Was in 50 Jahren passiert ist und wie im Rhein-Erft-Kreis das Jubiläumsjahr gefeiert wird.
Keine LiebesheiratDer heutige Rhein-Erft-Kreis wird 50 Jahre alt
Es war keine Liebesheirat, die damals den Kreis Bergheim und den Landkreis Köln zusammenführte. Vor allem der Verlust des Kölner Autokennzeichens soll manchen ziemlich gewurmt haben. Statt K nun BM – so schnell verliert man den Ruf des Großstädters. 1975 wurden die Kreise in Nordrhein-Westfalen neu zugeschnitten, jeder sollte mindestens acht Kommunen umfassen. Der Erftkreis, wie er damals genannt wurde, hatte neun, denn ihm wurde Erftstadt zugeschlagen, das bis dahin zum Kreis Euskirchen gehört hatte.
1976 kam dann noch Wesseling dazu und damit der Zugang zum Rhein. Bis der Strom auch Eingang in den Namen fand, sollten 28 Jahre vergehen. 2003 wurde aus dem Erftkreis der Rhein-Erft-Kreis. Ein Kreis im Herzen Europas, vor allem aber im Herzen des Rheinischen Braunkohlereviers.
In Rhein-Erft wurde schon Weltpolitik gemacht
Es gibt nur wenige Flächen, die im Laufe der Jahrhunderte nicht mindestens einmal umgedreht worden sind auf der Suche nach dem schwarzen Gold, das lange Zeit Arbeit und Wohlstand versprach. Entsprechend groß sind die Herausforderungen durch den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Ein Kreis im Herzen des Strukturwandels, sozusagen. In seiner 50-jährigen Geschichte stand der Kreis immer wieder im Mittelpunkt des bundesweiten, manchmal auch des weltweiten Interesses.
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Hier wurde Weltpolitik gemacht: Schloss Gymnich, im Erftstädter Stadtteil Gymnich gelegen, war bis 1990 Gästehaus der Bundesregierung. Staatsoberhäupter – von Queen Elizabeth bis Erich Honecker – nächtigten dort. Sogar ein wichtiger Schritt zur Deutschen Einheit soll dort vollzogen worden sein, bei einem Geheimtreffen im August 1989 des ungarischen Ministerpräsidenten Miklós Németh mit Bundeskanzler Helmut Kohl, in dessen Folge Ungarn die Grenze zu Österreich geöffnet habe.
Auch im Brühler Schloss Augustusburg fanden Staatsempfänge mit hochrangigen Gästen statt. Positive Schlagzeilen gab es 2005, als fast eine Million junger Katholiken aus aller Welt auf dem Marienfeld zwischen Kerpen und Frechen kampierten.
Da war sogar der Papst zu Gast im Rhein-Erft-Kreis und zelebrierte einen Gottesdienst, an den bis heute der Papsthügel erinnert. Neben den schönen Erinnerungen stehen traurige. An das Zugunglück in Frechen-Königsdorf beispielsweise, das am 26. Mai 1983 sieben Tote und 23 Schwerverletzte kostete. Eine Böschung war abgerutscht, ein Schnellzug entgleiste und prallte gegen eine Brücke.
Am 6. Februar 2000 starben ebenfalls bei einem Zugunglück in Brühl neun Menschen, nachdem ein Zug zu schnell über eine Weiche gefahren war, die ihn aufs Nebengleis lenken sollte.
Einer der größten Polizeieinsätze in der jüngeren Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen fand im September 2018 statt, als es um die Räumung des Hambacher Forstes ging. Der Wald sollte dem Tagebau Hambach weichen, Umweltschützer und Klimaaktivisten hatten ihn besetzt, lebten dort teilweise jahrelang in Baumhäusern.
Rodungsstopp 2020: „Hambi bleibt“
Im Oktober dann verfügte das Oberverwaltungsgericht einen Rodungsstopp, seit 2020 steht fest: Hambi bleibt. Zumal aller Voraussicht nach nur rund die Hälfte der Fläche, die für den Tagebau Hambach vorgesehen war, in Anspruch genommen wird, weil 2030 der Ausstieg aus der Braunkohle vollzogen sein soll.
2021 gab es dann noch einmal weltweites Interesse, auf das man gern verzichtet hätte. Das Hochwasser der Erft und ihrer Nebenflüsse traf den Rhein-Erft-Kreis zwar nicht so hart wie den Nachbarkreis Euskirchen, in dem es Menschenleben kostete. Doch die einstürzende Kiesgrube in Erftstadt-Blessem bot ein so spektakuläres Bild, dass es sogar auf dem Titel des Wall Street Journal abgedruckt wurde.
50 Jahre nach seiner Gründung steht der Kreis vor der größten Herausforderung seiner Geschichte. Oder besser gesagt: Er ist schon mitten drin in der Bewältigung des Strukturwandels. Die Kohle und all die Industrien und Gewerbe, die mit ihr in Zusammenhang stehen, sind Auslaufmodelle. Energie muss aus anderen Quellen kommen, davon zeugen Windparks und Flächensolaranlagen, die an vielen Stellen im Kreis gebaut werden. Die Spuren, die der Kohleabbau hinterlassen hat, werden nicht verwischen, aus dem Tagebau soll ein riesiger See werden. Aber bis der voll Wasser gelaufen ist, kann der Rhein- Erft-Kreis schon sein nächstes Jubiläum feiern.
Oberkreisdirektoren und Landräte
Bis 1995 führte ein Oberkreisdirektor die Geschäfte im Kreishaus, die Landräte waren Ehrenamtler. Oberkreisdirektor war von 1975 bis 1987 Helmut Bentz, bis 1995 dann Wolfgang Bell. Ehrenamtliche Landräte waren Bernhard Worms (CDU) von Mai 1975 bis August 1983, Willi Kaiser (CDU) von September 1983 bis Oktober 1984 und Klaus Lennartz (SPD) von Oktober 1983 bis März 1995. Am 30. März 1995 wählte der Kreistag den bisherigen Oberkreisdirektor Wolfgang Bell (SPD) zum hauptamtlichen Landrat. Sein Nachfolger wurde Werner Stump (CDU), der vor Ende seiner dritten Amtszeit im Juli 2013 zurücktrat. Das Amt blieb christdemokratisch besetzt. Von Oktober 2013 bis November 2020 war Michael Kreuzberg Landrat des Rhein-Erft-Kreises, sei t 2020 ist Frank Rock der Chef im Bergheimer Kreishaus.
Das Festprogramm
Ein Höhepunkt der Jubiläumsfeiern soll ein Festakt im Feierabendhaus Knapsack werden mit rund 400 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Es findet am 11. Juli statt. Am 23. August gibt es ein Bürgerfest in der Bergheimer Fußgängerzone mit Musik mit regionaler und überregionaler Künstler, Street-Food-Ständen und auch einem Programm für Kinder. Vereine und Initiativen haben die Gelegenheit, sich vorzustellen. Zum Jubiläum erscheint eine Festschrift, die vom Umfang her schon eher ein Buch wird. Darin soll sich nicht nur ein Überblick über die Geschichte des Kreises finden, sondern auch Porträts von Persönlichkeiten, die ihn geprägt haben. Die Folgen des Ausstiegs aus der Braunkohle und des damit einhergehenden Strukturwandels werden ebenso thematisiert wie denkwürdige Ereignisse und kulturelle Attraktionen.