligungsprozesse beschleunigt werden, meint Richrath: „Daher begrüße ich es sehr, wenn wir hier Tempo aufnehmen können“.

Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath.

Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath.

Für Richrath sei jedoch klar, dass Deutschland für diejenigen unattraktiv gemacht werden müsse, „die sich nicht an Regeln halten und da, wo das Asylrecht nicht greift.“ Grundsätzlich begrüßt der Leverkusener Oberbürgermeister die Beschlüsse. Aber Deutschland müsse sich auch zu dessen Werten bekennen, meint der SPD-Politiker: „Dies bedeutet, dass wir Menschen auf der Flucht helfen.“

Leichlingen: Bürgermeister begrüßt Entlastung

Frank Steffes, Bürgermeister von Leichlingen, begrüßt die Entlastung der Kommunen. Demnach stünden aller Wahrscheinlichkeit nach pro Monat 620 Euro zusätzlich zum bisherigen Stand nach Flüchtlingsaufnahmegesetz pro Geflüchteten zur Verfügung. „Vermutlich wird es trotzdem nicht reichen“, sagt der SPD-Mann. Steffes zeigt sich noch ein wenig skeptisch ob der Umsetzbarkeit der Beschlüsse. Auch das System mit den Bezahlkarten müsse mit den Kreditinstituten abgestimmt sein.

Frank Steffes.

Frank Steffes.

Grundsätzlich befürwortet Steffes auch die Grenzkontrollen. Denn das Recht auf Asyl, wie es jetzt besteht, sei damals auf anderen Annahmen eingerichtet worden. Die derzeitigen Flüchtlingsbewegungen seien so nicht mehr zu händeln. Dennoch müsse das Recht auf Asyl weiterhin grundgesetzlich garantiert bleiben.

Dirk Runge.

Dirk Runge.

Burscheids Bürgermeister Dirk Runge kommentiert: „Das Ergebnis stimmt mich nicht euphorisch. Wir werden trotzdem nicht auskommen. Aber jeder Euro hilft.“ Auf das Karten-Bezahlsystem ist Burscheids Bürgermeister gespannt. Er rechnet mit mehr Personalaufwand im Rathaus. Lieber wären ihm Wohnungen für Geflüchtete gewesen. Die Reserve beziffert er auf „20 bis 25 Plätze. Das ist auf Kante genäht“.