AboAbonnieren

Leere Straßen in Gladbach„Fridays for Future“ konnte keinen Streik organisieren

Lesezeit 6 Minuten

So zahlreich vertreten, wie bei vergangenen Streiks sind die Demonstrierenden in Rhein-Berg momentan nicht.

Bergisch Gladbach – „Fridays for Future“ (FFF): Vielen Menschen ist die Gruppe seit dem ersten globalen Klimastreik 2019 ein Begriff. Mit der Ortsgruppe Rhein-Berg sind sie auch in der Region vertreten, wenn auch nicht so zahlreich wie früher. Aktuell sind es vier Mitglieder, die den Kampf für Klimaschutz in Rhein-Berg bestreiten. „Von den Mitstreitenden, mit denen wir angefangen haben, befinden sich viele im Studium oder gar nicht mehr in der Region“, berichtet Chantal Reiher, die ein Mitglied der Gruppe ist.

Neuer Inhalt

FFF-Mitglied Chantal Reiher.

Sie erzählt, dass es sich schwieriger als gedacht gestaltet, neue Mitstreitende aus Rhein-Berg zu finden. „Ich habe das Gefühl, die Menschen hier sind noch nicht beim Zustand Klimanotstand angekommen“, sagt Reiher. Viele Mitglieder der Gruppe seien fertig mit der Schule oder steckten aktuell mitten im Vorabitur - so auch Fabian Müller, welcher aktuell inaktives Mitglied der Gruppe ist.

Schwierigkeiten, neue Mitglieder zu finden

„Corona hat sicherlich einen Teil dazu beigetragen, dass wir als Gruppe den Anschluss verloren haben“, sagt Müller. Neue Mitglieder zu finden, habe sich als schwierig herausgestellt, in Zeiten in denen viele Fragen im Raum standen: „Was für Auflagen gibt es? Wie erarbeiten wir ein Gesundheitskonzept?“, so Müller. Auch wenn es nicht an Motivation fehle, habe es bei FFF Rhein-Berg an Kapazitäten zur Beantwortung gefehlt. So kommt es, dass Gladbachs Straßen am morgigen globalen Klimastreik leer bleiben. Die verbliebenen Mitglieder hätten keine Zeit gehabt, etwas zu organisieren.

Viele Menschen, die dennoch streiken wollen, würden auf die Demo in Köln ausweichen. Das bestätigt auch Schülersprecher Leo Müller. Er geht auf die Integrierte Gesamtschule Paffrath (IGP) in Bergisch Gladbach. Dort würden einige Lehrer die Teilnahme an FFF-Demos als Schulangebot anbieten. Wenn in Gladbach keine Demos stattfinden, sei Köln die Alternative.

Interesse an Klimastreiks bestehe dennoch

Leonie Jöster aus dem Presseteam der Kölner Ortsgruppe sagt, dass viele kleinere Gruppen oft Schwierigkeiten hätten, etwas zu organisieren, da sie weniger Leute seien. Dann werde öfter auf die größeren Städte ausgewichen. „Viele aus dem Umland kommen zu uns nach Köln“, sagt sie. Einige Ortsgruppen müssten sich wieder neu finden, die Corona-Pandemie habe ihre Spuren hinterlassen.

„Wir haben gemerkt, wie stark Aktivismus von persönlichem Austausch und Freundschaften lebt. Das ist, wie bei vielen anderen, zu kurz gekommen“, meint sie. Außerdem merke man in der gesamten Bewegung, dass FFF älter werde. Die Lebenssituationen würden sich ändern und der Aktivismus bekäme manchmal einen anderen Stellenwert.

Auch die Klimafreunde setzen sich für die Umwelt ein

Doch nicht nur FFF engagiert sich für Klimaschutz in Bergisch Gladbach. Auch die Klimafreunde Rhein-Berg tragen einen wichtigen Teil der Arbeit in der Region. Im Gespräch mit Stefan Häusler, Mitgründer des Vereins, berichtet dieser: „Mehrmals haben wir in Vergangenheit Kooperationen mit FFF angefragt. Zustande gekommen sind diese nicht.“ Die Gründe warum diese naheliegende Kooperation nicht zustande gekommen ist, ließen sich nicht rekonstruieren.

