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WeihnachtsgeschenkeDiese Leseempfehlungen geben Buchhändlerinnen aus Rhein-Berg

Lesezeit 7 Minuten
Ein Stapel neuer Bücher liegt auf einem Verkaufstisch in einer Buchhandlung.

Die ruhige Zeit an Weihnachten kann zum Lesen genutzt werden.

Die Buchtipps der Händlerinnen können zum Verschenken und Selbstlesen genutzt werden.

Rebellisches Älterwerden

„Honey“ ist eine Heldin, „wie Sie noch keine kennengelernt haben und die Sie nicht wieder vergessen werden, das verspreche ich, so haben Sie noch nie über das Altern gelesen“, sagt Alexandra Brune-Will, Inhaberin der Buchhandlung Junimond in Rösrath. Und: „Im Verlauf des Romans tauchen wunderbar liebenswert schräge Außenseiterfiguren auf, herrliche Dialoge lassen einen nur so durch die Geschichte fliegen und Honeys versöhnliches Ende lässt den Leser komplett verliebt mit diesem Buch zurück.“

Inhalt: Es geht in diesem Roman um Sehnsucht nach Zugehörigkeit und die nach Liebe. Die fast vier Jahrzehnte umfassende Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und lässt den Leser mitfühlen, mitlachen und mitweinen. Honey ist sehr schick und sehr kaprizös. Und Honey ist 82. Sie weiß das, weigert sich aber, sich entsprechend zu kleiden oder zu benehmen. Nach einem Leben als Kunstexpertin in den besten Auktionshäusern von Los Angeles ist sie nach New Jersey zurückgekehrt - eine Heimat, die sie als Teenager gegen den Widerstand ihrer Familie verlassen hat. Die interessantesten Tage ihres Lebens liegen hinter ihr, glaubt sie.

Aber sie irrt sich. Zurück in der Stadt ihrer Kindheit muss sich Honey ihrer Vergangenheit stellen. Hier hat sie keine Freunde mehr – die letzten hat sie in Kalifornien beerdigt– sondern vielmehr Feindinnen. Das sind ehemalige Freundinnen, denen sie in ihrer wilden Jugend die Liebhaber und Ehemänner ausgespannt hat. Denn Honey war und ist eine Schönheit, der die Männer zu Füssen liegen und sie hatte noch nie ein wirkliches Gewissen. Und sie muss sich mit ihrer Familie auseinandersetzen, in deren Garten die Leichen nicht nur sprichwörtlich vergraben liegen.

Honeys Familie ist immer Teil der Mafia in New York gewesen und ihr Neffe Corrado ist nach der Ermordung seines Vaters das Oberhaupt der Familie geworden. Vor dieser Familie ist sie geflohen, und kehrt jetzt – nach deren Meinung – in ihren Schoß zurück. Aber ihre Erfahrungen mit dem, wozu die Männer in ihrer Familie fähig sind und dem, was ihr Vater getan hat, lassen sie sehr zurückhaltend auf diese Vereinnahmung reagieren.

Unkonventionelle Familienbeziehung

Der Buchtipp von Charlotte Bärenz, Inhaberin der Bücherscheune in Schildgen, ist „Ein anderes Leben“ von Caroline Peters.

Inhalt: Der Roman spielt in den 70er und 80er Jahren. Durch den Tod ihres Vaters Bow denkt die Protagonistin über ihre Kindheit und ihre verstorbene Mutter Hanna nach. Sie stellt sich die Frage, ob ihre Erinnerungen an Kindheit, Familienleben und ihre Mutter wirklich richtig sind. Hanna studierte slawische Literatur und lernte während ihres Studiums drei Studienfreunde kennen. Die Vier bildeten das sogenannte Kleeblatt.

Hanna heiratete nacheinander die drei Studienfreunde, aus jeder Ehe entstammt eine Tochter. Ihr letzter Mann Bow, ein Architekt, baute für die Familie nach einer Amerikareise ein Haus nach amerikanischem Vorbild. Hanna und Bow führten eine moderne Ehe, allerdings waren Bows Erwartungen an die Rolle seiner Frau sehr konservativ. Hanna schafft sich ihren Freiraum durch eine Stelle in der Universitätsbibliothek und der Übersetzung russischer Literatur. Um für ihre Leidenschaft - der Literatur - Zeit zu haben, gab es mittags oft Dosennahrung. All das überspielt sie mit Charme und Humor.

Nachdem die beiden ältesten Töchter ausgezogen sind und die Jüngste im Teenageralter ist, trennt sie sich auch von Bow und bezieht eine Wohnung in der Nähe des Hauses. Die Jüngste bleibt beim Vater, isst aber regelmäßig bei der Mutter. Caroline Peters beschreibt mit Humor das Leben einer unkonventionellen Frau, die sich gezwungenermaßen dem üblichen Rollenbild des Zeitgeistes unterwirft, nur um sich so schnell wie möglich wieder daraus zu befreien.

Die Kraft der Freundschaft in irischem Dorf

„Die Mitternachtsschwimmer“ von Roisin Maguire ist die Leseempfehlung von Pia Patt, Inhaberin der Buchhandlung Funk in Bensberg.

