Er ist und war Handballer aus Leidenschaft, ein ausgefuchster Taktiker, Vulkan an der Seitenlinie – und der Schnauzbart der Republik. Am Dienstag feiert der Gummersbacher Heiner Brand seinen 70. Geburtstag. Andrea Knitter sprach mit dem früheren Bundestrainer, der die deutsche Mannschaft 2007 zum WM-Titel in Köln führte.Herr Brand, der Handball muss um seine Medienpräsenz kämpfen. Wenn Sie Geburtstag haben, geben sich die Reporter allerdings die Klinke in die Hand, um zu berichten. Wie erklären Sie sich, dass Sie auch noch mit 70 Jahren die Lichtgestalt im deutschen Handball sind?
Heiner Brand: Na ja, ich habe schon etwas erreicht, als Trainer und als Spieler. Es hat vielleicht damit zu tun, dass ich so viele Jahre im Spitzenhandball präsent bin. Das sind gut 50 Jahre. Die Ausläufer sind heute meine Experten-Tätigkeiten für Sky.
Trotzdem: Vom Kind bis zum Senior – fast alle kennen Heiner Brand. Das kann doch nicht alleine an Ihrem markanten Schnäuzer liegen.
Das hängt sicher vor allem mit der Nationalmannschaft zusammen. Die Handballer, mit denen ich 2007 als Trainer Weltmeister wurde, sind heute noch präsenter als die aktuellen Nationalspieler. Die Nationalmannschaft ist das Gesicht unserer Sportart. Wenn das deutsche Team im Viertelfinale einer Meisterschaft ausscheidet, erlischt sofort das Interesse an der ganzen Sportart. Dabei kommen die Leute zu den Ligaspielen in die Hallen, aber die Spiele der Vereinsmannschaften stoßen nur bedingt auf ein überregionales Interesse.
Als Sie Bundestrainer waren, haben Sie die großen deutschen Vereine kritisiert, die zu wenig für die Nachwuchsförderung tun würden. Sehen Sie das heute immer noch so?
So erfolgreich meine Zeit als Bundestrainer war, fehlte oft die Unterstützung von großen Teilen der Bundesliga. Insbesondere Uwe Schwenker, damals Sprecher der Bundesligavereine, hat gegen die Nationalmannschaft gearbeitet, da er seinen THW Kiel als Aushängeschild des Handballs präsentieren wollte. So wurden junge, deutsche Spieler nicht gefördert, teilweise spielten die Mannschaften ohne einen deutschen Spieler, was natürlich auf längere Sicht gesehen die Entwicklung der Nationalmannschaft gefährdet.
Heiner Brand: „Handball ist fast eine andere Sportart geworden”
Ist das heute anders?
Vieles ist besser geworden, ohne dass man vollständig zufrieden sein könnte. Zu häufig werden noch Schlüsselpositionen von ausländischen Spielern eingenommen.
Zur Person
Heiner Brand
6 Mal (1973, 1974, 1975, 1976, 1982 und 1983) wurde Heiner Brand als Spieler Deutscher Meister mit dem VfL Gummersbach, für den er von 1959 bis 1986 auf der Platte stand. Zudem gewann er mit den Oberbergern viermal (1977, 1978, 1982, 1983) den DHB-Pokal.
Auch auf internationaler Ebene war Brand mit dem VfL erfolgreich: Europapokalsieger der Pokalsieger 1978 und 1979, Europapokalsieger der Landesmeister 1974 und 1983, Supercupgewinner 1979 und 1983 sowie IHF-Pokalsieger 1982. Mit der Nationalmannschaft, für die Brand in insgesamt 130 Länderspielen 222 Tore erzielte, holte er 1978 den WM-Titel.
Als Trainer wurde Heiner Brand mit dem VfL 1988 und 1991 nationaler Meister. 1993 gewann er als Coach mit der SG Wallau-Massenheim die deutsche Meisterschaft und den DHB-Pokal.
Von 1997 bis 2011 war Brand als Bundestrainer tätig. Mit der DHB-Auswahl wurde er 2004 Europa- und 2007 Weltmeister. Bei Olympia 2004 in Athen gewann Brand mit der deutschen Auswahl Silber. Hinzu kommen Bronze und Silber bei Europa- und Weltmeisterschaften.
Von 2011 bis 2015 war Brand beim Deutschen Handball Bund als Manager im Bereich Nachwuchsförderung und Sponsoren aktiv. Er ist von Beruf Diplom-Kaufmann und lebt mit seiner Frau (ein Sohn, eine Tochter) auch heute noch in seiner Geburtsstadt Gummersbach. (akn)
Wie hat sich der Handball in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Es ist fast eine andere Sportart geworden. Handball ist wesentlich athletischer und schneller geworden. Durch zunehmende Professionalisierung ist die Belastung der Spieler dabei größer geworden. Insbesondere die Spieler der Spitzenvereine beklagen häufige Verletzungen, da sie durch viele Spiele, lange Reisen und eine fast ganzjährige Saison kaum Erholungszeiten haben. War es früher noch möglich, Beruf oder Ausbildung mit dem Sport zu verbinden, ist das für die Spieler heute kaum noch zu schaffen. Ich habe während meiner Nationalmannschafts- und Bundesligazeit noch mein BWL-Studium absolviert.