Neue Gruppe in Rösrath

Rösrath for Future

VON THOMAS RAUSCHNeu am Start ist die Gruppe „Rösrath for Future“, sie ist seit Anfang des Jahres aktiv. Mit ihrem Beitrag zum weltweiten Klima-Streik der Bewegung „Fridays for Future“ am Freitag macht sie erstmals öffentlich auf sich aufmerksam. Der Rösrather Zusammenschluss hat sich über soziale Netzwerke gebildet: Jennifer Wagner und Lena Müllhäuser, die bei „Parents for Future“ in Köln aktiv waren, wollten in ihrem Wohnort Rösrath eine Gruppe ins Leben rufen und starteten über Facebook einen Aufruf. „Wir waren positiv überrascht“, sagt Wagner über das Echo. Die Aktiven tauschen sich über eine Whatsapp-Gruppe mit rund 30 Mitgliedern und eine wöchentliche Videokonferenz aus. In der Gruppe beteiligen sich Menschen aus unterschiedlichen Generationen – Jugendliche ebenso wie Eltern und Großeltern. Für den morgigen Aktionstag ist für 14 Uhr eine Auftaktkundgebung auf dem Rathausplatz in Hoffnungsthal geplant, anschließend ein Demonstrationszug durch Hoffnungsthal und eine Abschlusskundgebung am Rathaus. Der Demonstrationszug erinnert an die Überschwemmung vom 14./15. Juli letzten Jahres, von der Hoffnungsthal besonders stark betroffen war, er weist auf die Folgen der Klimakrise hin. „Wir wollen den Betroffenen der Flut zeigen, dass sie nicht vergessen sind“, sagt Müllhäuser. Sie betont, dass solche Katastrophen angesichts der globalen Klimakrise künftig häufiger vorkommen könnten. „Deshalb sagen wir klar: Das Wohl der Menschen hängt vom Klima ab und wir müssen unser Wohl über die Profitsucht nach einem Höher, Schneller, Weiter stellen“, so Müllhäuser. An die Eigenverantwortung der Menschen erinnert Bernd Bobisch, der zur Großeltern-Generation zählt und sich nach dem Facebook-Aufruf „Rösrath for Future“ spontan angeschlossen hat. „Es fängt im Kleinen an“, sagt er zum umweltbewussten Verhalten im Alltag. Bobisch, der in Rösrath als Liedermacher bekannt ist, wird sich bei der Kundgebung auf dem Rathausplatz mit zwei Liedern einbringen.Kontakt per E-Mail.roesrath@parentsforfuture.de

Die Klimafreunde tragen einen großen Teil der Klimaschutzarbeit. Projekte sind unter anderem das Vorantreiben der Verkehrswende, also ein Tempolimit 30 in Innenstadtbereichen, ein Ausbau der Radwege und das Einrichten eines Bürgerrates für Klimafragen. „Die Menschen in Bergisch Gladbach, werden offener für das Thema“, sagt Häusler. „Was oft fehlte, war Aufklärungsarbeit.“

Mit der Teilnahme an der ersten Gladbacher Publikumsmesse „Klimaris“, die am 2. und 3. April in der Stadtmitte stattfindet und sich unter anderem mit Nachhaltigkeit beschäftigt, wollen die Klimafreunde einen Teil zur Aufklärungsarbeit beitragen.

Das sagt der Experte zur Lage von Fridays for Future

Michael Neuber, als „Protestforscher“ am Zentrum für Technik und Gesellschaft der Technischen Universität in Berlin beschäftigen Sie sich mit Umweltbewegungen.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage von Fridays for Future ein?

Neuer Inhalt

Protestforscher Michael Neuber gibt seine Einschätzung zu Fridays for Future ab. 

Michael Neuber: Die Bewegung hatte schon vor dem Angriffskrieg in der Ukraine Schwierigkeiten mit der generellen politischen Lage. In der jetzigen Situation sind viele Dinge in der Schwebe: Man hat noch keinen klaren Umgang mit der Regierungsbeteiligung der Grünen gefunden, Corona ist nicht ganz vorbei und die weiteren Auswirkungen des Krieges sind noch nicht klar abzusehen.Die Krisen konkurrieren, und es ist schwierig geworden, das Problem durch die Themenkonjunktur durchzubekommen. Die Bewegung muss sich neu ordnen.

Ist die Beteiligung generell geringer geworden?Ja, schon. Auf der Demo vor der Bundestagswahl 2021 war die Beteiligung wieder höher, aber an die Zahlen von 2019 kamen sie auch da nicht ran. Die März-Aktionen sind dazu immer weniger besucht als die im September. Außerdem kann es sein, dass das äußere Feld der Teilnehmenden denkt, dass durch die Beteiligung der Grünen in der Regierung jetzt genug passiert und teilweise wegbricht.

Sehen Sie die Chance, dass die Beteiligung wieder so hoch wird wie vor Corona?Das kommt drauf an, wie die Krisen sich entwickeln. Weitere Umweltkatastrophen könnten die Aufmerksamkeit wieder auf das Thema lenken. 2020 hat sich abgezeichnet, dass die Teilnehmenden jünger und engagierter werden. Aber es scheint eher eine Kerngruppe zu geben, die die breite Masse momentan nicht erreicht. Sie müssen ihre Themen sortieren und neue Standpunkte entwickeln.

Das Gespräch führte Alina Bremer.