Klimastreik nennen das die einen, Schulschwänzen die anderen
Und genau da beginnt für den Schulrektor das Dilemma
Auch heute gehen wieder Schüler mit auf eine Demo in Köln
Oberberg – Wie erklärt man Jugendlichen, dass sie eigentlich alles richtig gemacht haben und trotzdem eine Strafe dafür kassieren? Vor einer solchen pädagogischen Zwickmühle stehen Schulleiter wie Kirsten Wallbaum-Buchholz, Leiterin der städtischen Gesamtschule in Waldbröl, auch heute. Denn um 9 Uhr bricht in Köln erneut ein „Friday for Future“ an: Schüler gehen auf die Straße, um auf den Klimawandel und seine Folgen aufmerksam zu machen.
Auch oberbergische Schüler waren zuletzt mit dabei: Am vergangenen Freitag haben nämlich 14 Jugendliche von der städtischen Gesamtschule in Waldbröl an einer dieser Demonstrationen teilgenommen – und sie würden es wieder tun, vielleicht schon heute. „Denn das ist doch eine richtig gute Möglichkeit, seine Meinung zu sagen“, findet Manu Giannakoudi (18).
Demo oder Schuleschwänzen?
Klimastreik nennen das die einen, Schulschwänzen die anderen. Und genau da beginnt für Wallbaum-Buchholz das Dilemma: „Auf der einen Seite kritisieren wir unsere Jugendlichen dafür, dass ihnen so viel egal ist und sie sich kaum noch politisch engagieren, auf der andere deren Seite müssen wir ihnen dafür unentschuldigte Fehlstunden aufs Zeugnis schreiben.“ Denn die Anweisungen des Schulministeriums in Düsseldorf und der Bezirksregierung in Köln sind eindeutig: Wer lieber Plakate malt und Protestbanner durch Köln trägt als die Schulbank zu drücken, der ist sofort den Schulbehörden zu nennen. „Schwänzen bleibt Schwänzen“, betont Dirk Schneemann, Sprecher der Bezirksregierung, und beruft sich auch auf ein Schreiben von Schulministerin Yvonne Gebauer an alle Schulleiter in Nordrhein-Westfalen, in dem sie ein hartes Durchgreifen fordert.
Seit wenigen Tagen haben Schulen eine Möglichkeit, ihre Schüler vor dem Schwänzen zu bewahren. Die Waldbröler Schulleiterin Kirsten Wallbaum-Buchholz beruft sich auf eine Nachricht der Bezirksregierung: „Wir können eine Klima-Exkursion anmelden und so wenigstens einmal an einer ,Fridays for Future’-Demo teilnehmen.“ Das bedeute zudem, dass auch minderjährige Schüler mitfahren dürften. (höh)
Der Schüler Manu Giannakoudi gibt zu, dass er zunächst nicht wusste, welche Konsequenzen das für ihn haben kann. „Aber die muss man dann wohl eben in Kauf nehmen, wenn man für eine gute Sache einstehen will“, überlegt derweil Fiona Fendrich (18). Die beiden Gesamtschüler sind volljährig, sie müssen ihre Entscheidung verantworten. Und die kann Folgen haben: „Auf einem Abschlusszeugnis tun Einträge wie Fehlstunden richtig weh“, weiß Schulleiterin Wallbaum-Buchholz. Sie rät ihren Schützlingen, diese Stunden in Vorstellungsgesprächen genau zu erklären. Insgeheim freut sich Wallbaum-Buchholz über ein politisches Engagement, sie schränkt aber ein: „Natürlich ist eine Demonstration der AfD ebenfalls eine politische Aktion. Aber damit hätte ich ein riesiges Problem.“
Keine weitere Strafe vorgesehen
Die Schulleiterin kündigt an, dass sie es bei den Fehlstunden belassen wird, weitere Strafen sehe sie zurzeit nicht vor. „Ziviler Ungehorsam tut immer auch weh, das muss man wissen“, sagt sie. Richtig haarig werde es jedoch, wenn die Schüler minderjährig sind. „In diesem Fall müssen wir die Eltern hinzuziehen, weil sie die Schulpflicht ihrer Kinder verletzt haben“, erklärt die Pädagogin. Mehrere Schüler, die jüngst nach Köln aufgebrochen sind, haben den 18. Geburtstag noch nicht gefeiert. So auch eine 17-Jährige aus Waldbröl: „Ich bin aber mit dem Wissen meiner Eltern nach Köln gefahren, sie haben mich dabei sogar unterstützt“, sagt sie.
Am Waldbröler Hollenberg-Gymnasium ist Frank Bohlscheid ebenso aufgeschmissen. „In den Achtzigern habe ich auf der Straße gestanden und gegen die atomare Aufrüstung demonstriert“, erinnert sich der Direktor. „Wie soll ich meinen Schülern also verbieten, ihre Meinung öffentlich zu sagen und dafür einzustehen?“ Auch er will die Fehlstunden nach Vorschrift erfassen und kündigt zudem „pädagogische Gespräche“ an, um die Schüler über ihr Fehlverhalten aufzuklären. „Bisher wissen wir aber noch von keinem unserer Schüler, dass er in Köln war oder das noch vorhat.“