Als erste Polizeibehörde in Nordrhein-Westfalen führte Rhein-Sieg qualifizierte Abbiegekontrollen für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht durch.
UnfallstatistikGefahr toter Winkel: So will die Polizei im Rhein-Sieg-Kreis Unfälle vermeiden helfen

An der Zeithstraße wurde am 3. Juli ein elf Jahre alter Schüler von einem abbiegenden Lastwagen erfasst.
Copyright: Marius Fuhrmann
Positive Entwicklungen konnte Landrat Sebastian Schuster bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz 2024 konstatieren. Die Zahl der Unfälle insgesamt ist gesunken, von 10.327 auf 10.077. Und auch bei den Verunglückten ist ein deutliches Minus um fast neun Prozent, von 1532 auf 1399, zu verzeichnen.
Der Behördenleiter erinnerte gleichwohl daran, dass die Zahl der Getöteten mit elf gleich geblieben ist. Darunter sei auch der elf Jahre alte Junge, der von einem abbiegenden Lastwagen angefahren wurde und ums Leben kam. „Das war ein ganz schlimmes Ereignis“, betonte Schuster, „ganz viele Kinder haben es mitbekommen.“ Seine Direktion Verkehr hat als erste in Nordrhein-Westfalen qualifizierte Abbiegekontrollen für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht durchgeführt.
Die Kreispolizei Siegburg hat rechtssichere Kontrollen entwickelt
Die begannen schon im Januar 2024, wie der Direktionsleiter, Polizeirat Manuel Heinze, erklärte. Er hat einen Fokus auf den Schwerlastverkehr gelegt und neues Konzept entwickelt. Zwar gibt es in der Straßenverkehrsordnung schon seit rund vier Jahren die Regel, dass Lastwagen, Busse und Transporter ab 3,5 Tonnen nur mit Schrittgeschwindigkeit rechts abbiegen dürfen, auch aus Kreiseln heraus.
Alles zum Thema ADFC
- Aktiv für den Radverkehr ADFC gründet Kreisverband Oberberg
- Lärmgutachten liegt vor Kommt jetzt Tempo 30 auf der Luxemburger Straße?
- Unfallbilanz des Innenministeriums 2024 gab es in NRW mehr Verkehrstote, aber weniger Verunglückte
- Autobahn GmbH Leverkusener Rheinradweg ist zu teuer und bleibt gesperrt
- Radreisemesse Tipps für neue Touren in Siegburg
- Rekord Leverkusener Messstellen zählen mehr als 1,3 Millionen Radfahrende
- Für Touristen Stadt Bad Honnef installierte neue Wegweiser für Radfahrer und Fußgänger
Wir müssen das in die Köpfe der Verkehrsteilnehmer bekommen.
Zusammenstöße mit Radfahrern oder Fußgängern seien meist Unfälle mit schwerwiegenden Folgen. „Wir haben regelmäßig Schwerverletzte und Tote in dieser Konstellation“, sagte Heinze. Mit seinen Experten hat er Kontrollen konzipiert, die eine rechtssichere Verfolgung ermöglichen. Dafür sind regelmäßig mehrere Beamte im Einsatz, die über das Schätzen des Tempos die Fahrer identifizieren können.
Im vergangenen Jahr haben sie 88 Anzeigen geschrieben und viele Verwarngelder erhoben. Das hat im Land Aufsehen erregt. Heinze hat es bei einer Versammlung der polizeilichen Verkehrsexperten vorgestellt. „Es ist wichtig, das einzuhalten, diese Regel wird oft übersehen“, ist seine Erfahrung. „Wir müssen das in die Köpfe der Verkehrsteilnehmer bekommen.“

