Das „Kaufhaus für Alle“ bezieht in Hermesdorf einen früheren Getränkemarkt. Da werden tausende Waren wieder ausgepackt und in Regale geräumt.
Vom Stehrümchen bis zur SchrankwandIn Waldbröl zieht gerade ein ganzes Kaufhaus um

Das „Kaufhaus für Alle“ in Waldbröl ist auch ein Kaufhaus der Kuriositäten und der Raritäten. Hier packt Geschäftsführer Frank-Peter Twilling eine Shrutibox, ein indisches Musikinstrument aus.
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Frank-Peter Twilling ist im Stress, hektisch tippt er auf sein Smartphone ein. Das Gittertor ist zu, der Kleinlaster steht auf der Straße. Twilling ruft jemanden zu Hilfe, das Tor fährt auf. Denn die Zeit ist knapp: Am 31. März muss das „Kaufhaus für Alle“ den alten Standort an der Brölbahnstraße in der Stadtmitte Waldbröls geräumt und den neuen an der Industriestraße in Hermesdorf bezogen haben.
Doch erst seit anderthalb Wochen können Kaufhaus-Geschäftsführer Twilling und seine Leute das nahezu 5200 Quadratmeter große Gelände nutzen und die Hallen auf Vordermann bringen. Zuvor war darin ein Getränkemarkt: „Aber der Betreiber hat sich – trotz der Kündigung zum 31. Dezember – etwas mehr Zeit mit dem Auszug gelassen, bis wir endlich das erste Mal feucht durchwischen konnten“, sagt der 69-Jährige – und die höfliche Zurückhaltung ist dem Mann deutlich anzusehen.

Ein großer Teil der Ware ist bereits am neuen Standort in Waldbröl-Hermesdorf angekommen. Dort bereitet Helferin Katharina Wall gerade Kleidung auf.
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Jetzt wirbeln der Waldbröler und seine Helferschar durch den großen Verkaufsraum, die beiden kleinen Lagerräume, die große Anlieferungshalle und die drei Büros. Ab Dienstag, 25. März, will das Sozialkaufhaus wieder Sachspenden entgegennehmen. Zehn bis zwölf Männer und Frauen hat Twilling für den großen Umzug an sechs Tagen in der Woche und für acht Stunden am Tag an seiner Seite. „Auch Kundinnen und Kunden unterstützen uns, was wir auch gerne annehmen.“
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Auch dieser knallrote E-Roller für Seniorinnen und Senioren wartet in Waldbröl-Hermesdorf auf einen Käufer.
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Für sie heißt es: Hier einpacken, aufladen, abfahren, da abladen, stapeln, auspacken. Die Waren haben die 75 Beschäftigten und ehrenamtlich Tätigen nie gezählt – von der Comicfigur aus dem schokoladigen Überraschungsei für zehn Cent bis hin zur Schrankwand „Eiche, rustikal“ ist eben alles dabei. „Hochzeit – dekorieren“ steht auf einer Bananenkiste geschrieben, „Bücher – Großdruck“ auf einem Umzugskarton.
Mehr als 150.000 Artikel gehen in Waldbröler „Kaufhaus für Alle“ pro Monat über die Kasse
150.000 Artikel gehen nach Angaben des Geschäftsführers pro Monat über die Kasse, pro Woche kaufen rund 4000 Kundinnen und Kunden dort ein. „Müssten wir das alles einlagern, bräuchten wir Platz für rund 250 Europaletten“, schildert Twilling. Ausgerechnet hat er das für den schlimmsten aller Fälle, für das Scheitern des Umzugs. Wohl ein Zehntel des Sortiments habe bisher die Industriestraße erreicht.
Im neuen Verkaufsraum parkt bereits ein knallrotes, elektrisches Seniorenmobil, daneben türmen sich Kisten mit CDs und DVDs. In einem hölzernen Kasten lagert zudem eine indische Shrutibox – ein Musikinstrument, das man hierzulande wohl Quetschkommode nennt. „Und eine Zither gibt es auch“, verrät Uwe Althoff und greift in eine andere Kiste. Das „Kaufhaus für Alle“ ist also auch ein Kaufhaus der Raritäten und der Kuriositäten.

Mitarbeiterin Lilli Lerche kurvt mit einer Ameise durch die neuen Verkaufsräume in Waldbröl-Hermesdorf. Später packt sie Schuhe in die frisch installierten Regale.
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Althoff (62) ist Vorsitzender des Vereins „Unter dem Regenbogen“: 2002 ist dieser von der Evangelischen Kirchengemeinde am Wiedenhof mit der Trägerschaft dieses Geschäfts beauftragt worden. Gegründet wurde es bereits 1998 – in einem Keller an der Kaiserstraße. Dreimal wechselte es den Standort, das Grundstück „Industriestraße 1“ ist die vierte Adresse. Althoff: „Im Moment spreche ich öfter mit Frank-Peter als mit meiner Frau Liane.“
Irgendwann im April soll der Verkauf in Waldbröl-Hermesdorf wieder starten
Irgendwann im April soll der Verkauf wieder starten. Eben erst angebracht worden sind Regalreihen für die Schuhe, in den vergangenen 30 Minuten hat Mitarbeiterin Lilli Lerche die ersten 50 Paare auf die Glasböden gestellt. „Schade, dass wir die Stadtmitte verlassen müssen“, bedauert die 48-Jährige. „Aber ich freue mich auf das neue Kaufhaus.“
Wenige Meter von den Schuhregalen entfernt geht Textil um Textil durch die Hände von Katharina Wall: Die 67 Jahre alte Helferin sortiert Kleidung nach Damen und Herren, nach Winter und Sommer. „Und jedes Stück wird aufgebügelt“, erklärt Wall und hängt ein Kleid auf den Kleiderbügel.
Was nicht verkauft werden kann, holt ein Textilverwerter aus Bremen in der Marktstadt ab, er macht daraus Putzlappen und Dämmwolle. Frank-Peter Twilling nennt erneut stolze Zahlen: „Etwa 53.000 Kilogramm Kleidung müssen wir pro Jahr leider als unverkaufbar aussortieren – mehr als 65 Tonnen aber gehen in den Laden und weitere 50 als Spende in die Ukraine.“
Mit dem „Kaufhaus für Alle“ muss auch die Tafel Oberberg-Süd den Gebäudekomplex an der Brölbahnstraße verlassen: Die Lebensmittelausgabe zieht nach Thierseifen, in das frühere Gerätehaus des örtlichen Löschzugs. Auch dort soll im April die Eröffnung gefeiert werden.