Inhalt: Grace gilt, selbst für ein kleines irisches Küstendorf, als eigenbrötlerisch und schräg. Am liebsten verbringt sie ihre Zeit schwimmend im Meer, mit ihrem Hund oder sie quiltet. Ihr Elternhaus vermietet Grace an Gäste und so kommt Evan in den winzigen Ort. Nachdem er im Büro zusammengebrochen ist, will er Abstand zu seinem Alltag und einer familiären Tragödie. Doch es kommt alles anders als erwartet. „Ein wunderbarer, warmherziger und kluger Roman über die Kraft von Freundschaft, über Liebe, Trauer und Verlust“, findet Patt.

So mutig wie die Oma, eine „Warbride"

Heike Marx, Inhaberin des „Zeilenreich“in Bensberg, empfiehlt Charlotte Indens „Im Warten sind wir wundervoll“.

Inhalt: In der Nachkriegszeit flogen die „War brides“ nach Amerika. Am Flughafen wurden sie dann von ihren Verlobten abgeholt. Nur Luise landet in New York und wird als einzige nicht abgeholt.

Ihre Geschichte wird von ihrer Enkelin Elfie erzählt, verwoben mit ihrer eigenen. Denn Elfie reist viele Jahre später, aus einer eher spontanen Laune heraus, ihrem Freund nach Amerika hinterher, um ihn zu überraschen. Auf dem langen Flug erzählt sie ihrem Sitznachbarn Luises Geschichte. „Mir war das war das Thema der war brides vor diesem Buch nicht bekannt und ich finde es beeindruckend, dass junge Frauen ihr altes Leben zurückgelassen haben und darauf vertraut haben, dass sie am anderen Ende der Welt in Empfang genommen werden“, sagt Marx.

Inden habe die beiden Frauen sehr gut gezeichnet: Luise, diese furchtlose junge Frau, die sich so gar nicht an irgendwelche Regeln oder Verbote halten will und Elfie - die Enkelin- ist genau wie ihre Oma. Furchtlos handelt sie bevor sie denkt und lässt sich in keine Schublade stecken.

Ein Buch wie ein Geheimnis

Stefanie Wirth, Inhaberin der Buchhandlung 7 Morgen in Refrath findet: „Am Himmel die Flüsse“ von Elif Shafak vermittelt das Gefühl, man bekäme ein Geheimnis anvertraut. Sprachlich wunderschön und eine intensive Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Die Autorin verknüpft drei Zeitebenen und drei Geschichten, die am Ende ein wundervolles Bild abgeben. „Ich empfehle das Buch jedem, der etwas Besonderes sucht oder einen besonderen Menschen beschenken möchte. Für mich das schönste und eindringlichste Buch des Jahres“, sagt sie.

Sogwirkung aus der Komfortzone

Michaela Rusch, Inhaberin der Buchhandlung Till Eulenspiegel in Hoffnungstal, empfiehlt das Buch „Das Lied des Propheten“ von Paul Lynch. Für den Roman hat der Autor im vergangenen Jahr den renommierten Booker Prize verliehen bekommen, „völlig zu Recht“, findet die Buchhändlerin.

Inhalt: Die Geschichte spielt in Irland der nahen Zukunft. Der Staat ist eine Diktatur geworden, Grundrechte gelten nicht mehr. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Eilish, eine Wissenschaftlerin, deren Mann bereits verhaftet worden ist.

Sie selbst überlegt, ob es Zeit ist auszuwandern. Doch sie hat Verpflichtungen gegenüber ihren Kindern und ihrem dementen Vater, die sie halten. Aber das Leben wird immer schwieriger. Das Buch habe „absolute Sogwirkung“ und sei temporeich und dicht geschrieben. „Es ist ein Weckruf und macht deutlich, dass Faschismus kein Problem der Anderen ist. Das Buch holt uns Leser aus der Komfortzone“, meint Rusch.

Über alltägliches Leben

Der Bücherwolf aus Kürten empfiehlt den Roman „Leonard und Paul“ von Rónán Hession.

Inhalt: Ein Roman über zwei „Antihelden“, über echte Freundschaft, die durch Veränderungen auch schonmal auf die Probe gestellt wird. Eine Geschichte, die auf entspannte Weise unterhaltsam ist, denn es geht nicht um höher,schneller,weiter, sondern um das kleine, unauffällige, alltägliche Leben. Es wird auf dem Cover als „charmante Lektüre“ bezeichnet und genau das ist es: „eine ruhige, wohltuende, amüsante Geschichte“. Das größte Geschenk sei es, einen Leonard oder Paul in seinem Leben zu haben.

Endlichkeit des Lebens

„Unbedingt lesen“, sagt Alexander Bücken über „Die Gleichzeitigkeit der Dinge“ von Husch Josten. Darf man zur Weihnachtszeit ein Buch verschenken, das sich mit dem Tod auseinander setzt? Nur, wenn Josten mit „großer Erzählkunst“ zeigt, wie man inmitten von Trauer und Verlust Augenblicke des Glücks findet, meint der Inhaber der Overather Buchhandlung Bücken. Ein anspruchsvoller Roman, der nicht deprimierend ist, sondern eine sensible Betrachtung über das Leben angesichts seiner Endlichkeit.