Er wollte sich selbst anzeigen, als er in Bergisch Gladbach die 110 wählte. Dann ging er auf die Polizei los. Jetzt stand er in Bensberg vor Gericht.
ProzessBetrunkener wählt die 110 und greift Bergisch Gladbacher Polizisten an
Fast schon mehr Glück als Verstand hatte ein 31-jähriger Randalierer am Montag vor dem Bergisch Gladbacher Amtsgericht. Trotz seiner 13 Vorstrafen verurteilte ihn das Gericht wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und einer ganzen Latte damit verbundener Delikte noch einmal zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten. Zurück ins Gefängnis musste er danach trotzdem, um noch eine Reststrafe abzusitzen.
Ob der Angeklagte für das Urteil sensationell viel Glück brauchte oder ob es mit seinem Verstand nicht so ganz weit her ist, steht dabei auf einem anderen Blatt. Ismail G. hatte sich am Abend des 14. August 2023 beim Polizei-Notruf gemeldet: Er wolle sich selbst anzeigen. Es ging wohl darum, dass er schwarzgearbeitet hatte und sein Auftraggeber ihn nicht mehr bezahlen wollte.
Angeklagter hatte Haftbefehl nicht auf dem Schirm
Wie auch immer, eine dreiköpfige Streifwagenbesatzung fuhr dorthin, wo sich Ismail G. gerade in Bergisch Gladbach aufhielt, und eröffnete ihm, dass gegen ihn ein Haftbefehl vorliege und er nun zur Wache mitkommen müsse.
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Das aber wollte der wieder bei seinen Eltern in Langenfeld lebende ledige Vater eines zehnjährigen Kindes auch nicht. Laut Anklage widersetzte er sich der Festnahme durch die beiden Polizistinnen und den Polizisten, sperrte sich, beleidigte die Beamtinnen und den Beamten übel, aber immerhin in gendergerechter Sprache, nämlich als „Hurensohn“, „Fo…“, „Hure“ und noch einiges mehr.
Außerdem bedrohte er das Streifenteam und trat zu guter Letzt, am Boden liegend, einer der beiden Beamtinnen mit dem Fuß gegen den Oberschenkel. Eine ihm auf der Polizeiwache entnommene Blutprobe ergab in der Rückrechnung den Wert von 2,02 Promille sowie Spuren von Cannabis im Blut.
In den Gerichtssaal wurde der hagere Angeklagte am Montagmittag in Handschellen geführt, wo ihm die Fesseln dann abgenommen wurden. Sein Pflichtverteidiger Dr. Karl-Christoph Bode brachte die Dinge rasch auf den Punkt: „Es war nicht sein Glückstag. Er zeigt sich selbst an, vergisst seine Ersatzfreiheitsstrafe und dann das. Das brauchen wir nicht, das brauchen vor allem die Polizeibeamten nicht.“
Bergisch Gladbacher Polizeibeamte brauchten nicht auszusagen
Für seinen Mandanten, so der Bergisch Gladbacher Strafverteidiger weiter, spreche allenfalls der hohe Alkoholwert, der in Kombination mit dem Cannabis eine Mischintoxikation bedingt habe. Sein Mandant müsse sein Leben endlich in den Griff bekomme und beispielsweise auch akzeptieren, dass er einen Bewährungshelfer habe, mit dem er zusammenarbeiten müsse.
Andererseits seien die Chancen jetzt gut, Ismail G. arbeite als Trockenbauer und habe sich mit seinen Eltern versöhnt, die ihn auch wieder bei sich aufgenommen hätten. Nachdem Verteidiger und Mandant die Vorwürfe umfassend eingeräumt hatten, wurden die beiden jungen Beamtinnen und ihr ebenfalls junger Kollege entlassen, ohne aussagen zu müssen. Sie verließen umgehend den Gerichtssaal.
Staatsanwalt wertet sexualisierte Beleidigungen als strafschärfend
Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer anschließend sechs Monate Haft ohne Bewährung. Strafschärfend bewertete er das hohe Maß an Frauenverachtung und die sexualisierten Beleidigungen, die sich der Angeklagte am Abend des 14. August 2023 habe zuschulden kommen lassen. Eine verminderte Schuldfähigkeit sehe er bei dem Angeklagten nicht.
Verteidiger Bode bat um eine milde Strafe. Der Angeklagte Ismail G. bekundete in seinem letzten Wort: „Ich wollte mich ja eigentlich bei den Polizeibeamten entschuldigen. Aber die waren ja direkt weg.“ Die Nicht-Entschuldigung nahm Strafverteidiger Bode auf seine Kappe: „Ich habe ihm nur gesagt: ,Lass es', denn das wirkt manchmal nur provozierend.“
Am Ende verkündete Strafrichterin Miriam Kuschel ihr Urteil: Sechs Monate auf Bewährung. Die Richterin, die den Angeklagten wegen seines Nichterscheinens beim letzten Mal hinter Gitter gebracht hatte, bejahte verminderte Schuldfähigkeit wegen der Drogen-Kombination. Es sei nun die letzte Chance: „Wenn noch einmal irgendwas ist, und das muss nichts mit der Polizei sein, wird es das gewesen sein!“