Stichwort Nachwuchs: Es gibt sehr viele hochtalentierte Nachwuchsspieler, die aber häufig in jungen Jahren schwere Verletzungen erleiden. Woran liegt das?
Ohne eine klare Antwort zu kennen, registriere ich schon, dass die Spieler sehr viel und sehr intensiv trainieren. Sie spielen an einem Wochenende in mehreren Mannschaften und haben dadurch auch noch Reisestrapazen. Dazu kommt noch die Schule, die ja auch eine wichtige Rolle einnehmen soll. Da nimmt sich der Körper irgendwann eine Auszeit. Ich würde mir wünschen, dass sich die Vereine mit Sportwissenschaftlern und Medizinern über dieses Thema austauschen würden.
Wenn Sie heute jung wären, würden Sie wieder Handballer werden?
Ich wäre gerne Handballer, aber auch Fußballer geworden. Ich konnte, so glaube ich, ganz gut Fußball spielen.
Ich wäre gerne Handballer, aber auch Fußballer geworden. Ich konnte, so glaube ich, ganz gut Fußball spielen. (Heiner Brand)
Bei welchem Fußballverein wären Sie dann gerne?
Beim 1. FC Köln oder bei Bayern München.
Sie sind nach Ihrer Spielerkarriere ins Trainergeschäft eingestiegen. War das ein logischer Schritt für Sie?
Man kann schon ein wenig vom Spielerdasein profitieren, aber man merkt schnell, dass es nicht so einfach ist, Trainer zu sein, wie man sich das vorgestellt hat. Ich bin zwar direkt im ersten Trainerjahr mit dem VfL Gummersbach Deutscher Meister geworden, davor hatte ich mich aber schon durch meine Position als Regisseur in die Denke des Trainers versetzt. Bei der Nationalmannschaft war ich erst als Co-Trainer unterwegs. Als Trainer ist die Erfahrung das Wichtigste.
Wenn Sie im Handball an der Schaltstelle säßen: Gäbe es etwas, das Sie ändern würden?
Ja, ich würde die Spielform 7:6 sofort wieder abschaffen. Die Hereinnahme des siebten Feldspielers macht das Spiel zu statisch. Wesentliche Elemente des Handballs gehen verloren. Ironie der Geschichte ist, dass ich bei der Einführung als Berater der Schiedsrichter- und Regelkommission der Internationalen Handball-Föderation selber dafür gestimmt habe. Als ich später Zweifel äußerte, wurde ich nie wieder eingeladen.
Ihr Name ist untrennbar mit dem VfL Gummersbach verbunden. Wie sehr haben Sie sich darüber gefreut, dass der Club nach drei Jahren in der Zweiten Liga den Aufstieg geschafft hat?
Natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut. Nach 65 Jahren beim VfL hänge ich sehr an dem Verein. Ich habe alles miterlebt. Mit 13 Jahren war es die erste Deutsche Meisterschaft. Ich war jedes Wochenende in der Sporthalle an der Reininghauser Straße. Mein Herz ist beim VfL Gummersbach, ich hätte aber nach dem Abstieg nie mit einer solchen Begeisterung gerechnet.
Was meinen Sie damit?
Die Zuschauer sind in der Zweiten Liga so zahlreich in die Halle gekommen und oberbergische Unternehmen haben sich als Sponsoren engagiert. Dabei hatte man sich lange Zeit schwergetan, einzusehen, dass die zunehmende Professionalisierung andere Sichtweisen erfordert.
Heiner Brand: „Als Aufsteiger kann für den VfL erstmal nur der Klassenerhalt das Ziel sein.”
Was trauen Sie dem VfL in der Bundesliga zu?
Als Aufsteiger kann erstmal nur der Klassenerhalt das Ziel sein. So wie ich das sehe, ist die Mannschaft gut zusammengestellt und auf allen Positionen doppelt besetzt, was sehr wichtig ist.
Gibt es für Sie noch Ziele im Handball?
Nein, ich habe alle Ehrungen bekommen, die man bekommen kann. Ich kommentiere bei Sky höchstens noch vier Spiele im Jahr und gehe, wenn ich da bin, zum VfL Gummersbach. Der Handball nimmt aber nicht mehr den Raum ein wie früher, ich muss mir nicht mehr alle Spiele ansehen.
Wenn Sie auf Ihre lange Karriere zurückblicken: Worauf sind Sie besonders stolz?
Dass ich mit der Goldenen Sportpyramide ausgezeichnet wurde, als bisher einziger Handballer, ebenso wie die Ernennung zur Legende des Sports. Beide Auszeichnungen haben nur sehr bekannte und sehr erfolgreiche Sportler anderer Sportarten erhalten.
Was wünschen Sie sich für die kommenden Jahre?Heiner Brand:Gesundheit, und dass es in der Welt wieder ein bisschen anders zugeht, der Krieg beendet und die Klimakrise in den Griff bekommen wird.
Was wünschen Sie sich für die kommenden Jahre?
Gesundheit, und dass es in der Welt wieder ein bisschen anders zugeht, der Krieg beendet und die Klimakrise in den Griff bekommen wird.
Wie feiern Sie Ihren 70. Geburtstag?
Ruhig im Kreis der Familie mit meinen Kindern und Enkelkindern.