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ProzessBergisch Gladbacher soll Opfer bei Prügelei zweimal den Kiefer gebrochen haben

Lesezeit 4 Minuten
In einem Saal des Amtsgerichtes stehen Tische und Stühle.

Vor dem Amtsgericht Bensberg wurde die Auseinandersetzung verhandelt.

Das Gericht stufte die Zeugenaussagen als unzuverlässig ein. Alle Beteiligten hatten vor dem Streit Drogen genommen.

Vor dem Amtsgericht Bensberg wurde ein Vorfall vom 6. Juni 2024 verhandelt, der sich am Treffpunkt für Obdachlose auf dem Parkplatz Schnabelsmühle ereignet hatte. Angeklagt war Andreas M. (Namen geändert). Ihm wurde vorgeworfen, an jenem Tag Sahid D. mit Pfefferspray attackiert zu haben. Als Sahid D. mit den Händen vor dem Gesicht am Boden lag, soll Andreas M. laut Anklage zugetreten haben. Der Tritt traf den Kopf des Opfers. Der Unterkiefer brach auf beiden Seiten.

Andreas M. ist 30 Jahre alt und befinde sich mittlerweile in einer erfolgreichen Drogentherapie. Er schilderte, dass er ursprünglich eine Angelegenheit mit Dieter L. klären wollte, es sei um Geld gegangen. Plötzlich sei Sahid D. mit einem Messer auf ihn losgegangen. Er habe sich mit Pfefferspray verteidigt. Um das Messer des Angreifers zu sichern, habe er das am Boden liegende Opfer am Kopf getroffen. Er bedauerte, dass er im Eifer des Gefechts so gehandelt hat.

Opfer wollte einem Freund helfen

Als erster Zeuge schilderte das Opfer seine Sicht der Dinge. Begleitet von einer Anwältin, die aufpasste, dass er die Beantwortung der Fragen verweigert, mit denen er sich selbst belasten würde. Sahid D. berichtete, dass er einem Freund, den er seit drei bis vier Jahren kannte, zu Hilfe eilen wollte, der Stress mit dem Beklagten gehabt habe. „Dieter ist ein ängstlicher Typ, dem wollte ich helfen“, erklärte Sahid D.

Als er auf Andreas M. zuging, habe dieser gerufen: „Was willst du von mir, du Hurensohn“, und ihm dann eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Sahid D. sei zu Boden gestürzt und habe dann den Tritt gegen seinen Kiefer gespürt. Zunächst habe er den Bruch gar nicht bemerkt, und auch im evangelischen Krankenhaus ist dieser nicht festgestellt worden. Erst seine Zahnärztin diagnostizierte den Kieferbruch, der dann in Köln behandelt wurde. Auf Nachfrage bestätigte der Zeuge, dass er zuvor Drogen genommen hatte. Von einem Messer wisse er nichts und betonte, dass er niemals ein Messer benutzen würde.

Alle Zeugen waren während der Auseinandersetzung in Bergisch Gladbach auf Drogen

Der gar nicht so ängstlich wirkende Dieter L. betrat daraufhin den Zeugenstand und erklärte, dass Franziska F. den Beklagten auf ihn gehetzt habe. Bei dem Streit sei dann Sahid D. gekommen und habe ihn beschützt. Nachdem das Opfer vom Pfefferspray getroffen zu Boden gegangen sei, habe Andreas M. zugetreten wie beim Fußball. „Ein Messer habe ich nicht gesehen“, versicherte der Zeuge, der ebenfalls im Vorfeld Drogen konsumiert hatte.

Der nächste Zeuge, Ismael W., hatte eine äußerst schwache Erinnerung. Er erinnerte sich zwar an das Pfefferspray, wisse aber nicht genau, wer es abbekommen hatte. Ebenso wenig erinnerte sich Franziska F., die als Beruf Fluglotsin angab, an den Vorfall. Erst der Angeklagte brachte ein wenig Licht ins Dunkel ihrer Erinnerung: „Franziska, du bist doch mit mir den kleinen Weg hochgelaufen!“ Dort wurden die beiden dann von der inzwischen gerufenen Polizei aufgegriffen und verhört. Als die Zeugin mit ihrer damaligen Aussage konfrontiert wurde, rief sie empört: „Dürfen Polizisten denn alles schreiben, was ihnen einfällt? “

Polizist kennt Zeugen von Streife an der Schnabelsmühle

Am zweiten Prozesstag sagte der Polizeibeamte aus. Er berichtete, die beiden oben an dem Weg gestoppt und verhört zu haben. Den Ort an der Schnabelsmühle beschreibt der Beamte als einen Platz, an dem es oft zu Drogendelikten und Streitigkeiten komme.

Die Polizei käme dort regelmäßig vorbei, um Kontakt zu halten, und einige der Zeugen kannte der Beamte auch mit Namen. Ein besonderes Detail, das die begleitende Praktikantin, heute Polizeikommissarin, im Zeugenstand erwähnte: „Nach Hinweisen aus der Gruppe haben wir ein Messer gesucht, gefunden und sichergestellt.“

Am Ende waren sich Staatsanwaltschaft, Richter und Verteidiger einig, das Verfahren einzustellen. Die Zeugen seien allesamt unzuverlässig gewesen, sie hätten Drogen genommen, und ihre Erinnerungen waren davon und vom Hörensagen geprägt. Da das Messer im Zusammenhang mit dieser Tat gefunden worden sei, sei eine Notwehrsituation möglich. So kann Andreas M. seine Therapie zu Ende führen. Er berichtete, dass er einen Job in Aussicht habe – ein positives Signal.