Erftstadt-Blessem – „Erftstadt ist raus aus der Verantwortung.“ Was am Dienstag schon Thema im Stadtrat war, erläuterte Bürgermeisterin Carolin Weitzel am Mittwochnachmittag noch einmal vor Ort, an der Abbruchkante in Blessem. Dorthin hatte sie zu einer Pressekonferenz eingeladen, stellte sich aber auch den Fragen von rund 20 Bürgerinnen und Bürgern.
Weitzel machte klar, dass sie nicht gewillt ist, die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen hinzunehmen. Das hatte per Erlass verfügt, dass die Bezirksregierung Arnsberg als Bergbaubehörde ab jetzt für den Wiederaufbau des Erftstädter Stadtteils zuständig ist und für die Neugestaltung der Fläche am Ortsrand, die die Flut Mitte Juli in einen riesigen Krater verwandelt hatte. Die Arnsberger Behörde war auch für die Genehmigung und Überwachung des Tagebaus verantwortlich.
Carolin Weitzel: Kiesgruben-Betrieb „nicht zu verantworten“
Und in noch einem Punkt zeigte die Bürgermeisterin klare Kante: „Nicht zu verantworten“ und „unvertretbar“ sei es, den Betrieb der Kiesgrube wieder aufzunehmen. Bei Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und Bauministerin Ina Scharrenbach habe sie sich bereits dafür starkgemacht, dass Erftstadt weiterhin mitbeteiligt bleibt an den Planungen.
Sie habe die Befürchtung, dass der Kiesabbau weiterlaufen solle, sagte Carolin Weitzel. Betreiber sind die Rheinischen Baustoffwerke, eine RWE-Tochter. An den Mutterkonzern hat die Bezirksregierung Arnsberg einen Planungsauftrag für das Gelände am Blessemer Ortsrand vergeben.
Eine Kiesgrube so dicht an der Wohnbebauung einerseits und am Flusslauf der Erft andererseits sei schon bei der Genehmigung kritisch zu sehen gewesen, befand die Bürgermeisterin. Die Stadt müsse nun ermitteln, ob die Böschungen den Vorschriften entsprochen hätten. Dafür würden die Unterlagen und die Grundlagen der Genehmigung geprüft. Weitzel: „Wir wollen mitmachen, mitgestalten und für Transparenz sorgen.“
Bürgermeisterin empfiehlt den Blessemern, sich zu wehren
Wenn im Tagebau wieder Kies gewonnen würde, dann würden auch die friedlichsten Blessemer auf die Barrikaden gehen, kündigte Ortsbürgermeister Reiner Dreschmann an. Und genau das empfahl die Bürgermeisterin: aufbegehren und laut werden. Genau das wollen die Blessemer tun. „Wir sind bereit, mit dem Bus nach Arnsberg zu fahren“, hieß es.
Denn die Menschen in dem Ort haben Angst vor dem nächsten Hochwasser. „Wer garantiert uns, dass so etwas nicht wieder passiert?“, fragte eine besorgte Bürgerin. „Niemand“, beschied ihr Bürgermeisterin Weitzel. Eine andere Frau plädierte: „Vor allem wollen wir nicht vergessen werden.“
Die Erftstädter Grünen fordern eine Resolution aller Ratsfraktionen zur Kiesgrube Blessem. Es werde immer klarer, dass man der Bezirksregierung Arnsberg die Aufklärung des Unglücks nicht überlassen dürfe, sondern dass ein unabhängiges Gutachten erstellt werden müsse. Die Kiesgrube solle renaturiert werden und schnellstmöglich im Sinne des Hochwasserschutzes und der Ökologie umgebaut werden. Die Bürger hätten ein Recht darauf, ohne Sorgen wiederaufbauen zu können.