Rund 7000 Bedürftige haben seit Jahresanfang kostenlos gebrauchte Alltagsgegenstände erhalten.
Leverkusens „Tafel der Dinge“Eine zweite Chance für Gebrauchtes
„Kochtöpfe und Pfannen“, sagt Pia Wimmershoff ohne zu zögern auf die Frage nach den begehrtesten Waren. Sie leitet die Spendenannahme im Kommunalen Hilfezentrum „Tafel der Dinge“ des Job-Service Leverkusen, Beschäftigungsförderung gGmbH, die sich in kurzer Zeit zu einem Erfolgsmodell entwickelt hat.
Die soziale Einrichtung der Stadt besteht seit März vergangenen Jahres und hat sich in einer Zeit unentwegter Krisen bereits vielfach bewährt, so auch während Corona, nach dem Hochwasser, dem Erdbeben in der Türkei und während des Krieges in der Ukraine. Allein in diesem Jahr haben mehr als 3000 Personen in Leverkusen ihr Alltagsgegenstände gespendet. Und über 7000 Tafel-Kunden haben davon profitiert.
Ein lobenswertes Beispiel dafür, wie mit klügerem Konsum und der Wiederverwendung von gut erhaltenem Gebrauchtem der Verbrauch eingeschränkt werden kann und damit die Ressourcen der Erde geschont werden können. Das findet man im Naturgut Ophoven, das als Umweltzentrum aufklärerisch wirken will und für die „Tafel der Dinge“ wirbt.
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Bald ist „Weltüberlastungstag“
Schließlich ist gerade für diese Woche, genau: den 2. August, der „Weltüberlastungstag“ ausgerechnet worden, eine mahnende Marke für die Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen auf einem über die Maßen ausgebeuteten Planeten. Dieser Tag, international bekannt als „Earth Overshoot Day“, markiert im Kalender jenen Zeitpunkt, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde innerhalb eins Jahres zur Verfügung stellen kann.
Das Datum lag 1987 noch auf dem 19. Dezember, vergangenes Jahr war es bereits der 28. Juli, nun eben – geringfügig verbessert – der 2. August. Oder anders gerechnet: Die Menschheit bräuchte 1,7 Erden, um bei dem gegenwärtigen Lebensstil eine Überlebenschance zu haben. So hat es die Forschungsorganisation Global Footprint Network berechnet. Das Fazit: „Ab dem 2. August leben wir auf Pump – auf Kosten künftiger Generationen.“
„Unsere enorme Kauflust ist ein wichtiger Grund für die Ausbeutung der Erde“, sagt Marianne Ackermann, die Vorsitzende des Fördervereins Naturgut Ophoven. Je mehr neu gekauft werde, umso mehr werde produziert, würden Rohstoffe verbraucht und die Umwelt strapaziert. Dabei gehe Konsumieren auch umweltfreundlich, wenn eben nicht immer alles neu sein müsse. In nahezu allen Stadtteilen gebe es Angebote in Second-Hand-Läden, Vintage-Mode sei in und manche gebrauchte Waren seien sogar von besserer Qualität, findet auch Britta Demmer vom Naturgut. Nur kann sich selbst Gebrauchtes nicht jeder leisten.
Womit nun die „Tafel der Dinge“ in den Fokus rückt, eine Einrichtung, die Geschäftsführer Thomas Schorn für den Job-Service Leverkusen vor über einem Jahr an den Start gebracht hat. Längst brummt der Betrieb an der Humboldtstraße in Opladen, direkt hinter dem Künstlerbunker Karlstraße gelegen. Die Annahmestelle für Spenden von Privatleuten ist stark frequentiert. Haushaltsauflösungen, Entrümpelungen von Kellern oder Kleiderschränken sind meist der Anlass. „Es gibt so viele Dinge, die nicht mehr benötigt werden, aber zu schade sind, um sie wegzuwerfen“, sagt Pia Wimmershoff, die die Annahme- und Sortierstelle leitet.
Es geht um blanke Armut
Neben der Ausgabestelle in der Humboldtstraße 50, in der ausschließlich an nachweislich Bedürftige Waren kostenlos abgegeben werden, gibt es drei weitere, an Notunterkünften in der Josefstraße, der Olof-Palme-Straße und im Quartierszentrum Rheindorf-Nord. Hier werde nicht geschnorrt, stellt Thomas Schorn klar: „Hier geht es um blanke Armut und darum, dass bedürftige Menschen würdevoll unterstützt werden.“
Rund 80 Prozent der Tafel-Kundschaft seien Frauen mit Kindern, schätzt Schorn. Die Beschäftigte im Hilfezentrum sind in der Regel zuvor lange Jahre Arbeitslose, die sich auf dem Weg zurück ins Berufsleben befänden. „Das ist ganz wichtig: Es besteht ein Kontakt auf Augenhöhe, hier wird menschlich respektvoll miteinander umgegangen.“
Besonders gefragt sind stets Haushaltsgegenstände wie Geschirr, Glas, Bestecke, gut erhaltene Kleidung ohne Mängel, Werkzeuge, Kinderspielzeug, Schulranzen, Fahrräder, Gehstöcke und Rollatoren, Bücher und Schallplatten. Wichtig ist, dass alle Spenden funktionstüchtig und sauber sind – was extrem selten nicht der Fall ist. Nicht angenommen werden sperrige Möbel, Elektrogeräte sowie unhygienische Artikel wie Teppiche, Matratzen, getragene Unterwäsche oder Socken.
Jeden Dienstag ist Aufräumtag, dann wird die Ausgabestelle neu geordnet und aufgerüstet – am Mittwoch ist der Andrang dann deutlich stärker. Rund 300 Kundinnen und Kunden suchen pro Woche die „Tafel der Dinge“ allein in Opladen auf, die Wert darauf legt, keine Konkurrenz zum Second-Hand-Einzelhandel zu sein. „Viele, die uns besuchen, kennen wir schon durch die Betreuung in den entsprechenden Einrichtungen und Schulungen“, berichtet Thomas Schorn. „Hier verirrt sich kein Schnäppchenjäger hin.“
Dennoch, so wirbt das Naturgut Ophoven, sollten alle Menschen ihren Konsum hinterfragen und öfter zur Wiederverwendung von Gebrauchtem greifen. Das sei billiger, nachhaltiger, umweltschonend und verantwortungsvoller. Ein Beispiel dazu soll auch wieder einer der selten gewordenen Trödelmärkte in Leverkusen geben: am 23. September zum Burgfest auf Gut Ophoven.
Der Weg zur Wiederverwertung
Private Spenden nimmt das Kommunale Hilfszentrum Tafel der Dinge zu seinen Öffnungszeiten entgegen, von Montag bis Donnerstag jeweils von 8 bis 15 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr. Nachfragen beantwortet Pia Wimmershoff unter pia.wimmershoff@joblev.de.
Auch die Avea nimmt am Eingang ihres Wertstoffhofes in der Fixheide Gebrauchtgegenstände zur Wiederverwendung entgegen und betreibt darüber hinaus einen Tauschmarkt im Internet unter https://leverkusen.verschenkmarkt.info/01/. Auch gut erhaltene Möbel und funktionstüchtige Elektrogeräte finden hier neue Besitzer.