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Protest am ersten Arbeitstag

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Köln – Der Dom steht – wie immer in Köln – im Zentrum, ist aber an diesem Tag doch nur Kulisse. Die Leitung des Gottesdienstes zum „Aschermittwoch der Künstler“ in der Kathedrale hat Kardinal Rainer Woelki kurzfristig abgesagt. Am Tag seiner Rückkehr bleibt er weitgehend unsichtbar und belässt es bei einem Hirtenwort.

An seiner Stelle steht Künstlerseelsorger Josef Sauerborn am Altar. Nachdem er zu Beginn auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine eingegangen ist, sagt er, auch das Erzbistum sei „geschüttelt und gerüttelt.“ Woelkis bleibe an diesem Tag „der für die Künstlerschaft so wichtig ist“, dem Dom fern, „um nicht im Blickpunkt zu stehen“, erläutert Sauerborn.

Vor dem Dom richtet sich der Blick mehrerer hundert Demonstranten gleichwohl auch auf den abwesenden Kardinal, der jetzt zurück im Dienst ist. Unter dem Glockengeläut des Doms, gibt Maria Mesrian, Sprecherin der Reforminitiative Maria 2.0, die noch ganz frische Nachricht von Woelkis Rücktrittsangebot weiter. Dass Franziskus darüber erst irgendwann später befinden will, geht im Beifall und Jubel der Demonstranten unter. „Hoffentlich hört das der Papst“, ruft einer spontan in ein großes Megafon. Andere recken dazu entschlossen ihre Plakate in die Höhe, auf denen Parolen wie „Weg vom Woelki-Gehorsam“, „Nicht in meinem Namen“ oder „Aschermittwoch passé – Woelki ade“ stehen.

„Rom entscheidet. Und wir hoffen, dass Rom die Bilder hier sieht“ sagt Mesrian anschließend. Der Papst müsse Woelkis Angebot annehmen. Doch auf dem Platz vor dem Dom, den die Aktivisten mit rotem Trassierband symbolisch abgesperrt haben, werden überall Zweifel laut, ob es so kommt. Die Gemeindereferentin Marianne Arndt als Mitorganisatorin der Demo würdigt es immerhin als „positive Geste, dass Woelki das heute so bekannt gegeben hat“. Für sie ein Indiz der Einsicht bei Woelki, „dass es ein »Weiter so« nicht geben kann.“

Insgesamt reicht das Rücktrittsangebot nach Ansicht der Demonstrierenden nicht aus. Hinter Woelki stehe in Köln „ein befremdliches, von Opus Dei gesteuertes Machtsystem“, sagt Bernadette Rüggeberg von Maria 2.0. Es gelte weiter zu kämpfen für eine andere Kirche, in der es Gewaltenteilung, Geschlechtergerechtigkeit und Teilhabe für alle gebe.

Macht und Missbrauch

Ohne einen Bruch mit den bestehenden „Machtobszönitäten“ sei die Kirche nicht mehr zu retten, habe Woelki keine Zukunft in Köln, sagt der Kölner Priester Dirk Peters. Mesrian bringt auch die Themen Macht und Missbrauch zusammen. Sie berichtet von einer Frau, deren Leidensgeschichte im Missbrauchsgutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke als Aktenvorgang erfasst ist. Der Täter stehe bis heute Dienst des Erzbistums. Ist das konsequentes Handeln?“, fragt Mesrian. Nach wie vor wiege der Schutz der Institution mehr als der Schutz der Opfer. Die Theologin hält dagegen: „Wir lassen nicht zu, dass eine klerikale Machtelite die Botschaft verrät. Dass sie mehr Geld für Gutachten ausgibt, als für die Betroffenen sexueller Gewalt.“

Karl Haucke, selbst Missbrauchsopfer und zurückgetretener Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum, warnt mit Blick auf Rom, es sei falsch, die Rückkehr des Kardinals in das Gemeindevolk zu erzwingen, „das ihm schon von weitem zuruft, er solle bleiben, wo er ist.“ Haucke schlug den Bogen von der sexualisierten Gewalt zur Gewalt des Krieges in der Ukraine: Gewalt entspringe immer der Tyrannei. Die Gewalt mache Kinder zu Opfern, die ihre Traumata ein Leben lang nicht loswerden könnten.

Scharfe Kritik an der Kundgebung vor dem Dom formuliert Hauckes Nachfolger als Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum, Peter Bringmann-Henselder. Die Kritiker hätten den „Aschermittwoch der Künstler“für ihre Zwecke missbraucht, moniert er nach dem Gottesdienst im Dom am Rande eines Empfangs im Maternushaus. Das sei „eine Unverschämtheit gegenüber den Künstlern, denn das ihr Tag“.

Woelki als „Sündenbock“

Alle Probleme „in Sachen sexueller Missbrauch“ würden „auf den Kardinal abgewälzt“, Woelki werde zum „Sündenbock“ gemacht, findet Bringmann-Henselder . Die Kritiker ließen „Christentum, Theologie und Respekt“ außer Acht. Demgegenüber komme es darauf an, „miteinander zu reden, auf sauberer Basis“. Krätzchensänger Ludwig Sebus, auch er Gast im Maternushaus, sagt, es seien im Erzbistum Gräben des Hasses entstanden, die endlich zugeschüttet werden müssten. Der 96-Jährige plädiert für einen Neuanfang „ohne Vorbehalt“ und mit dem Willen zur Versöhnung.