In einem Keller der Koelnmesse wurden 450 verschollen geglaubte Keramikkacheln aus der Produktion von Toni Ooms aus Frechen entdeckt.
Im Keller der Koelnmesse gefundenDas Geheimnis um den Fliesenschatz aus Frechen
„Diese E-Mail hatte für mich oberste Priorität, mir war sofort klar, das ist etwas Faszinierendes, da muss ich sofort hin“ – noch immer ist Christine Otto, Leiterin des Keramions Frechen, die Begeisterung anzumerken, wenn sie von der Nachricht über einige Keramikfliesen spricht. Die Entdeckung eines Schatzes, die über einen Todesfall in einen vergessenen Kellerraum der Koelnmesse GmbH zu einem verschollenen Prunksaal und in die Frechener Stadtgeschichte führt.
In den Hauptrollen sind eine aufmerksame Witwe, ein junger Baufachmann mit Forscherinstinkt, die fassungslose Museumsleiterin und ihr Amtskollege Klaus Gutkowski zu finden sowie allen voran der Direktor der ehemaligen Frechener Steinzeugfabrik Kalscheuer, Toni Ooms. Am Ende stehen eine aufwendige Erinnerungsstätte in den Gebäuden der Koelnmesse, die Aussicht auf eine fulminante Leihgabe eines „absoluten Kulturgutes“ der Stadt Frechen für das Keramion und glückliche Fachleute.
Begonnen hat die außergewöhnliche Geschichte mit einem Anruf bei der Kölner Stadtkonservatorin Rita Pesch. Eine Witwe meldete sich bei der Bauassessorin und berichtete, im Nachlass ihres Mannes vier bis fünf große Keramikfliesen gefunden zu haben. Sie könne sich daran erinnern, dass diese wohl früher einmal bei der Koelnmesse verwendet worden seien. Pesch wandte sich an die Messegesellschaft, dort gab es wiederum die Erinnerung, dass es irgendwo auf dem Gelände einen Raum geben müsse, wo weitere Exemplare gelagert würden.
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Der Fall landete auf dem Schreibtisch von Marius Kallmann, Referent Bau bei der Messe, der ihn als erstes Projekt in Eigenregie bearbeitete. „Ich habe mich sofort auf die Suche gemacht, wir haben auf dem Gelände etliche Kellerräume, die in Vergessenheit geraten sind“, berichtet er, „und plötzlich stand ich in einem dunklen, muffigen Keller, in dem auf 1,20 Meter Höhe eine große Zahl an Fliesen an den Wänden entlang gestapelt waren.“ Ohne System und mit Mörtelresten hätten rund 450 Exemplare in dem Kellerraum gelegen – alle mit unterschiedlichen Motiven und in unterschiedlichen Farben, berichtet der junge Ingenieur.
Zunächst sei ihre Herkunft und ihr Zweck völlig unklar gewesen, so Kallmann. Es galt, das Geheimnis des Fliesenschatzes zu ergründen. Die Mörtelreste klopfte er mit Handarbeit frei, sortierte die Fliesen thematisch vor und katalogisierte sie. Eines Tages fand er eine Fliese, auf der der Hinweis auf die Baukeramikabteilung des Kalscheuerwerkes in Frechen zu sehen war – ein erster Anhaltspunkt. Der Baureferent wandte sich mit besagter E-Mail an das Keramion und löste damit nicht nur das Rätsel, sondern auch Begeisterung aus.
„Ich verfolge die Oomsche Keramik schon lange,“ analysiert Otto, „als ich die Fliesen bei der Messe das erste Mal gesehen habe, war mir klar, dass es sich um einen riesigen Schatz handelt.“ Relativ schnell sei deutlich gewesen, dass sie zu einem mit Säulen geschmückten, rund 800 Quadratmeter großen Saal, einer Wandelhalle, gehörten, der Anfang der 1920er Jahre von Tomi Ooms und Bildhauern entworfen und ausgeschmückt wurde.
Frechen: Der Historiker Egon Heeg widmet dem Saal in einem Buch einen Abschnitt
Heute zeugen nur noch einige wenige Plattenfotos des Rheinischen Bildarchivs von dem damals umjubelten Bauwerk. Der Frechener Historiker Egon Heeg widmet ihm in seinem Buch „Die Köln-Frechener Keramik, 1919 bis 1934“ einen Abschnitt. Das Schicksal des Saals ist unbekannt. Fest steht nur, dass Arbeiter wohl die Fliesen einiger der 30 Säulen abgelöst und bewahrt haben, mehrfach wurden die Fliesen in den Kellerräumen der Messe umgelagert.
Heeg berichtet in seinem Buch, dass Toni Ooms mit der von ihm initiierten Kunstkeramikabteilung in der Fabrik Ende 1923 den ersten Durchbruch erzielte. Er suchte aber den ganz großen Erfolg und ergriff die Gelegenheit, die sich durch Konrad Adenauer bot. Der damalige Kölner Oberbürgermeister wollte seine Stadt zu einem internationalen Handels- und Messeplatz ausbauen und plante umfangreiche und repräsentative Messegebäude. Ooms sicherte sich dort lukrative Aufträge, die Anfang 1924 eine Erweiterung der Steinzeugfabrik nötig machten.
So kam es auch zu der Tätigkeit für die Wandelhalle des Messehofes – die 30 noch schmucklosen Säulen sollten verziert werden. Ooms überzeugte mit seinem Angebot und Entwurf. Für die Gestaltung der Säulen waren die Kölner Bildhauer Franz Albermann, Joseph Papst und Eduard Schmitz zuständig. Sie entwarfen jeweils ein Säulenmodell mit Kopfprofilen, Eckleisten und bildlich gestalteten Fliesen in einheitlicher Größe, so Heeg.
Ungewöhnliche Motive: Zecken, Spinnen und Kolibris
Die Motive der Kleinserien waren zum Teil sehr ungewöhnlich: Es finden sich exotische Tiere wie Kolibris, Insekten, Zecken oder Spinnen. Aber auch klassisches wie Jagdmotive, Blumen, spielende oder musizierende Kinder. Am Ende glich keine Säule der anderen, auf jeder waren die Kacheln anders angeordnet. Verwendet wurden nur helle Glasuren unter sparsamer Bemalung mit Metalloxiden – der damals typischen Majolikatechnik. Jede der Fliesen wurde per Hand hergestellt, die Motive aufgezeichnet und aufmodelliert sowie bemalt. Im Frühjahr 1925, rechtzeitig zur Jahrtausendausstellung in der Kölner Messe, werden die Arbeiten fertig und ernten beim Publikum und in der Fachpresse viel Lob.
Zum 100-jährigen Bestehen der Koelnmesse im vergangenen Jahr hat der Fliesenschatz aus Frechen nun einen neuen Auftritt erhalten: Die wiederentdeckten Fliesen wurden aufbereitet und zwei Säulen mit 130 Fliesen für einen mittleren fünfstelligen Betrag rekonstruiert. Sie stehen nun mit einem großformatigen Foto der ehemaligen Wandelhalle und einem Schaukasten mit Erklärungen in der Verbindungspassage zwischen dem älteren Konferenzzentrum West und dem neuen Confex der Messe – symbolisch verknüpften sie die Vergangenheit mit der Zukunft.
Von den verbliebenen Fliesen, die im Eigentum der Koelnmesse sind, sollen nun voraussichtlich 250 Stück als Leihgabe an das Keramion gehen. Otto und Gutkowski planen damit eine Ausstellung, um den wiederentdeckten „großartigen Kulturschatz“ auch in seiner Heimatstadt bekannt zu machen.