Bergisch Gladbach – Der Bergisch Gladbacher S-Bahnhof am Morgen, nachdem die Deutsche Bahn völlig überraschend das Handtuch geworfen hat: Hunderte Pendler stehen hier nicht, aber es gibt über den ganzen Tag immer wieder eine ganze Reihe von Kunden, die sich die Beine in den Bauch stehen, weil sie noch nichts davon mitbekommen haben, dass nichts mehr geht.
Dass auf einmal nichts mehr geht, hat am Mittag auch die Politik und den Aufgabenträger Nahverkehr Rheinland GmbH auf den Plan gerufen. Der NVR zeigt sich „äußerst irritiert“. Der Verband hätte gehofft, dass die „DB Regio hierzu vorab den Dialog mit uns gesucht hätte und nicht im Alleingang entscheidet und kommuniziert“, formuliert Sprecher Holger Klein, und: „Wir erwarten mindestens die Erhaltung eines Grundangebotes zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge für die Fahrgäste anzubieten.“
Noch deutlicher hat sich zuvor Gerhard Zorn, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion und Bahnexperte seiner Partei, geäußert: „Ein solcher Schritt darf sich nicht wiederholen.“ Für die schwarz-grüne Kreistags-Koalition fordert Johannes Dünner (CDU): „Ab Montag muss es wieder mindestens einen Stundentakt geben!"
Geprellt sind an diesem Juli-Freitag in Bergisch Gladbach vor allem Fahrgäste, die nicht so internetaffin sind oder die kein Smartphone oder schlechte Augen haben oder geringe deutsche Sprachkenntnisse haben. Sie stehen da. Abgehängt in Bergisch Gladbach.
100.000 Betroffene
Die kurzfristige Stilllegung von S-Bahnen rund um Köln betrifft in Rhein-Berg und Rhein-Sieg an die 100.000 Menschen. Laut NVR hat die S11 an Werktagen etwa 29 000 Einsteiger. Bei den Linien S12 und S19 ins Siegtal sind es sogar 68 000. (sb)
Denn erst am späten Donnerstagnachmittag hatte die Deutsche Bahn via Internet (etwa www.zuginfo.nrw und Twitter) und Pressemitteilung rückwirkend mitgeteilt, dass die S-Bahn-Linien S 8, S 11, S 12 und S 13/S 19 „bis voraussichtlich einschließlich Sonntag komplett entfallen“ müssten.
Als Grund gab die Bahn gegenüber der Presse „regional erhöhte Krankenstände bei Mitarbeitenden“ an, und weiter: „Betroffen ist davon insbesondere die Leitstelle von DB Regio NRW, wo der Regionalverkehr der DB für Nordrhein-Westfalen koordiniert wird.“
Nur ein winziges Laufband informiert
Doch ist an diesem Freitagvormittag am S-Bahnhof einzig ein winziges digitales Laufband angebracht. „Aus betrieblichen Gründen fallen die S-Bahn-Züge der Linie S 11 leider aus. Es besteht ein Taxinotverkehr der Taxizentrale Neuss auf der Strecke Bergisch Gladbach – Köln –Neuss.“ Lautsprecherdurchsage? Fehlanzeige.
Für ein paar Minuten übernimmt es der Schreiber dieser Zeilen, die Wartenden vor Ort ganz analog aufzuklären und ihnen den Tipp zu geben, am besten in die Linie 451 oder 452 umzusteigen, bis Refrath zu fahren und dort in die Straßenbahnline 1 zu wechseln. Zwar gibt es noch einige weitere Möglichkeiten, nicht zu Fuß nach Köln gehen zu müssen, aber die Refrath-Variante scheint als Vor-Ort-Erklärung die einfachste zu sein.
NVR sieht „inakzeptable Kommunikation"
Im schnellen Internet hat die Kapitulation der Bahn bereits am Donnerstagabend auf Twitter einige böse Kommentare ausgelöst. NVR-Sprecher Holger Klein erklärt am Freitag auch, sein Verband bedauere, dass bei der Bahn auch durch Corona eine solche Situation eingetreten sei. Statt dieser „inakzeptablen Kommunikation“ hätte er sich aber „auch im Sinne der Fahrgäste eine frühzeitigere Information gewünscht“.
Kurzfristig arbeite die DB Regio daran, einen Schienenersatzverkehr auszuweiten sowie ab Montag zumindest einen Notfahrplan anzubieten. Klein: „Im Nachgang wird es für die gesamte Branche unerlässlich sein, die mannigfaltigen Gründe für die aktuelle Situation zu ermitteln und an deren Beseitigung zu arbeiten.“
Entscheidung nicht alternativlos
Zuvor hatte SPD-Politiker Gerhard Zorn hervorgehoben, dass das Vorgehen der Bahn keineswegs „alternativlos“ gewesen sei. Statt die hiesigen Linien komplett zu kappen, hätte sie auch überall im Land die Fahrten etwas ausdünnen können. Dies ergebe sich schon aus der Bahn-Angabe, dass über 80 Prozent der Fahrten im Regionalverkehr in NRW normal liefen. Zorn: „So geht es aber nicht. Das ist nicht akzeptabel!“
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Johannes Dünner stört sich nicht nur an der (Nicht-)Kommunikation der Deutschen Bahn, sondern auch am Hinweis auf Taxiersatzverkehr mit Neusser Taxis. Das treffe nicht wirklich die Befindlichkeiten der Menschen in Rhein-Berg. „Was wir hier brauchen, ist eine leistungsfähige Verbindung nach Köln." Während Corona habe die Bahn die Fahrten schon einmal auf eine pro Stunde reduziert.