Leverkusen – Es war kurz vor Ende der fast fünfstündigen Sitzung des Hauptausschusses, der unter außergewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen im Terrassensaal des Forums tagte, als sich die Gelegenheit bot, auch mit Mund-Nase-Schutz Dampf abzulassen. „Bauzeitverzögerung an der Autobahnbrücke“ hieß es unter Tagesordnungspunkt 26. Es hätte auch heißen können: „Warum hat man uns nicht informiert?“
Die meisten Leverkusener Kommunalpolitiker erfuhren es vor einer Woche aus dieser Zeitung, Oberbürgermeister Uwe Richrath ein paar Stunden früher, weil unsere Redaktion ihn gefragt hatte, ob er über Pannen am Bau und Streitigkeit zwischen Straßen NRW und der beauftragten Baufirma Porr informiert sei. Der Rathauschef war es nicht. Niemand in Leverkusen hatte von der Landesbehörde erfahren, dass aus China angelieferte Stahlbauteile als nicht tauglich befunden worden waren, was sich schon im Februar herausgestellt hatte. Und auch nicht darüber, dass Asbest und PCB-Abstriche den Abriss der alten Brücke komplizieren, verzögern und erheblich verteuern würden.
„Skandal“, „Debakel“, „hinterhältige Sauerei“ waren nun die Kommentare im Hauptausschuss. Hatte das Land doch im Vorfeld der Autobahnbaustelle eine vorbildliche Kommunikation versprochen und einen Projektbeirat ins Leben gerufen, in dem alle Beteiligten in Leverkusen jederzeit alles Wichtige erfahren sollten. Das Gegenteil sei der Fall gewesen, heißt es nun.
Telefonat vier Stunden später
Oberbürgermeister Richrath bestätigte in der Sitzung, dass er erst am 17. April durch einen Anruf des „Leverkusener Anzeiger/Kölner Stadt-Anzeiger“ von den Problemen beim Brückenbau erfahren habe. Vier Stunden nach dem Telefonat meldete sich dann der Staatssekretär im Landesverkehrsministerium, Hendrik Schulte, ebenfalls telefonisch, und bestätigte „massive Probleme“ mit der Stahlqualität. Auf ein Schreiben, dass er tags darauf an Straßen NRW mit der Bitte um Informationen gesendet hat, habe er bisher eine Antwort erhalten, so der Rathauschef. Leverkusen brauche aber eine schnelle Lösung, eine funktionierende Rheinquerung, weil diese von enormer wirtschaftlicher Bedeutung sei.
Das Misstrauen und die Empörung, die sich in der Sondersitzung Luft verschafften, fielen nach Temperament unterschiedlich aus. Während die CDU versuchte, die Kritik an ihrem Verkehrsminister Hendrik Wüst in andere Bahnen zu lenken und Fraktionschef Stefan Hebbel daran erinnerte, dass die Ausschreibung der Arbeiten unter dem SPD-Minister Michael Groschek erfolgt sei, konterte SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Ippolito mit dem Hinweis, den Auftrag habe der amtierende Minister von der CDU erteilt. Er sprach von einem Debakel, einer kommunikativen Katastrophe, weil die Oberbürgermeister von Leverkusen und Köln nicht informiert worden seien. „Ich bin fast vom Sofa gefallen, als ich den Bericht in der Zeitung gelesen habe!“ Richrath solle Minister Wüst eine „wenig freundliche Einladung“ schicken. Damit schloss er sich der Auffassung von Roswitha Arnold (Grüne) an, man solle den Minister „hierher zitieren“, am besten in gemeinsamer Aktion mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, den benachbarten Landräten und Unternehmenschefs. Erhard Schoofs (Bürgerliste) unterstellte dem Land eine bewusste und systematische Irreführung der betroffenen Kommunen. Am Ende fiel der Beschluss, den Minister einzuladen, einstimmig.
Die Einladung muss noch ausgesandt werden. Eines hat immerhin schon geklappt: Von der Kündigung des Auftrages an die Baufirma Porr hat Richrath diesmal nicht aus der Zeitung erfahren, sondern von Minister Wüst höchstpersönlich.