Hürth-Hermülheim – Vor den Wassermassen konnte Karl-Heinz Streichardt sein Auto gerade noch in Sicherheit bringen. Als beim Unwetter am Montag vergangener Woche (16. Mai) nachmittags die Tiefgarage am Hürther Bogen volllief, eilte der 77-jährige frühere Erste Polizeihauptkommissar die Treppen aus dem fünften Stockwerk herunter und stellte den Wagen auf dem Grünstreifen vor dem Haus ab.
Doch auch das Ordnungsamt war schnell: Schon um 8.10 Uhr am anderen Morgen klemmte ein Knöllchen hinter dem Scheibenwischer.
„Das war der einzige freie Platz“, berichtet Streichardt. „Die Nachbarn mussten ja auch schnell ihre Autos aus der Garage fahren und draußen abstellen. Außerdem standen da noch die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr.“ Streichardt war klar, dass er den Wagen nicht auf dem Grünstreifen stehen lassen konnte, auch wenn das Fahrzeug dort niemanden behindert habe. Doch auf dem Weg zurück in die Wohnung stürzte er und verletzte sich schwer.
Hürther stürzte die Treppe herunter und brach sich das Steißbein
„Wir konnten die Haustür nicht aufmachen, weil das Wasser davor 30 Zentimeter hoch stand“, berichtet er. Also kletterte der rüstige Pensionär durch ein kleines Fenster neben der Tür ins Haus, rutschte dann aber aus und fiel acht Stufen tief die Treppe herunter und schlug lang hin. „Ich dachte erst, ich habe mir das Rückgrat gebrochen“, erinnert er sich. „Das waren wirklich schlimme Schmerzen.“
Gestützt von Nachbarn, schaffte er es zurück über die Treppe in seine Wohnung im fünften Stock – der Aufzug ist nach der Überschwemmung immer noch außer Betrieb. Auch der Notarzt war zur Stelle, konnte aber nicht viel für den Patienten tun. „Ich konnte mich kaum bewegen und nicht runter gehen, um den Wagen wegzusetzen.“ Später stellte sich heraus, dass Streichardt sich bei dem Treppensturz das Steißbein gebrochen und schwere Prellungen zugezogen hatte.
Am anderen Morgen entdeckte Streichardt dann das Knöllchen an seinem Auto. „Ich bin auf dem Weg zum Arzt direkt ins Rathaus, um die Sache beim Ordnungsamt zu klären.“ Er trug den Sachverhalt vor und reichte seine Eingabe am nächsten Tag auch schriftlich per E-Mail ein.
Aus allen Wolken fiel Karl-Heinz Streichardt dann, als er am Samstag dennoch ein Knöllchen über ein Verwarngeld in Höhe von 55 Euro im Briefkasten fand. „Ich habe gedacht, das kann doch nicht wahr sein.“ Als ehemaliger Polizeibeamter wisse er, dass es Fälle gebe, in denen nach „pflichtgemäßem Ermessen“ zu entscheiden sei. „Man kann also einschreiten, muss aber nicht. Das muss doch auch fürs Ordnungsamt gelten." Schließlich habe er aus einem Notstand heraus gehandelt. „Aber die sind da anscheinend gnadenlos, auch nach so einer Katastrophe.“
Ehemaliger Hürther Polizeibeamter legte Protest gegen das Knöllchen ein
Umgehend legte er per E-Mail Protest ein und fügte noch eine Anmerkung hinzu: „In einer solchen Notlage ordnungswidrig abgestellte Fahrzeuge im direkten Notstandsgebiet zu sanktionieren, halte ich auch moralisch für nicht gerechtfertigt.“
Inzwischen bekam Streichardt per E-Mail vom Ordnungsamt die Aufforderung, bis zum 30. Mai eine Kopie des Arztberichts vorzulegen. Dann werde der Fall noch einmal geprüft. Hinnehmen will er das Verwarngeld auf keinen Fall. „Notfalls klage ich dagegen.“
Die Stadtverwaltung will allerdings inzwischen doch nicht mehr prüfen und hält an dem Knöllchen fest. „Bedauerlicherweise kann, trotz der besonderen Extremsituation, mit Hinblick auf bestehende Gesetze und den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gleichbehandlung das Bußgeld nicht zurückgenommen werden“, teilt Verwaltungssprecher Willi Pütz auf Anfrage mit. „Wir bedauern sehr, dass sich Herr Streichardt bei einem Treppensturz verletzt hat und dass seine Tiefgarage im Zusammenhang mit dem Starkregenereignis überflutet wurde. Wir wünschen ihm eine schnelle und vollständige Genesung.“