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Morsbroicher KunsttageWie Mirjam Baker den Betrachter in ihre Farben hineinzieht

Lesezeit 4 Minuten
Die österreichische Künsterlin Mirjam Baker stellt in den Räumen des Kunstvereins Leverkusen aus.

Die österreichische Künsterlin Mirjam Baker stellt in den Räumen des Kunstvereins Leverkusen aus.

Mirjam Baker zeigt in den Räumen des Kunstvereins Leverkusen in Schloss Morsbroich unter anderem zwei Filme.

Irgendwann stellt sich der Effekt ein, auf den Mirjam Baker gehofft hat. Es dauert etwas. Dann ergibt auch der Titel Sinn. „Tief in den Bildern“. Zunächst erscheint der Staub, der dem Videokunstwerk von Baker seinen Namen gibt, wie ein Flirren auf der Leinwand. Irgendwann werden daraus Formen. Für jeden andere. Mit jeder der zwölf Farben, die etwa eine Minute lang wimmelnd zu sehen sind, ändert sich die Sichtweise etwas. Mal grell, mal warm – aber immer tief.

Baker, Jahrgang 1985, kommt aus dem österreichischen Melk. Mit ihrer Ausstellung liefert sie den Beitrag des Kunstvereins Leverkusen zu den Morsbroicher Kunsttagen, die am kommenden Wochenende stattfinden. Baker lebt und arbeitet seit 2014 in Köln mit Film und Malerei. Studiert hat sie am Royal College of Art in London und an der Fachhochschule St. Pölten. Der Kontakt nach Leverkusen kam über den Leverkusener Hobby-Galeristen Jörg Jung zustande, beziehungsweise über einen gemeinsamen Freund.

Zwei Filme werden Teil der Ausstellung sein. „Dust“, also „Staub“ entstand in etwa eineinhalb Jahren von 2017 bis 2019. Das Konzept: Baker hat verschiedene Farben mit einem Schwamm auf Din-A4-großem Papier aufgetragen. Die jeweilige Farbe ist auf jedem dieser Pastelle in unterschiedlicher Intensität zu sehen. Mal stärker, mal schwächer. Was alle gemeinsam haben: eine Horizontlinie. Etwas zum optischen Festhalten.

Ich wünschte, die Bilder würden das Denken einfach ersetzen.
Mirjam Baker

Die Bilder hat sie dann für den zwölf Minuten und 55 Sekunden langen Animationsfilm „Dust“ hintereinander geschnitten. Die verschiedenen Farben der jeweiligen Bilder ergeben irgendwann einen Fluss. Etwas, in das man tief hineinschauen kann. Was dann zu sehen ist, mag für jeden Betrachter unterschiedlich sein. Spannend: Trotz der horizontalen Bildanordnung durch die Mittellinie geht die Wahrnehmung nach innen, nicht zu den Seiten. Wie auf einer Straße. Nur, dass keine Straße zu sehen ist. Unterlegt sind die Farbwelten vom Rauschen einer tonlosen Bassflöte.

Die zweite Installation, die ab Freitag gezeigt wird, ist eine Weltpremiere. „Höhlenlicht“ heißt sie. Hunderte verschiedene geformte Papiermaché-Zapfen hat Baker in 5433 Einzelbildern festgehalten und die dann in rasender Geschwindigkeit hintereinander geschnitten. „Zustand einer delirierenden Überforderung“ heißt es in einem Begleittext zum 2022 fertiggestellten Film. Anders als bei „Dust“ hat die hastige Aneinanderreihung der schwarz-weiß Fotografieren einen weniger hypnotischen, aber dafür fast rauschhaften Charakter. Irgendwann glaubt der Betrachter, Felsbrocken in den schnell aufeinander folgenden Papierformen zu erkennen. Dazu trägt der Ausstellungsbesucher Kopfhörer. Also eine Akustik ohne Akustik.

„Ich wünschte, die Bilder würden das Denken einfach ersetzen“, sagt Baker über ihre Arbeit. Dabei geht es ihr auch um den Prozess des In-die-Tiefe-Gehens an sich. Darum, sich darauf einzulassen, die Fantasie durch das Gesehene eigene Formen bilden zu lassen. „Wenn man mindestens sechs Minuten sitzen bleibt und sich darauf einlässt, beginnt man irgendwann alles loszulassen“, beschreibt Jörg Jung die Wirkung, die Bakers Kunst auf ihn hat.

Die beiden Videoinstallationen werden in zwei verschiedenen Räumen an die Wand projiziert. Außerdem werden die in den Filmen verarbeiten Werke und Objekte gezeigt.


Morsbroicher Kunsttage

Die Einzelausstellung ist Teil der Morsbroicher Kunsttage, die vom 31. Mai bis zum 2. Juni stattfinden. Das Thema lautet: „Das Hierglände – oder: Morsbroich als Ortschaft“. Fragen wie „Welche Formen eines neuen Miteinanders wollen wir?“ und „In welchem Verhältnis stehen lokales Handeln und globale Eingebundenheit?“ eröffnen neue Blickwinkel auf das Hier-sein und betrachten die Relevanz des Schloss Morsbroich und seinen Standort.

Die Morsbroicher Kunsttage eröffnet der Kunstverein Leverkusen am Freitag, dem 31. Mai, um 19.30 Uhr mit der Ausstellung von Mirjam Baker. Anschließend werden Poetry-Slams vorgestellt und es gibt Waffeln. Der Schwerpunkt der dreitägigen Veranstaltung liegt auf den Vorträgen von Christian Jacobs von der Werkstatt Morsbroich und Jörg van den Berg, dem Direktor des Museums, sowie Margit Czenki und Christoph Schäfer von Parklabyr. Jacobs und van den Berg stellen am Samstag, dem 1. Juni, um 15 Uhr das Zukunftsmodell eines „Museum als Gabe“ zur Diskussion. Am Sonntag, dem 2. Juni, präsentieren Czenki und Schäfer das Wunscharchiv zum Schlosspark, an dem sich mehr als 1000 Menschen beteiligt haben. Zudem sind Kinder und Familien herzlich eingeladen, an Workshops und Familienaktionen teilzunehmen. Alle Veranstaltungen und Ausstellungen im Museum Morsbroich und Kunstverein Leverkusen sind an den Kunsttagen kostenlos. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage. (vig)