Oberberg – Stillstand auf der Landesstraße 324: An der scharfen, vor allem spitzen Kurve oberhalb von Volperhausen geht nichts mehr. Der Sattelzug einer Spedition aus Oldenburg hat sich dort festgefahren, offenbar hat der Mann die Kehre in Richtung Appenhagen falsch eingeschätzt. Kollegen helfen ihm sofort, den schweren Lastzug wieder auf Kurs zu verbringen, Millimeter um Millimeter geht es voran.
Wertvolle Zeit verrinnt. Die gefährliche Kurve oberhalb der Morsbacher Ortschaft soll im Zuge eines Ausbaus entschärft werden, doch bis der Landesbetrieb Straßenbau die Arbeiten an dieser Landesstraße beenden kann, werden Jahre vergehen. Geplant ist der Beginn dieser Arbeiten zurzeit für 2026.
Sanierung der Landstraße
Auf der Agenda hat der Landesbetrieb danach die Sanierung der L 336, die auch durch Lichtenberg führt. Für Frank Schlieber, Geschäftsführer beim weltweit agierenden Automobilzulieferer Montaplast in Morsbach, ist diese Aussicht aber nicht nur Anlass zur Freude: „Die L 336 soll dafür mehrfach vollgesperrt werden, damit hat unser Werk 3 ein großes Problem: Unsere Lastzüge müssen weite Umwege nehmen“, erklärt er. Dabei ist Zeit der wichtigste Erfolgsfaktor für ein Unternehmen wie eben Montaplast: Die Automobilhersteller führen keine Lager mehr.
Was in Morsbach gebaut wird, bringt der Lastwagen zum Beispiel in Stuttgart direkt ans Produktionsband. „Wir stellen solche Ware in denselben Stückzahlen wie früher her, nur werden die heute anders abgerufen und eben anders zugestellt“, führt der Geschäftsführer aus. Schlieber bedauert, dass ein von Montaplast entworfenes Verkehrskonzept für die L336 keine Berücksichtigung finde: Das hatte sowohl vor dem eigenen Werk an der Nordstraße – und damit auch vor der Zufahrt nach Lichtenberg gegenüber – ebenso einen weiten Kreisverkehr vorgesehen wie auf der Stippe bei Hülstert, „um den starken Verkehr im Fluss zu halten“.
Beschwerlicher Alltag in Oberberg
Das Nadelöhr bei Volperhausen ist ein Beispiel für viele Engpässe, die Oberbergs Unternehmen, die auf die Straße angewiesen sind, den Alltag beschwerlich machen. Peter Peisker ist einer, der das, was ein Unternehmen wie etwa Montaplast herstellt, zum Kunden bringt: Seine Lastzüge sind 18 bis 20 Meter lang, 40 Tonnen schwer – und mit Ausnahmegenehmigung sogar 44 Tonnen.
„Damit hat man sich schnell festgefahren“, sagt der Waldbröler Spediteur und ergänzt: „Die Verbindung zwischen Hermesdorf und Denklingen ist eine Zumutung – und die Bundesstraße durchs Bröltal ist es ebenfalls.“ Von der Politik wünscht sich Peisker aber nicht nur ein besseres Straßennetz, tragfähige Anbindungen an die Autobahnen und an die städtischen Ballungsräume. „Da wir bei jeder Tour inzwischen 30 bis 60 Minuten Stau einplanen müssen, wäre es hilfreich, wenn Lenkzeiten flexibler gestaltet werden könnten, indem Stillstand nicht mehr als Fahrzeit angerechnet werden muss.“
Zwei Lastzüge fahren mit Gas
Der Unternehmer hat zwei Lastzüge, die mit Gas fahren, er würde sich freuen, wenn mehr Spediteure es zum Wohle der Umwelt gleichtäten, betont Peisker. „Dafür aber fehlen wiederum Tankstellen: An der Strecke von Siegen nach Neckarsulm etwa sind gerade mal zwei zu finden.“ Dass er, um erfolgreich arbeiten zu können, ein dichtes Mobilfunknetz und ein stabiles Breitbandinternet brauche, verstehe sich von selbst. „Da bestehen in Oberberg ebenfalls erhebliche Mängel.“
Damit greift der Waldbröler auch eine Forderung der Industrie- und Handelskammer zu Köln auf. Als stellvertretende Geschäftsführerin für den Bezirk Oberberg denkt Angelika Nolting zudem an die Schulabgänger, die Fachkräfte von morgen: „Sie brauchen nicht nur sichere Straßen für den Weg zu Lehre und Ausbildung oder zum Studienplatz, sondern auch einen verlässlichen, pünktlichen Nahverkehr, etwa mit einer elektrifizierten Regionalbahn 25, und mit dichten Takten von Köln bis Lüdenscheid.“ Ziel müsse immer sein, die Autobahn 4 zu entlasten. „Und wenn diese bei Untereschbach in Stand gesetzt wird, dann bitte nur bei fließendem Verkehr“, betont Nolting. Pendler-Parkplätze und Mitfahr-Apps, die Kreisgrenzen überschreiten, müssten ebenso her.
