Um kritische Situationen mit Vierbeinern meistern zu können, sollten Halter die Sprache ihres Hundes lernen, so Experte Martin Rütter.
Vorfall am Otto-Maigler-SeeHundeexperte Martin Rütter über außer Kontrolle geratene Hunde
Jagdpächter und Tierärzte beklagen sich häufende Fälle, bei denen Hunde Wildtiere jagen. Und das nicht nur wie zuletzt am Otto-Maigler-See.
In Hürth jagten kürzlich vier Hunde ein Reh und bissen es tot. Auch viele Fußgänger fürchten sich vor freilaufenden Hunden. Zeit für ein Gespräch mit Hundeexperte Martin Rütter. Der 52 Jahre alte fernsehbekannte Rütter lebt in Bergheim.
Herr Rütter, das Jagdfieber hatte die Hunde am Otto-Maigler-See derartig erfasst, dass sie nicht mehr auf ihre Halter hörten. Ist das dem Instinkt geschuldet?
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Martin Rütter: Der Jagdtrieb lässt sich nicht löschen. Ich kann aber dafür sorgen, dass der Hund ihn unter meiner Kontrolle auslebt. Zum Beispiel mit einer Reizangel, also ein Stock mit einer Schnur, an deren Ende die „Beute“ hängt. Das heißt natürlich nicht, dass er danach nicht mehr jagen geht. Aber wenn ich zusätzlich noch auf Vorboten des Jagdverhaltens achte, kann ich ihn stoppen, bevor er im Gebüsch verschwindet.
Was sind solche Anzeichen?
Meist ist es ja so: Der Hund beschnuppert den Wegesrand, während sich Herrchen und Frauchen unterhalten. Dann ist der Hund plötzlich weg. Würden beide den Hund beobachten, hätten sie rechtzeitig bemerkt, dass sich das Jagdverhalten anbahnt. Zu dem Zeitpunkt könnten sie den Hund noch gut zurückrufen.
Was raten sie Eltern, die mit ihren Kindern im Wald unterwegs sind, wenn sie von einem Hund oder mehreren außer Kontrolle geratener Hunden angebellt oder sogar angesprungen werden?
Was man in solchen kritischen Situationen tun sollte, hängt immer von den jeweiligen, individuellen Gegebenheiten ab. Grundsätzlich: Fühlt man bei einem frontal herankommenden bellenden Hund Unbehagen, kann man das Kleinkind sofort auf den Arm nehmen und ihm so Sicherheit geben. Allerdings kann dies dazu führen, dass der Hund aus Neugier erst recht hochspringt. Dann sollte man den Hund nicht wie zur Salzsäule erstarrt fixieren, sondern sich etwas zur Seite drehen und an ihm vorbeigucken. Das reicht bei den meisten Hunden aus, damit sie das Interesse verlieren.
Was ist bei der Erziehung von Hunden falsch gelaufen, wenn sie, einmal losgerannt, nicht mehr auf den Halter hören und gar nicht mehr reagieren?
Für mich gibt es da zwei zentrale Aspekte, der eine ist die Erziehung/das Training. Wir Hundemenschen müssen einfach dafür sorgen, unsere Hunde gesellschaftstauglich zu machen. Wenn ich meinen Hund ableine, muss ich sicher sein, dass er kommt, wenn ich ihn rufe. Kommt einem beispielsweise im öffentlichen Raum ein Läufer oder aber auch nur ein anderer Mensch, oder sogar ein anderes Mensch-Hund-Team entgegen, sollte ein frei laufender Hund sofort zurück gerufen werden. Und dieser Rückruf, der sollte dann auch verlässlich sitzen.
Frei bei Fuß laufend oder angeleint wird dann der entgegenkommende Mensch passiert, erst danach darf der Hund den Läufer wieder im Freilauf begleiten. Denn Rücksichtnahme ist immer oberstes Gebot und so darf ein frei laufender Hund keine anderen Menschen belästigen, indem er an diesen hochspringt oder sie anbellt, beißt oder zu Fall bringt.
Es gibt Menschen, die grundsätzlich – und oft wegen schlechter Erfahrungen – Angst vor Hunden haben.
Stimmt. Auch wenn ein Hund sich im Freilauf überhaupt nicht für andere Menschen interessiert, sollte er vor Begegnungen an die Seite seines Menschen gerufen werden. Denn viele Menschen haben Angst vor Hunden, können deren Verhalten nicht einschätzen, und fühlen sich so schon von dem einfach nur freilaufenden Hund belästigt.
Und der zweite Aspekt beim Fehlverhalten von Hunden?
Das ist körpersprachliche Aspekt. Ich hatte ja eingangs schon erwähnt, dass, wenn ich auf Vorboten des Jagdverhaltens achte, ich meinen Hund stoppen kann. Um diese Vorboten allerdings erkennen zu können, ist auch Wissen über die Körpersprache des Hundes nötig. Und an der Stelle hapert es leider oft. Mal zwei Beispiele dazu: Das Anspringen bei der Begrüßung wird fast immer als Freude des Hundes empfunden. In den wenigsten Fällen ist es aber freundlich gemeint, sondern viel häufiger als Korrektur am Menschen, der den Hund nicht mit nach draußen genommen hat. Oder das Schwanzwedeln, das die meisten Leute ebenfalls generell als Freude interpretieren. Dabei kann das Schwanzwedeln sehr unterschiedliche Bedeutungen haben.
Nämlich?
Wenn zum Beispiel der Hundekörper beim Wedeln ruhig ist, und der Hund dabei den Kopf leicht abgesenkt und sein Gegenüber fixiert, zeigt die wedelnde Rute die Aufregung des Hundes kurz vor einem Angriff. Ein entscheidender Punkt sollte für uns Hundehalter also sein, die Sprache des Hundes zu lernen und somit seine Bedürfnisse zu erkennen.
Lassen sich die Erziehungsfehler auch noch im höheren Hundealter begradigen?
Auf jeden Fall. Grundsätzlich beginnt man mit der Erziehung des Hundes ab dem Zeitpunkt, wenn er bei seinen neuen Haltern lebt. Bei einem älteren Hund sollte man hier und da aber vielleicht etwas mehr Zeit einplanen.