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Serie

Mein ältester Schatz
Wipperfürths älteste Straßenbahn ist aus Dosen gemacht

Lesezeit 3 Minuten
Heinz Konietzka sitzt an einem Tisch, vor sich das Modell einer historischen Straßenbahn.

Heinz Konietzka zeigt das Straßenbahn-Modell seines Großvaters.

Ohne Bausatz fertigte Heinz Konietzkas Großvater in den 1930ern ein Straßenbahnmodell an, der hütet es bis heute.

Für diese Straßenbahn heißt die einzige Haltestelle seit gut 90 Jahren Wipperfürth-Lenneper Straße. Bei Familie Konietzka steht das Modell im Wohnzimmer und sieht inzwischen wieder aus wie neu. Vom Sofa aus kann Heinz Konietzka im Inneren der Miniatur-Bahn das Licht anknipsen und das kleine Kunstwerk betrachten.

Das Modell ist der älteste Schatz des Wipperfürthers, denn es ist eng verknüpft mit der Geschichte der Familie von Heinz Konietzka Mutter, einer geborenen Becker. Deren Vater baute das Modell Anfang der 1930er Jahre nämlich selber.

Haus der Familie Becker in Wipperfürth

Ohne Bausatz, ohne spezielle Modellbau-Werkzeug und ohne Hilfe eines gut sortierten Fachhandels. Er sägte die Gittertüren per Hand aus dem Blech leerer Konservenbüchsen und dengelte aus dem selben Material ein geschwungenes Dach.

Aus dem Holz von Zigarrenkisten entstanden die Wände und die Fahrerplattform. „Alles in Handarbeit und alles ohne Vorlagen“, berichtet Konietzka, als er den Schatz vorführt.

Einen gängigen Maßstab hat das Modell mutmaßlich nicht. „Zumindest habe ich keinen gefunden“, erklärt Konietzka. Die Spurbreite beträgt jedenfalls 56 Millimeter, das gesamte Vehikel ist von Puffer zu Puffer 316 Millimeter lang. Eine Playmobil-Figur könnte zumindest im Führerstand stehen.

Der Großvater war von Hause aus Elektriker und verbrachte viele Stunden mit dem Bau des Modells. Er verkabelte den Innenraum der Tram und „wahrscheinlich wollte er noch einen Antrieb einbauen“, erklärt der Enkel des Schöpfers und zeigt die eingelassene Öffnung im Boden, wo Platz für einen Antriebsriemen ist.

Als Vorbild dienten dem Großvater wohl Fotografien zeitgenössischer Straßenbahnen von Siemens und Halske, wie sie in Köln, Berlin und vielen weiteren Städten unterwegs waren. Ein hundertprozentiges Vorbild fand Heinz Konietzka zwar nicht, aber ein Foto einer Wuppertaler Straßenbahn Anfang der 1920er Jahre.

Das abgebildete Vehikel, ebenfalls aus dem Hause Siemens und Halske kommt dem Modell ausgesprochen nahe. Empfänger der Straßenbahn war ursprünglich der Sohn des Großvaters – Heinz Konietzka Onkel – Jahrgang 1924. Doch der Onkel, ebenfalls Heinz mit Vornamen, wurde im Krieg eingezogen.

1943 fiel er an der Ostfront mit 19 Jahren. Der Großvater hielt das Spielzeug seines toten Sohnes in Ehren. 1952 wurde der Enkel geboren und irgendwann entschied der Großvater, dass der die Straßenbahn haben sollte. „Das müsste so 1962 gewesen sein“, erinnert sich Konietzka.

Vorbild könnte eine Bahn von Siemens und Halske gewesen sein

Er war damals zehn Jahre alt und lackierte das Unikat erstmal knallgelb um. „Sie war mir wohl zu dunkel“, erinnert sich Konietzka und schüttelt lachend den Kopf. „Ich weiß nicht, was mich da geritten hat, es sah schrecklich aus“.

Detailaufnahme von Sitzbänken in einer Modellbahn, die Bänke sind aus Streichhölzern gemacht.

Das Innere baute Heinz Konietzka nach und verwendete ebenfalls Alltagsgegenstände, wie Streichhölzer.

Den farblichen Ausrutscher seines zehnjährigen Ichs besserte der neue Besitzer später wieder aus. Und mehr noch: Inzwischen selbst im Ruhestand sorgte der Radio- und Fernsehtechniker-Meister für eine neue Lackierung aus dezentem Grau und mit weißen Akzenten, die dem Original näher kommt.

Heute fließt der Strom durch einen USB-Anschluss

Aus Streichhölzern und Zigarrenkisten baute er passende Sitzbänke und erneuerte die Elektrik. Strom für die 6-Volt-Glühfadenlampen wird jetzt über ein USB-Kabel gezogen und die jeweilige Frontbeleuchtung der Tram lässt sich mit dem Bedienhebel ein- und ausschalten.

Die Straßenbahn, die der Großvater Anfang der 1930er Jahre im Haus an der Lenneper Straße baute, steht noch immer an der selben Adresse. Jetzt im Wohnzimmer von Familie Konietzka und sie sieht wieder aus wie neu.


Mehr über den Sommerwettbewerb „Mein ältester Schatz“

Mit der Volksbank Oberberg haben wir Sie bei unserem Sommerwettbewerb 2024 nach ihren ganz persönlichen Schätzen gefragt. Aus mehr als 170 Bewerbungen hat unsere Redaktion 20 Teilnehmer ausgewählt, deren Geschichte wir in der Zeitung erzählen. Bisher erschienen sind:

  1. Hanna und Wolfgang van Kerkom besitzen ein Blaupunkt-Gerät aus den 1960ern.
  2. Wiehler Pensionär hält Quickly-Moped in Ehren.
  3. Gudrun Sternickels Schätzchen erinnert an Reichshofer Institution.
  4. Ute Birnstengel aus Lindlar hütet seit ihrer Kindheit ein Medaillon.
  5. Corinna Kawczyk aus Gummersbach erkämpfte sich 1988 ein VfL-Trikot.
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  8. Michael Stumpe aus Engelskirchen-Ründeroth hütet ein echtes Stück Mond.
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  10. Außer Konkurrenz: Jurorin Marie Kramm aus Lindlar hält einen alten Sessel in Ehren.

Nach den Sommerferien bestimmt eine Jury, welche Teilnehmer es auf die drei vorderen Plätze schaffen und welche auf die Ränge vier bis 20. Am 8. Oktober werden die Finalisten in der Volksbank in Wiehl geehrt.