Düsseldorf – Nach mehr als 600 positiven Corona-Tests beim Schlachtereibetrieb Tönnies fährt der Kreis Gütersloh das öffentliche Leben teilweise wieder runter. Schulen und Kitas schließen bis zu den Sommerferien, rund 7000 Menschen werden unter Quarantäne gestellt. Betroffen seien alle Personen, die auf dem Werksgelände gearbeitet hätten, sagte Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) am Mittwoch. Sie würden nun nach und nach auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet.
Durch diese Maßnahmen solle eine Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung vermieden werden, sagte eine Sprecherin des Kreises. Unter den Tönnies-Beschäftigten seien zahlreiche Mütter und Väter mit schulpflichtigen Kindern. Die Schließung von Schulen, Kitas und bei der Tagesbetreuung im gesamten Kreisgebiet gelte ab Donnerstag und bis zum Beginn der Sommerferien am 29. Juni.
Der Schlachtbetrieb bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück wurde am Mittwoch gestoppt. Weitere Bereiche würden nach und nach heruntergefahren, teilte das Unternehmen mit.
Einen allgemeinen Lockdown für den Kreis werde es nicht geben, obwohl die wichtige Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen deutlich überschritten sei, teilte die Verwaltung des Kreises mit.
Das könnte Sie auch interessieren:
Scharfe Kritik gab es von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. „Die Unterkünfte in der Fleischindustrie sind zum Teil katastrophal“, sagte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bei der Überprüfung von Unterkünften von Mitarbeitern in der Fleischindustrie hatte das Land erhebliche Mängel festgestellt. Landesweit wurden rund 650 Sammelunterkünfte und Werkswohnungen, in denen mehr als 5300 Personen leben, überprüft. Dabei wurden fast 1900 mittlere und gravierende Beanstandungen festgestellt – fehlende Hygienemaßnahmen, Überbelegungen, Schimmelpilzbefall, Einsturzgefahr, undichten Dächern, katastrophalen Sanitäreinrichtungen, Rattenbefall und Brandschutzmängel. Vier Wohnungen wurden aufgrund von erheblichen Baumängeln sowie Gesundheitsgefahren geräumt.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Ob fehlender Brandschutz, Einsturzgefahr oder die Missachtung einfachster hygienischer Vorschriften: Hier wird – offenbar aus Gründen der Profitmaximierung – mit der Gesundheit der Beschäftigten gespielt. Das ist unverantwortlich“, sagte Laumann. Das Land werde die Situation nicht länger hinnehmen. Dass es anders geht, zeigen die Überprüfungen der Unterkünfte der Saisonarbeiter bei den Erntehelfern. „Da die Fleischindustrie offenbar nicht willens ist, die Missstände zu beseitigen, muss nun die Politik handeln“, sagte Laumann.
Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück waren von den 500 am Mittwoch vorliegenden Testergebnissen der Mitarbeiter in dem Schlachthof und Fleisch-Zerlegebetrieb im Kreis Gütersloh über 400 positiv, sagte eine Sprecherin des Kreises. Weitere Ergebnisse standen noch aus – insgesamt waren 1050 Tests durchgeführt worden. Noch am Dienstag hatte das Unternehmen von 128 positiv getesteten Mitarbeitern gesprochen und Maßnahmen zugesagt, um die Ausbreitung einzudämmen.
Groß angelegter Corona-Reihentest
Bei einem großangelegten Corona-Reihentest durch die Gesundheitsbehörden nach einem Ausbruch in einer Fleischfabrik im Kreis Coesfeld im Mai waren bei Tönnies zunächst nur wenige Fälle festgestellt worden. Nach Unternehmensangaben war allerdings bei späteren Tests ein Infektionsherd festgestellt worden. Obwohl alle Kontaktpersonen vorsorglich in Quarantäne geschickt worden seien, habe es weitere Infektionen im Schweinefleisch-Zerlegebetrieb gegeben.
Als mutmaßliche Gründe für die zahlreichen Infektionen nannte das Unternehmen die Rückkehr von Arbeitern nach Heimaturlauben sowie die Kühlung in Bereichen der Firma. Gekühlte Räume beförderten offenbar das Übertragen des Virus, so Tönnies-Vertreter Gereon Schulze Althoff. Die Verantwortlichen betonten, der Test besage nicht zwingend, dass die 400 Betroffenen aktuell noch erkrankt und ansteckend seien. (mit dpa)