Oberberg muss dringend digitaler werden
Was sagen die Kandidaten zum Thema Wirtschaft und zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei Automobilzulieferern?
Wir haben die oberbergischen Kandidaten um Statements zur Frage gebeten, was für eine Infrastruktur die regionale Wirtschaft braucht, um erfolgreich zu sein, und ob sich die Politik für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der hier stark vertretenen Automobilindustrie einsetzen soll. Die Antworten geben wir gegebenenfalls gekürzt wieder.
Dr. Carsten Brodesser (CDU):
Die Infrastruktur ist für die Wirtschaft bei uns ausgesprochen wichtig. Daher ist es mein Job, die besten Voraussetzungen für neue Jobs zu schaffen und gleichzeitig für Unterstützung bei besonderen Herausforderungen zu sorgen. Beste Standortfaktoren, technologischer Fortschritt und gutausgebildete Menschen sind wesentlich für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Ich stehe ein für ausreichende, umweltgerechte Entwicklungsflächen für Unternehmen, schnelles Internet, angemessene Verkehrsanbindungen und wettbewerbsfähige Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Der Ausbau des schnellen Internets ist richtig in Fahrt gekommen. Trotzdem gibt es in einzelnen Orten noch immer eine Unterversorgung. In enger Abstimmung mit allen Beteiligten werde ich mich dafür einsetzen, dass der Glasfaserausbau wirklich bis in den letzten Winkel unseres Kreises erfolgt, denn nur so können Homeoffice, digitaler Unterricht, Telemedizin und Telemetrie funktionieren.
Ferner gilt es, die Fachkräftelücke zu schließen. Bereits heute können viele qualifizierte Stellen nicht besetzt werden. Schulen, Unternehmen und Politik müssen gemeinsam handeln und eng zusammenarbeiten. In der Automobilindustrie findet ein sehr wichtiger, aber auch komplexer Transformationsprozess statt. Verbrennungsmotoren werden von alternativen Antrieben ersetzt. Ich werde mich für eine gelingende Transformation einsetzen, damit die Automobilindustrie und damit auch die im Oberbergischen ansässigen Zulieferunternehmen weiterhin wirtschaftlich arbeiten können.
Michaela Engelmeier (SPD):
Straßen müssen erhalten und ausgebaut werden, bevor man einen Neubau plant. Beim Ausbau von Straßen müssen, wo es sinnvoll ist, nun immer auch Fahrradwege mitgeplant werden. Um den Schienenverkehr besser zu nutzen, muss die Strecke der RB 25 ausgebaut werden. In Verbindung mit mehr Schnellbuslinien können Angestellte so ihre Arbeitsplätze auch über alternative Verkehrswege besser erreichen.
Die wichtigste Investition in Infrastruktur für unsere Wirtschaft wird ein konsequenter Ausbau des Glasfasernetzes, damit unsere Firmen keinen Standortnachteil haben. Ich engagiere mich grundsätzlich für jeden Arbeitsplatz – egal welcher Branche. Durch das von der SPD geschaffene Kurzarbeitergeld sind viele Arbeitsplätze, vor allem in der Automobilbranche, in der Pandemie erhalten geblieben.
Jörg von Polheim (FDP):
Dazu kann man nur sagen, dass in allen Bereichen der materiellen, personellen, institutionellen und sozialen Infrastruktur jeweils eine „gute“ Grundausstattung benötigt wird. Vor allem gehören der schnelle Ausbau des digitalen Netzes und ein gut ausgebautes Verkehrsnetz dazu. Oberberg ist eine starke Industrieregion. Nicht nur bei Autozulieferern, sondern auch bei den übrigen Branchen kann der Erhalt von Arbeitsplätzen nur gelingen, wenn hinreichende personelle und materielle Infrastruktur vorhanden ist. Dazu gehören insbesondere bestmöglich ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Bereitstellung von Wohn- und Gewerbeflächen.
