Die beiden jungen Kuratorinnen Miriam Edmunds und Maxie Fischer bespielen das Museum sowie den Kunstverein Leverkusen mit Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstlern.
MorsbroichZwei Kuratorinnen toben sich in Leverkusens Museum und Kunstverein aus
Sie haben ein bisschen getrickst in Morsbroich, um den kommenden Samstag, 27. Januar, nicht nur zum wichtigen Tag einer Ausstellungseröffnung zu machen. Sondern gar zu einem gehörig wichtigen Tag. Denn an diesem Datum auf den Tag genau vor 73 Jahren wurde das Museum hierzulande als erstes Hauses für zeitgenössische Kunst nach dem Krieg eröffnet. Das muss natürlich gefeiert werden.
Ebenso wie der Umstand, dass der Kunstverein Leverkusen – traditionell gleich nebenan in den Remisen des Schlosses beheimatet – runde 70 wird. Zwar erst im kommenden Oktober, weswegen eine Feier zum jetzigen Zeitpunkt streng genommen viel zu früh kommt. Aber, wie dessen Vorsitzende Susanne Wedewer sagt. „Das haben wir für diese Ausstellung mal außer acht gelassen und uns auf das Jahr 2024 an sich konzentriert, nicht auf den genauen Tag.“ Eben mit andern Worten: Es wurde getrickst. Was letztlich vollkommen egal ist. Denn es kommt ja am Ende auf das an, was nun hier gezeigt wird. Und das ist viel zu interessant, um sich allzu lange mit geburtstagsfeierlichem Erbsenzählen aufzuhalten.
Zwei freie Kuratorinnen
Die Hauptrolle spielen aktuell die beiden jungen freien Kuratorinnen Miriam Edmunds und Maxie Fischer. Die eine kommt aus Basel in der Schweiz. Die andere aus Berlin. Beide werden im Rahmen des von der Kunsthalle Münster aufgelegten Programmes „Residence NRW+“ in ihrer kuratierenden Tätigkeit gefördert, erhielten Stipendien – und die Möglichkeit, in Morsbroich eine Ausstellung gemeinsam zu konzipieren. Den 73. Gründungstag des hiesigen Museums, den 70. Gründungstag des Kunstvereins und die örtliche Nähe beider Institutionen bezeichnen beide als Herausforderung wie Glücksfall gleichermaßen. Da gelte es schließlich, ihrer Relevanz für die Kunst und Kunstszene gerecht zu werden. Und habe eine einmalige Möglichkeit, an einem solchen Ort gestalterisch tätig zu werden und Meriten zu sammeln. Was beide denn auch zweifelsohne tun.
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Sie statteten im Museum Teile des Erdgeschosses und des zweiten Obergeschosses sowie die beiden Räume der Galerie des Kunstvereins mit Arbeiten von Jennifer Bannert, Berit Schneidereit, Liv Burkhard, Kim da Motta und Jens Klein aus. Die drehen sich um die Vergänglichkeit politischer Systeme, intime Einblicke in menschliche Alltagsleben, das Zusammenspiel von Wissenschaft und Natur. Sprich: Sie loten Grenzen aus. Bewegen sich am Rande von Gesellschaften, Empfindungsskalen, ethischen Werten.
Alltag einer Großmutter
Beeindruckend ist vor allem erstens der Film, den Liv Burkhard aus der Schweiz von ihrer Großmutter drehte: Lange Zeit begleitete sie deren Alltag mit der Kamera, zeigte einen Blick auf die Vergangenheit ebenso wie einen auf die Gegenwart, in der der Mensch sich bewegt. Nach ihrem Tod schrieb sie weiter Karten und Zettel an die Verstorbene, stellte ihr Fragen zum Leben und Erleben, die sie als Enkelin zu Lebzeiten nie losgeworden war – und machte auch diese zu einem Bestandteil ihrer Kunst.
Zweitens sind da die Fotografien des Jens Klein, die in den Schloss-Remisen gezeigt werden. EineTeil davon stammt aus den Archiven der DDR-Staatssicherheit und zeigt Menschen, die beobachtet und abgelichtet wurden. Nicht von irgendeiner automatischen Kamera. Sondern sichtlich von einem Menschen hinter der Linse, der das Motiv quasi als Autor oder Autorin komponiert.
Der andere Teil zeigt „Deutsche beim Schlafen“ auf Bildern, die Klein auf Flohmärkten oder in privaten Archiven im Internet fand und die aus verschiedenen Zeiten stammen – ausgehend von der Weimarer Republik über die Zeit des Nationalsozialismus, des Wiederaufbaus, des Kalten Krieges bis in die frühen 1990er-Jahre. Und jedes Bild ist eine Gratwanderung am Rand der Deutungsmöglichkeiten: Es werden Soldaten gezeigt – die womöglich auf dem Weg in den Krieg sind? Frauen alleine oder mit Kind im Bett – weil der Mann womöglich an der Front kämpft? Menschen schlafen auf Blümchenmatratzen – zur Zeit des Wirtschaftswunders? Ein Kind liegt sichtlich erschöpft zwischen Koffern – auf der Flucht?
Letztlich sieht man an beiden Orten – dem Museum wie dem Kunstverein – wie ausgiebig und begierig sich die beiden Kuratorinnen auf ihre Aufgabe des Bespielens der Räume eingelassen haben. Und man versteht sehend, warum sie so glücklich über diese Chance, aktiv werden zu dürfen, sind. „Frei Tätige wie wir benötigen nun einmal Museen und Kunstvereine, die uns den Platz und Ort geben, um kuratieren zu können“, sagt Maxie Fischer.
„An den Rändern“ wird am Sonntag, 27. Januar, um 18 Uhr im Museum eröffnet und ist dort bis zum 24. März zu sehen. Am Sonntag, 18. Februar, gibt es um 15 Uhr einen Rundgang mit den Kuratorinnen. Am Tag der Finissage bieten sie um 15 Uhr gemeinsam mit Susanne Wedewer vom Kunstverein und Thekla Zell als Kuratorin des Museums eine Gesprächsrunde an. Die Öffnungszeiten des Museums sind von Dienstag bis Sonntag sowie feiertags von 11 bis 17 Uhr. Die des Kunstvereins sind freitags von 13 bis 17 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr.
www.museum-morsbroich.de
www.kunstverein-leverkusen.de
www.residencenrw.de