Leverkusen/Berlin – Dass nicht der Bundesverkehrsminister höchstpersönlich die Protestunterschriften in Empfang genommen hat, damit haben sie gerechnet. Aber auf irgendwen aus dem Staatsekretariat hatten die Bürgerinnen und Bürger und Organisator Arthur Horvath dann doch gehofft. Es wurden zwei Kisten, in und auf die die Verantwortlichen die Bündel mit den Signaturen dann letztendlich drapierten – nachdem eine leicht überfordert wirkende Ministeriumsmitarbeiterin in der Pförtnerloge lapidar gemeint hatte: „Es nimmt die Unterschriften niemand in Empfang. Legen Sie sie doch einfach dort hin.“
60 Leverkusenerinnen und Leverkusener, ein Ziel: vor dem Bundesverkehrsministerium an der Invalidenstraße in Berlin ihren Protest, ihren Unmut und ihre Wut gegen den geplanten Autobahnausbau der A1 und A3 hervorzubringen. Gegen die gigantische Baustelle, in die die Stadt sich verwandeln würde. Mit an Bord: Politikerinnen und Politiker – es waren alle Parteien bis auf die Bürgerliste, Aufbruch Leverkusen und die AfD vertreten –, aber auch betroffene Bürger. Einige reisten per Bahn an, Oberbürgermeister Uwe Richrath nahm das Flugzeug. Der Großteil aber fand sich Freitag um 4 Uhr am Wiesdorfer Busbahnhof ein.
Es hatte etwas von einer Klassenfahrt: Wer sitzt wo, „will jemand Muffins?“, die Süßigkeiten-Box ging nach der ersten Pause herum, in der zweiten wurden schonmal die Atemmasken anprobiert, die die Protestler vor dem Ministerium medienwirksam tragen wollten.
Auch Jutta Petri sitzt im Bus. Sie engagiert sich bei der Schleswig-Holstein-Interessengemeinschaft. Selbst wenn ihr Grundstück nicht direkt vom Ausbau betroffen ist, macht sie sich Sorgen. Die Baustelle in der Stadt auf Jahre, ob das nicht Schäden an den Häusern gibt und überhaupt: "Was sind unsere Immobilien nachher noch wert?"
Sonja und Holger Halacz kommen aus Lützenkirchen, sie machen bei „Lev kontra Raststätte“ mit, da sie von der A1-Raststätte betroffen wären. Den Protest gegen den Autobahnausbau wollen sie „insgesamt mit unterstützen“, sagt der 58- jährige Holger Halacz. Seine Frau Sonja fügt hinzu, welche Möglichkeiten man in Leverkusen hätte, wenn der A1- Tunnel käme. „Das könnte ein riesengroßes Freizeitareal werden.“ Auch die BayArena hätte ganz andere Möglichkeiten, sich auszubreiten.
60 Protestler in Berlin
Mittlerweile ist es Mittag, der Bus schiebt sich durch die Berliner Straßen, weniger Baustellen haben sie hier auch nicht als in Leverkusen. Am Ministerium stoßen die weiteren Protestler zur Gruppe hinzu. Hauptorganisator Arthur Horvath dirigiert, verteilt Fahnen, erklärt die Vorgehensweise. Auch Ilse und Rolf Luxem sind da, ihr Garten ist von den Plänen ganz konkret bedroht, energisch greifen sie sich zwei Fahnen.
Die Lade mit den Unterschriften wird an den Eingang des Ministeriums gerollt, jede Partei darf sich äußern, es kommt sogar etwas Stimmung auf, als jemand anfängt, „Keinen Meter mehr" zu skandieren. Als es darum geht, die Unterschriften ins Gebäude zu bringen, kommt die Enttäuschung. Die Polizei lässt nur wenige Leute ins Gebäude. Rigoros wird dem Rest der Zutritt verwehrt. Und dann noch die Mitarbeiterin am Schalter. Am Ende liegen mehrere Packen mit den Unterschriften und dem Logo einfach in der Eingangshalle.
Die Leverkusener quittieren das mit Buhrufen vor dem Gebäude. „So geht man mit uns um“, bedauert Ratsmitglied Gisela Kronenberg.
Nach nur knapp 20 Minuten ist die Protestaktion beendet. Unter den Parteien herrscht eine ähnliche Gefühlslage vor: „Ernüchternd und unprofessionell“ (CDU), „traurig“ (SPD), „Ignoranz“ (Opladen plus), dass niemand aus dem Verkehrsministerium die Unterschriften persönlich entgegengenommen hat. Aber genau so sind sich alle einig, dass die Aktion dennoch gut war. Die Politik habe mit einer Stimme gesprochen, über die Parteigrenzen hinweg. Man habe Flagge gezeigt und klar: Man wolle weiterkämpfen. So viel Einigkeit ist in Leverkusen tatsächlich selten.
Und die Luxems? Sie hätten ein paar mehr Teilnehmende erwartet und sich gewünscht, aber sie geben sich kämpferisch: „Wir demonstrieren weiter.“