Sabine Grützmacher (Grüne):
Internet wie in Estland, Wohnbauförderung wie in Wien und ÖPNV wie in der Schweiz. Vom Träumen abgesehen: Wir brauchen zur Unterstützung der Wirtschaft vor allem endlich den Glasfaser-Ausbau, außerdem gute Mobilitätskonzepte, bezahlbares Wohnen, regionale Versorgung mit Energie und auch Lebensmittel und den Erhalt unserer Natur als Standortfaktor. Dann finden uns auch Start-ups auf der Landkarte und für ehemalige Oberbergerinnen und Oberberger wird eine Rückkehr gegebenenfalls attraktiv, denn wir brauchen Fachkräfte. Politik muss sich zukunftssicher aufstellen, ohne Bürgerinnen und Bürger überproportional zu benachteiligen.
Während die Automobilbranche oder auch RWE groß im Vordergrund standen, waren mehr als 80 000 wegfallende Arbeitsplätze in zukunftsträchtigen Branchen, etwa dem Solarbereich, keine Rede wert. Gelder stehen nicht unendlich zur Verfügung, sie sollten aus diesem Grund für die Förderung zukunftsfähiger Branchen und in die Absicherung betroffener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fließen, nicht in überdimensionierte „Entschädigungen“ an Betreiber längst veralteter Technologien.
Bernd Rummler (AfD):
Von zentraler Bedeutung sind hier die digitale Infrastruktur, funktionstüchtige Straßen und ein gutes Bildungs- und Fortbildungsangebot. Letztendlich brauchen wir auch günstige Wohn- und Gewerbeflächen, damit Unternehmen wachsen und wir Anreize schaffen, dass sich Familien bei uns neu ansiedeln. Es wäre schon hilfreich, wenn die nächste Regierung die wirtschaftsfeindliche Politik gegen unsere Schlüsselindustrien aufgibt. Ohne eine Trendwende stehen unsere hiesigen Zulieferer vor enormen Herausforderungen und Problemen, die kaum lösbar sind. Das führt zu Schließungen und Abwanderungen von Firmen. Dadurch werden aber nicht nur die Automobilzulieferer getroffen, sondern auch die vielen weiteren mittelständischen Unternehmen im Oberbergischen Kreis.
Dyar Agu (Linke):
Oberberg lebt vom produzierenden Gewerbe. Deshalb soll der Güterverkehr auf die Schiene verlegt werden. Große Industrie- und Gewerbegebiete sollen verpflichtend einen angemessenen Gleisanschluss vorhalten. Um global mithalten zu können, braucht es überall Zugang zu schnellem Internet. Dafür soll die Telekommunikationsinfrastruktur über Glasfaser ausgebaut werden. Um mit grünem Wasserstoff arbeiten zu können, muss ausreichender Ökostrom bereitgestellt werden.
Wir wollen einen sozialökologischen Umbau der Wirtschaft, der sich nicht auf Kosten der Beschäftigten gestaltet. Dafür braucht es klare Perspektiven. Durch Investitionen in die Bahninfrastruktur und den öffentlichen Personennahverkehr sollen nicht nur Industriearbeitsplätze erhalten, sondern auch mehr als 200 000 gut bezahlte geschaffen werden, bei denen die Produktion von Fahrzeugen für kollektive Mobilitätskonzepte eine bedeutende Rolle einnimmt.
Christian Abstoß (Fr. Wähler):
ÖPNV, Schiene sowie Straße müssen im Einklang gefördert und gebaut werden, um zukunftsfähig aufgestellt zu sein. Und ja, die Politik sollte sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie einsetzen, aber ideologiefrei. Verbote und Ideologische Politik gefährden Arbeitsplätze, das lehnen wir definitiv ab! Aufgabe der Politik ist die Förderung der Forschung und Entwicklung in allen Technologien sowie die Schaffung eines Preisbestandteils, der technologieoffen, transparent und verlässlich den wahren Treibhausgaseffekt bepreist.