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SPD: Machtwechsel nach KampfabstimmungPolitisches Hackfleisch in der Arena

Lesezeit 5 Minuten

Die Parteimitglieder saßen mit Abstand zueinander in der Halle, statt Gedränge beim Abstimmen gab es Urnen-Schieber.

  1. Die seit Monaten in zwei Lager gespaltene SPD traf sich in der Ostermannarena zur Wahlkreiskonferenz.
  2. Gegen die Empfehlung der eigenen Wahlkreiskommission stellte das „Team Moderne“ um Ratsfrau Milanie Hengst eigene Kandidaten für die Wahlkreise und den Stadtrat auf.
  3. Es kam zur Kampfabstimmung, aus der Hengst als neue Spitzenkandidatin für die kommende Kommunalwahl hervorging.
  4. Die Unterlegenen um Parteichef Jonas Berghaus und den Farktionsvorsitzenden Peter Ippolito zeigten sich als schlechte Verlierer.

Leverkusen – Es klang zunächst einmal nach gemütlicher Kaffeetafel, als SPD-Chef Jonas Berghaus in der Ostermannarena an das Mikrofon trat und diesen denkwürdigen Parteitag eröffnete: Jene Liste, die von den Mitgliedern der Wahlkommission im Vorfeld erstellt worden war und die regeln sollte, welche Genossinnen und Genossen bei der Kommunalwahl im September in den Rat der Stadt einziehen, sei „kein trockener Streuselkuchen, sondern eine sozialdemokratische Sahnetorte“. Sprich: Ein aus seiner Sicht perfekter Kompromiss zwischen den beiden seit Monaten verfeindeten Gruppen innerhalb der Partei. Was dann folgte, war allerdings weniger süß als vielmehr deftig. Politisches Hackfleisch statt zartes Gebäck.

Lautstarker Berghaus

Denn dass sich die eine Gruppe um Ratsmitglied Milanie Hengst sowie die im vergangenen Jahr zugunsten von Berghaus ausgebootete Ex-Parteivorsitzende Aylin Dogan im Vorfeld selbstbewusst „Team Moderne SPD“ genannt und angekündigt hatte, per Kampfkandidatur alternative Bewerber für die in Sachen Stadtrat maßgebliche Reserveliste sowie die einzelnen Wahlkreise aufzustellen (Wir berichteten), geißelte Berghaus lautstark und energisch: „Es geht hier um das Ausleben von Hass und die rücksichtlose Durchsetzung von Karriere und Machtgeilheit.“

Der Fraktionschef tobte

Fraktionschef Peter Ippolito wiederum – wie Berghaus plötzlich selber mit einem Gegenkandidaten im eigenen Wahlkreis konfrontiert – legte noch eine Schippe drauf und tobte: „Wer hier dagegen kandidiert, der weiß nicht, was innerparteiliche Demokratie ist.“ Die sogenannten Modernisierer gingen jedenfalls zwei Schritte zurück anstatt nach vorne. „Und ich sage Euch: Wer Dame und Turm opfert, muss verdammt viele Bauern haben.“ Die Parteitagskaffeetafel war nun also auch noch um eine Partie Schach reicher. Und diese Partie offenbarte: Die Gegenseite hatte tatsächlich zahlreiche Bauern in petto. Ziemlich hartnäckige und robuste sogar.

Alles zum Thema Uwe Richrath

Denn schon die ersten Abstimmungen unter Maskenpflicht und Corona-Abstandsregeln über jene Kandidaten, die im September in den verschiedenen Wahlkreisen antreten werden, zeigten: Die Unterstützer des „Team Moderne“ waren in der Überzahl. Die Konsequenz: Sämtliche von Hengst und Co. ins Rennen geschickte Genossinnen und Genossen gewannen ihre Wahlkreise. Unter anderem Ippolito und Berghaus waren ihre los. Es gab gleichsam lauten Applaus wie laute „Pfui“-Rufe. Rogerio Pires – er verlor Schlebusch Südwest an Jens Fraustadt – musste von Wahlleiter Axel Zens zur Räson gerufen werden.

