Beim Urlaub in Bad Teinach denkt Reporter Helmut Heuring an die Kollegen zu Hause. Warum seine Karte erst jetzt ankommt, bleibt ein Geheimnis.
Späte ZustellungGrußkarte landet nach mehr als 59 Jahren in Gummersbacher Postfach
„Bad Teinach – für Herz und Niere“, so wirbt die frühere Gemeinde im nördlichen Schwarzwald Mitte der 1960er für ihre Kurangebote. Dieser Werbespruch ist auf einer Grußkarte mit einem Foto dieses kleinen Ortes ebenso klar zu lesen wie das Datum mitten im runden Poststempel: 15. Juli 1965. Gerade hat diese Urlaubspost unsere Redaktion erreicht – mit anderen Worten: Mehr als 59 Jahre liegen zwischen dem Einwurf der Postkarte in einem Briefkasten irgendwo in Bad Teinach und dem Einsortieren dieses Poststücks in unser Schließfach an der Postbank-Filiale im Gummersbacher „Forum“.
Absender der Grüße sind der Reporter Helmut Heuring, der bis Mitte der 1970er Jahre für die Oberbergische Volkszeitung über lokale Ereignisse berichtet, und seine Ehefrau Emmi. Und die Auszeit des Paares in Bad Teinach muss eine schöne sein: „Fernab aller Rennerei mit Spiegelsetzerei (gemeint ist wohl die handwerkliche Produktion der Tageszeitung, d. Red.) tanken wir hier ausgiebig Sauerstoff mit Heilwässerchen“, schreibt der – im Oktober des Jahres 1979 verstorbene – Kollege, der in Oberberg unter anderem für die Stadt Wiehl zuständig gewesen ist. Das Ehepaar Heuring lebt damals wohl auf dem Hepel in Gummersbach. Und der Reporter, so heißt es, sei dem Dorffest in Hunstig stets sehr zugetan.
Wie die Postkarte jetzt in die Zustellung geraten ist, das bleibt wohl für immer ein Rätsel. „Klar ist, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht hinter einem Schrank in einem unserer Zustellzentren gesteckt hat“, überlegt Achim Gahr, Regionalsprecher der Deutschen Post in Düsseldorf. „Dafür ist sie zu gut erhalten.“ Jemand müsse das bereits gestempelte Stück also aufbewahrt und jüngst erneut in einen der gelben Kästen geworfen haben. „Denn per Gesetz sind wir verpflichtet, jedes Poststück ordnungsgemäß zuzustellen – auch nach einer so langen Zeit“, schildert Gahr.
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So landet die Ansichtskarte in Köln-Gremberghoven: Dort ist das Briefzentrum 51, da wird Oberbergs Post – bis auf die für Radevormwald und Hückeswagen – sortiert. „Und stimmt die Postleitzahl auf der Vorderseite, kommt jeder Brief auch an – egal, ob beim Christkind in Engelskirchen oder bei der Zeitungsredaktion in Gummersbach“, versichert der Postsprecher.
Weil 1965 deutsche Städte und Gemeinde aber noch Postleitzahlen mit zwei oder drei Ziffern oder sogar nur einer Zahl haben, fliegt die Postkarte in Gremberghoven prompt aus der Maschine, der Sortiercomputer der Post kann die Adresse nicht lesen. Erst 1993 übrigens darf die gelbe Post-Hand Rolf endlich verkünden: „Fünf ist Trümpf“. Denn in jenem Jahr erhält das längst wiedervereinigte Deutschland die fünfstelligen Leitzahlen, die wir heute kennen.
Aufmerksame Postkraft hat die Grußkarte wohl auf den Weg nach Gummersbach gebracht
Nachdem der Postroboter in Gremberghoven kapituliert hat, fallen Heurings Worte jedoch einem aufmerksamen Postbediensteten in die Hände. Und der tut wahrscheinlich, was heute jeder macht: Er googelt. Die „Post-Detektive“, die früher Adressaten aufgespürt und Adressen vervollständigt oder sogar ermittelt haben, gibt es bei dem Bonner Unternehmen schon seit vielen Jahren nicht mehr. „Jene Kollegin oder jener Kollege ist dann vermutlich recht schnell auf die Redaktion gestoßen und hat die eindeutige Adresse des Postfachs in Gummersbach recherchiert“, führt Postmann Gahr aus. „Und funktioniert, weil diese Sendung weder an Herrn Schmitz, noch an Frau Müller adressiert ist.“
Ein Aufkleber mit der richtigen Anschrift klebt über der handschriftlichen Adresse, die Helmut Heuring im Juli 1965 in Bad Teinach auf der Vorderseite der Grußkarte notiert. Dass ein Poststück etwas länger unterwegs ist, das komme durchaus vor, betont Gahr. „Aber so lange, das ist höchstselten.“ Er vermutet, dass die Ansichtskarte irgendwie bei einem Sammler gelandet ist, zum Beispiel beim Verkauf auf einem Flohmarkt. Und es könnte das schlechte Gewissen gewesen sein, das zum späten Einwurf führt. „Schließlich geht es um den Besitz eines anderen.“
Dem Rathaus von Bad Teinach werden immer wieder historische Ansichtskarten angeboten
Hergestellt hat das Grußpapier mit einer Schwarz-Weiß-Ansicht von Bad Teinach das Fotohaus Hildenbrand in Göppingen (bei Stuttgart), das nach 50-jährigem Bestehen im Jahr 2000 für immer schließt. Doch werden Druckwerke dieses Postkartenverlags tatsächlich noch heute im Internet gehandelt – zu Preisen von ein paar Cent bis zu etwa 20 Euro.
Markus Wendel kennt das, seit 2007 ist er Bürgermeister: Bad Teinach, im baden-württembergischen Landkreis Calw gelegen und im Jahr 1975 im Schulterschluss mit Zavelstein zur Stadt erhoben, ist immer noch ein beliebtes Ferienziel mit mehr als 40.000 Gästen und etwa 110.000 Übernachtungen pro Jahr. „Erst zu Beginn dieser Woche ist uns erneut eine Sammlung mit solchen Ansichtskarten aus einem Nachlass angeboten worden“, sagt der parteilose Diplom-Verwaltungswirt, der zwei Jahre jünger ist als die Postkarte nach Oberberg gebraucht hat.
Der Rathauschef berichtet von Erben, die Keller und Speicher auf- und ausräumen oder Nachlässe verwalten. „Und wenn jemand eine gute Zeit bei uns in Bad Teinach hatte, dann fragt man uns gern, ob wir solche Dokumente haben möchten, weil man so etwas doch eher ungern wegwirft.“ Das Foto der Ortsmitte darauf sei von der Landesstraße 346 ins Tal geschossen worden.
So hofft auch Reporter Helmut Heuring, dass sein Urlaub „entsprechende Früchte trägt“. Seine Ehefrau Emmi und er senden in Gummersbach dem „kleinen Haufen der standhaften Hinterbliebenen herzliche Grüße und Wünsche für einen gleich schönen Urlaub“. An den Schreiber dieser Zeilen, von dem sich ein Bericht über das Erntefest in Drabenderhöhe im Datennetz findet, erinnert sich heute indes nur noch wenige – als fleißig wird er beschrieben und als freundlich, auch habe Heuring wohl künstlerisches Talent besessen. Seine Worte jedenfalls deuten es an.