Nach dem Unfalltod der elfjährigen Myrna beschlossen Stadt, Polizei und ADFC die verstärkte Zusammenarbeit, um Schüler für die Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren.
Verkehrssicherheit in Leverkusen„Als der Lkw kam, dachte ich, mein Leben geht zu Ende.“
Fast jedes Kind, das am Donnerstagvormittag unter der Stelzenautobahn steht, hat eine Erinnerung an eine brenzlige Verkehrssituation. „Gerade gestern erst bin ich über die Straße gegangen und da kam ein alter Opa mit dem Auto, der hat mich nicht gesehen“, sagt die elfjährige Jana. „Dann bin ich schnell das letzte Stück gerannt.“
„Einmal stand ich mit dem Fahrrad hinter einem Auto, dann kam von vorne ein Lkw, der abbiegen wollte“, erzählt Maya. „Da dachte ich, mein Leben geht zu Ende.“ Zum Glück hat der Fahrer die Schülerin aber doch gesehen. Jetzt sitzt die Zehnjährige selbst hinter dem Steuer eines Lkw und ist beeindruckt, wie groß hier alles ist.
Zunächst einmal muss man den Fahrersitz über mehrere Stufen erklimmen, dann gibt es unzählige Knöpfe und Spiegel. Und kann sie die Klassenkameraden sehen? Jene, die im mit einer orangefarbenen Plastikplane markierten toten Winkel stehen, kann man in den normalen Spiegeln nicht sehen, wohl aber im hier extra montierten Zusatzspiegel. Aber den durchaus hochgewachsenen Lehrer Karsten Reinold sieht sie nicht, obwohl er direkt vor der Stoßstange steht.
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Drei fünfte Klassen des Lise-Meitner-Gymnasiums waren die erste Gruppe, die zur Auftaktveranstaltung unter der Stelze kamen. In einer ganzen Reihe von Terminen und Schulbesuchen will der städtische Fachbereich Ordnung und Straßenverkehr in Kooperation mit der Polizei Köln und dem ADFC Leverkusen Schülerinnen und Schüler über die Gefahren und das richtige Verhalten im Straßenverkehr aufklären.
Vier Unternehmen haben dazu ihre Fahrzeuge und Personal zur Verfügung gestellt: Die Fahrschule Westermann, die Spedition Niesen, Bernhard Stelzmann GmbH und Stelzmann Transport & Getränke.
„Natürlich erlebt man das täglich, dass sich Personen im toten Winkel oder an anderen gefährlichen Stellen befinden“, sagt Herbert Hirt, der seit 20 Jahren Lastwagen fährt. „Man muss immer gucken, bevor man fährt und auch während ich fahre, habe ich noch die Spiegel im Blick. Man darf nicht abgelenkt sein.“
Das Gleiche gilt aber eben auch für die Fußgänger und Radfahrer. „Kinder lassen sich besonders schnell durch das Geschehen um sie herum ablenken“, sagt Uwe Witte vom ADFC. „Aber auch Erwachsene sehe ich manchmal mit dem Blick aufs Handy gerichtet über den Zebrastreifen gehen.“ Wenn der Autofahrer dann auch unaufmerksam ist, hilft es dem Fußgänger nicht mehr, dass er Vorrang hatte.
Unfall kann nur das Kind sicher verhindern
„Wir wissen, welche Verantwortung unsere Fahrer haben und haben alle unsere Lkw mit zusätzlichen Rechtsabbieger-Assistenten ausgestattet“, sagt Markus Kalcker von der Firma Niesen. Außerdem müsse jeder der rund 75 Fahrer ein jährliches Sicherheitstraining absolvieren.
Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen vonseiten der Fahrer, könne im Ernstfall nur das Kind den Unfall verhindern, sagt Frank Wißbaum, Direktionsleiter Verkehr bei der Polizei Köln. Auch wenn der Lkw-Fahrer schuld an dem Unfall ist: „So ein Lkw ist wie eine Wand und die Kinder müssen verstehen, dass sie sich nie vor eine Wand stellen dürfen, die sich bewegt.“ Dass die Kinder bei dem Aktionstag, das einmal aus nächster Nähe erleben können, sei eine wichtige Erfahrung.
Vor allem für die Kinder der Lise-Meitner-Schule. Die heutigen Fünftklässler haben die damals elfjährige Myrna zwar nicht mehr gekannt, die am 11. Oktober 2019 auf dem Schulweg zum Wiesdorfer Gymnasium mit dem Fahrrad von einem Lastwagen erfasst wurde. „Der schreckliche Unfall von damals war natürlich der Grund für uns, dass wir gesagt haben: Wir müssen da etwas tun“, sagt Lehrer Karsten Reinold. Deswegen sollte die Aktion eigentlich auch schon 2020 stattfinden. Dann kam Corona dazwischen.
In der Zeit nach dem Unfall wurden natürlich viele Gespräche in den Klassen geführt. „Aber Verkehrssicherheit gibt es nicht im Lehrplan“, sagt Reinold. Zumindest nicht an weiterführende Schulen. Deswegen ist der Lehrer, der selbst regelmäßig mit dem Fahrrad zur Schule fährt, froh über den Aktionstag.
Viele seiner Schüler kommen nicht mit dem Fahrrad. Wer nahe an der Schule wohnt, kommt eher zu Fuß, ansonsten antworten viele Kinder auf die Frage, wie sie zur Schule kommen: „Mit dem Bus oder manchmal bringt meine Mutter mich.“ Vielleicht auch, weil das Ghostbike, das an Myrnas Unfallstelle an der Elisabeth-Langgässer-Straße steht, für viele ein Mahnmal ist, die Kinder eben nicht mit dem Rad loszuschicken.
„Wenn man es mit der Verkehrswende ernst meint, müssen wir bei den Kindern ansetzen“, sagt Uwe Witte. „Die Älteren kriegen wir nicht mehr umgewöhnt.“ Dafür muss der Schulweg für die Kinder aber sicher sein. Das fängt bei Verkehrssicherheitstrainings an. „Aber natürlich müssen wir da auch weiter an den Radwegen arbeiten“, mahnt Witte.