Verlierer zogen sich zurück

Und am Ende war es erneut Ippolito, der Worte sprach, die Konsequenzen nach sich zogen und wohl noch nach sich ziehen werden: „Ich stehe für keine Kandidatur auf der Liste der SPD Leverkusen in dieser Wahl mehr zur Verfügung.“ Seinem Beispiel folgten umgehend auch Berghaus. Didem Adib. Ali Adib. Martin Krampf. Und Pires, der zusätzlich betonte: „Für diese Partei mache ich gar nichts mehr.“ Milanie Hengst dürfte dafür nun umso mehr machen: Sie geht als Spitzenkandidatin der SPD ins Wahlrennen. Ihr folgen auf der Reserveliste bis Platz zehn: Dirk Löb, Aylin Dogan, Sven Tahiri, Regina Sidiropulos, Michel Hüther, Heike Bunde, Alexander Finke, Petra Haase, Oliver Ruß.

Dogan sprach hinterher davon, durchaus Genugtuung zu empfinden. Genugtuung dafür, seinerzeit mit einer nicht minder provokanten Aktion aus dem Amt der Parteichefin gedrängt worden zu sein. „Aber auch Glück darüber, dass wir es geschafft haben.“ Sie erhielt zahlreiche Glückwünsche – nach eigener Aussage auch von alteingesessenen Parteimitgliedern. Und zeigte sich überzeugt, auch insofern richtig gehandelt zu haben, dass weder sie noch ihre Mitstreiter die Unterlegenen in der Halle offen angegangen hätten. Und in der Tat: Das „Team Moderne SPD“ enthielt sich beim Parteitag jeglicher Rede.

Nicht stolz aber froh

Milanie Hengst betonte: „Ich bin nicht stolz. Denn es tut weh, wenn man als Sozialdemokratin sieht, was heute hier passiert ist. Aber ich bin froh. Denn dieses Vorgehen war notwendig. Wir sind uns bewusst, was nun auf uns zukommt und werden das mit Bravour meistern.“

Uwe Richrath, der bei der Kommunalwahl auch um sein Amt als OB kämpft, deutete das, was da gerade vor sein Augen geschehen war, als einen „sehr interessanten Parteitag“. „Ich bin ja viel von den Sozialdemokraten gewohnt. Wir sind immer auch streitbar. Diese Tradition haben wir. Es ist ein Prädikat von uns, dass es auch mal richtig zur Sache geht. Aber wichtig ist es am Ende immer, gemeinschaftlich in den Wahlkampf zu ziehen. Und das tun wir jetzt. Es ist ein gutes Ergebnis. Mit guten Kandidaten, die eine hohe Fachlichkeit haben und mich unterstützen werden.“

Keine Debatten mehr

Diese Sicht erklärte auch Bundestagsmitglied Karl Lauterbach – seit jeher einflussreicher Leverkusener Sozialdemokrat – zur Maxime: „Die Verhältnisse wurde demokratisch geklärt. Jetzt muss es weitergehen. Wir können es uns nicht leisten, weiter Personaldebatten zu führen und müssen uns auf den Wahlkampf konzentrieren, den ich ohne Wenn und Aber unterstütze und bei dem die Wiederwahl von Uwe Richrath im Vordergrund steht.“ Sein Gruß an Berghaus und Co.: Mit Niederlagen müsse man zu leben lernen – auch wenn Wunden blieben.

Wunden, die Berghaus hörbar davontrug: Das „machtpolitische Kalkül“ der Gegenseite sei ein absolutes Novum und unterbiete alles, was er bisher gesehen habe. „Das war nicht nur gegen mich – was in Ordnung gewesen wäre. Das war ein Kreuzzug gegen alles, was in meiner politischen Nähe steht“. Den von vielen erwarteten Rücktritt als Parteichef bot er indes – noch - nicht an. „Ich muss das erst sacken lassen.“

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