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Wenn Helfen die Seele heiltErftstädter Hochwasser-Opfer hilft Menschen in der Ukraine

Lesezeit 3 Minuten

Anpacken, sortieren, verladen: Freiwillige haben Hilfsgüter für die Ukraine nach Polen gebracht.

Erftstadt – Christian Schauff hat Schläge eingesteckt, die manch anderen auf Dauer zu Boden geschickt hätten. Doch der Blessemer ist wieder aufgestanden. Vor einigen Tagen ist er mit einem Konvoi voller gespendeter Güter für ukrainische Kriegsopfer nach Polen gefahren. „Ich wollte etwas von der Hilfe zurückgeben, die ich erfahren habe“, sagt Schauff.

Vor zwei Jahren hat er seinen Sohn verloren, er starb an einer Krankheit. Schauff selbst hat schwere Herzprobleme. Und dann kam die Hochwasserkatastrophe. Christian und Sylvia Schauff wohnten zur Miete in einem der Häuser, die in den gewaltigen Strudel der einstürzenden Kiesgrube gerissen wurden. Unter dramatischen Umständen retteten sie ihren Hund und ihre Katze, schwammen mit den Tieren durch die Fluten, bis sie ein junger Nachbar aus dem Wasser zog. „Wir sind zweimal gerettet worden“, erinnert Christian Schauff sich: Als sie zu Fuß unterwegs waren, habe die Flut sie beinahe noch einmal erwischt. Aber jemand brachte sie im Auto in Sicherheit.

Christian Schauff schwärmt von der Hilfsbereitschaft, die ihm begegnet ist – sowohl nach dem Hochwasser in Blessem als auch auf der Fahrt durch Polen.

„Der Hilfstransport war für mich eine Chance, all das Negative, das ich erlebt habe, aufzuarbeiten“, sagt der Blessemer. Spontan hatte er zugesagt, als eine gute Freundin einen Fahrer suchte für die Tour. Er fing an, auch selbst Spenden zu sammeln. Weil die Wohnung in Kierdorf, in der das Ehepaar mittlerweile lebt, eher klein ist, stapelten sich die Hilfsgüter in der Einfahrt und auf der Terrasse. Eine ganze Woche sortierte Sylvia Schauff die Sachen. Schließlich machten sich vier Transporter, ein Wohnmobil mit Anhänger und ein 7,5-Tonner aus Greetsiel mit Hilfsgütern im Wert von rund 60.000 Euro auf den Weg Richtung Osten.

Fahrt bis ins polnische Flüchtlingslager

Es wurde eine abenteuerliche Fahrt. Zweimal platzte am Lastwagen ein Reifen. „Die Hilfsbereitschaft der Polen war unglaublich“, schwärmt Schauff. Den Plan, in ein Flüchtlingslager an der Grenze zu fahren, musste der „wild zusammengewürfelte Haufen“ aufgeben. Vor der neuen Abgabestelle dann kilometerlange Staus, sodass die Helfer erst mitten in der Nacht drankamen. Bis nach Mitternacht hätten die Polen klaglos angepackt, erzählt der Blessemer. „Unsere Sachen sind gleich morgens nach Kiew weitergeschickt worden.“

Bei seiner Frau und ihm seien durch die Hilfsaktion viele Erinnerungen wieder hochgekommen. Szenen, die das Hirn irgendwo verschüttet hatte, weil die Gedanken daran zu schmerzlich gewesen wären. Jetzt konnten die beiden darüber sprechen. „Ich habe nicht nur meinen Sohn verloren, sondern dann beim Hochwasser auch noch alle Erinnerungsstücke“, sagt Christian Schauff. Und außer den Erinnerungsstücken zudem alles, was er und seine Frau besessen hatten. „Wir wissen jetzt, dass wir nicht viel brauchen“, ist seine Konsequenz daraus. Dankbar erinnert er sich an all die Menschen, die ihm damals geholfen haben: mit Unterkunft, mit Kleidung, mit Essen.

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Und während Christian Schauff nun geholfen hat, ist schon wieder ein positives Echo bei ihm angekommen. „Ich habe so viele nette, hilfsbereite Menschen kennengelernt, dass ich beim Gedanken daran Gänsehaut bekomme“, sagt er. In Gedanken sei er schon dabei, noch eine Tour zu machen. Damit das Geben und Nehmen weitergehen kann.