Die Alexander-Humboldt-Realschule hat nach dem tödlichen Unfall eines ihrer Schüler einen Verkehrssicherheitstag mti Verkehrswacht und Polizei organisiert.
Copyright: Ralf Rohrmoser-von Glasow
Für ihn passt das genau in die Zeit der Mobilitätswende, die er, wie der Landrat, ausdrücklich begrüße. Doch bringe das neue Herausforderungen mit sich. Er appellierte an alle Zweiradfahrenden, die richtige Fahrbahnseite zu benutzen. Die Missachtung des Rechtsfahrgebots sei eine der häufigsten Unfallursachen. „Es sind viele Geisterradlerinnen und Geisterradler unterwegs. Früher hat sich das nicht so ausgewirkt“, sagte Heinze.
Inzwischen allerdings steigt die Zahl der Unfälle mit Menschen auf Pedelecs, ihr Anteil an den Verunglückten steigt stetig. Im vergangenen Jahr waren es schon 158, darunter waren 52 Seniorinnen und Senioren. Sie sind schneller unterwegs, was andere Verkehrsteilnehmer nicht selten unterschätzten. Heinzes Appell ist, sich zu schützen, durch auffällige Kleidung und einen zertifizierten Helm.

Landrat Sebastian Schuster (l.) und der Leiter der Direktion Verkehr, Polizeirat Manuel Heinze, stellten die Unfallstatistik der Kreispolizei Rhein-Sieg vor.
Copyright: Ralf Rohrmoser-von Glasow
Die Polizei nimmt das Thema in den Fokus, immer mehr angetriebene Zweiräder nämlich werden verkauft, kaum noch welche ohne Unterstützung. Die Verkehrsexperten bieten aktiv Pedelec-Trainings, etwa mit der Stadt Siegburg oder dem ADFC, an. „Abbremsen, auf- und absteigen, dabei kommt es oft zu Problemen“, hat Heinze bei der Auswertung festgestellt. Dabei ist die Gruppe der Seniorinnen und Senioren noch recht neu für die Polizei.
Insgesamt stellte er bei Verkehrszählungen einen Anstieg an Zweirädern fest. Eine Trendwende machte er bei den E-Scootern aus, erstmals sank die Zahl der Unfälle im vergangenen Jahr, erfreulich ist auch der Rückgang bei Fußgängern und, um fast 20 Prozent, bei Jugendlichen. Bei Kindern indes ist mit 134 Verunglückten ein Höchststand erreicht worden.
Vorn liegt der Rhein-Sieg-Kreis bei der Aufklärungsquote nach den 88 Unfällen mit Fahrerflucht und Verletzten. Fast 65 Prozent der Verursacher konnten ermittelt werden. Und bei den insgesamt 2381 Fluchten waren es immer noch mehr als 44 Prozent. Im Verkehrskommissariat gebe es inzwischen eine spezialisierte Gruppe von Spurensicherern, so Heinze.
Nach einem tödlichen Unfall auf der Bundesstraße 256 in Windeck, dem sogenannten Schladernring, gibt es jetzt konkrete Entwicklungen. Ein 24-Jähriger starb, nach dem er, offenbar zu schnell, die Kontrolle über seine Maschine verloren hatte und gegen eine Felswand flog. Heinze ließ Geschwindigkeitsdaten sammeln. „Wir hatten Messungen, bei denen Motorräder mit mehr als 180 Stundenkilometern bei erlaubtem Tempo 70 fuhren.“
180 Stundenkilometer mit dem Motorrad wurden auf der B 256 gemessen
Nicht immer gelinge es, diese Verstöße zu ahnden. Immer, wenn Polizei auftauche, reduziere sich das Temponiveau. In der Unfallkommission gab es daraufhin einen Beschluss, die Strecke unattraktiver zu gestalten. In der Straßenmitte werden jetzt Fahrbahnteiler in ausgesuchten Kurven montiert, Kunststoffteile, die ein Verlassen des Fahrstreifens verhindern sollen. „180 Stundenkilometer sind nur bei massivem Schneiden möglich“, konkretisierte Heinze, „dieses Fahrverhalten wollen wir brechen.“
Zu guter Letzt standen die Zahlen des Kommissariats Opferschutz/Verkehrsunfallprävention. 122 Opfer wurden nach Unfällen betreut, 2438 Kindergartenkindern die Grundlagen des Verkehrsverhaltens vermittelt. 4193 Erstklässler waren beim Schulwegtraining dabei, 200 Schüler beim Bustraining in Kooperation mit der RSVG. 3169 Viertklässler machten den Fahrradführerschein und 1523 Jugendliche besuchten die Crash-Kurs-Veranstaltungen mit Betroffenen.