Trotz der malerischen Tallage, zeigen sich in Grund die Tücken, die Bäche und abschüssige Hänge mit sich bringen.
Auf den Grund gegangenWie Leverkusener mit dem Flutrisiko leben
Der Dartpfeil ist am Ende des Grundermühlenweges in Bergisch-Neukirchen gelandet. Hier an diesem beschaulichen Ort hört man mittags um 13 Uhr noch Hähne krähen. Spaziert man den Weg entlang, wird einem bewusst, dass „Grund“ hier tatsächlich wörtlich zu verstehen ist. Der Weg verläuft bergab und mündet, nachdem er unterhalb der Balkantrasse einen Tunnel passiert hat, in einem kleinen Tal an der dem Abriss bevorstehenden Grunder Mühle, in der laut einer Anwohnerin bis vorletztes Jahr noch Schnaps produziert wurde. Ein Erzeugnis habe sich „Kräuter“ genannt und sei „bekannt bis Gevelsberg“ gewesen.
Das Gespräch mit der Anwohnerin, die anonym bleiben möchte, entwickelt hin zu ihren persönlichen Erfahrungen mit Überschwemmungen, die ihnen hier im Tal schwer zu schaffen machen würden. „Der Regen hört auf, dann hört man ein Grollen und dann kommen oben von den Feldern Lehmmassen hier herunter in den Kessel“, schildert die Frau das bedrohliche Szenario.
Das Wasser sei dabei nicht das eigentliche Problem, sondern der von den dann gesättigten Feldern abgetragene Lehm, welcher sich, sobald er trocken sei, in einen modrigen Staub verwandle. Dementsprechend seien die Anwohner hier „den Wetterprognosen immer sehr hörig“ und sensibilisiert, wenn Starkregen angesagt ist: „Wir wissen, dass wir immer bereit sein müssen“, so die Anwohnerin.
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Leverkusener Ölbach ist kein Risikogewässer
Die besondere topografische Lage hier am Grund mache den Ort um den Ölbach besonders anfällig für Überschwemmungen, erklärte die Anwohnerin. Insofern seien sie auch besorgt darüber, wie sich die Dinge entwickeln würden, wenn die Mühle weg sei und nicht mehr große Teile des Wassers abfange.
Diese Frage kann der Wupperverband beantworten: Der Ölbach sei nicht als Risikogewässer eingestuft, weshalb der Plan „Zukunftsprogramm Hochwasserschutz“ keine entsprechenden Vorkehrungen vorsehe. Darüber hinaus sei grundsätzlich jeder Anlieger dazu verpflichtet, Eigenvorsorge zu betreiben und sein Grundstück durch individuelle Maßnahmen zu schützen.
Präventive Eigenvorsorge gegen Überschwemmungen ist bei den Anliegern hier an der Grunder Mühle normal. Die Anwohnerin zeigt ihren privaten Sandsäcke-Bestand, der griffbereit in der Nähe des Tores zur Einfahrt positioniert ist. „Wir hatten das immer mal wieder, dass der Lehm ins Haus reinlief“, begründet sie diesen Schritt. „Uns ist klar, dass wir uns selbst helfen müssen, weil wir bei der Freiwilligen Feuerwehr nicht gerade Prio eins sind, wenn anderswo Keller leer gepumpt werden müssen.“
Feuerwehr muss nach Risikolage priorisieren
Dies bestätigt auch der Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Leverkusen, Georg Jancke, im persönlichen Gespräch, der von 1995 bis 2022 Zugführer des Löschzuges Bergisch-Neukirchen gewesen ist: „Was ist jetzt wichtiger? Dass bei einem Anwohner schlammiges Lehmwasser über die Straße läuft und eventuell die Garage flutet oder, dass in Schlebusch die Dhünn über die Ufer tritt und die Notstromversorgung vom Klinikum gefährdet ist. Diese Priorisierung erklärt sich von selbst.“ Dementsprechend sei es sinnvoll, wenn sich die Anwohner eigenständig mit Sandsäcken eindecken würden, erläutert Jancke: „Bis die Sandsäcke zentral kommen, das dauert seine Zeit.“
Hinsichtlich der Überschwemmungsbekämpfung sieht Jancke die Feuerwehr Leverkusen insgesamt aber gut aufgestellt: „Jedes Jahr nach jedem Flutereignis haben wir weiter aufgestockt. So existiert beispielsweise eine Sandsackfüllmaschine, es gibt einen Löschzug, der auf das Füllen von Sandsäcken spezialisiert ist, es wird eine größere Anzahl Sandsäcke vorgehalten, es werden andere Einsatzfahrzeuge als früher beschafft, die eine bessere Wasserdurchfahrtstiefe haben. Da wird von Seiten der Berufsfeuerwehr schon sehr präventiv vorgearbeitet.“
Starkenregenereignisse kommen häufiger und intensiver
Auch die Mannschaftsstärke sei zufriedenstellend, so Jancke: „Hier in Bergisch-Neukirchen sind wir nach Feierabend und am Wochenende innerhalb von gut fünf Minuten mit zwölf bis 17 Personen einsatzbereit.“ Die Einschränkung „nach Feierabend“ sei wichtig, denn „wir sind alle berufstätig“, betont Jancke. Bei extremen, mehrtägige Einsätze erfordernden Ereignissen, wie den zurückliegenden Überflutungen, müsse der Arbeitgeber freistellen und auch den Lohn weiter bezahlen, erklärt der ehemalige Löschzugführer. Zwar erstatte die Stadt diese Lohnfortzahlung, aber ein Handwerksbetrieb blicke bei einem dringenden Auftrag natürlich anders auf dieses Thema. Dennoch bekräftigt Jancke: „Alle Arbeitgeber, mit denen wir zu tun hatten, haben in der Vergangenheit sehr großzügig die Freistellungen erteilt, wofür wir sehr dankbar sind.“
Nichtsdestoweniger nimmt auch der seit 1976 aktive Feuerwehrmann wahr, dass durch die globale Erwärmung die Starkregenereignisse deutlich zugenommen haben: „In dem Ausmaß, wie wir sie die letzten zwei, drei Male, gerade im Bereich Atzlenbach und Grund, hatten, sind die früher nicht aufgetreten.“ Auch wenn das jeder für sich selbst entscheiden müsse, stehe für Jancke fest, dass er heutzutage „in so einer Tallage mit Sicherheit nicht bauen“ würde. Dennoch sei es nicht Aufgabe der Feuerwehr, in dieser Frage Ratschläge zu erteilen: „Wir kommen immer dann, wenn irgendetwas passiert ist. Prävention bezieht sich bei uns darauf, dass wir auf die möglichen Einsatzgeschehen vorbereitet sind – durch Ausbildung, durch entsprechende Ausrüstung und Manpower.“
Die Serie
In unserer Serie „Unterwegs in …“ werfen unsere Autorinnen und Autoren mit einem Dartpfeil auf die Landkarten von Leverkusen, Leichlingen und Burscheid. Dort, wo der Pfeil einschlägt, verbringen sie eine gewisse Zeit und schreiben darüber.